Mut beweist der Angeklagte bei der polizeilichen Vernehmung, denn dort macht er reinen Tisch, indem er die Namen von Großdealern preisgibt, die aufgrund seiner Aussagen dingfest gemacht werden können. Da die „verratenen“ Drahtzieher aus der Drogenszene durchaus gefährlich für den Angeklagten sein können, wird bei seiner Vernehmung vor Gericht und bei der Aussage der zuständigen Kriminalbeamtin die Öffentlichkeit ausgeschlossen.
Das Gericht rechnet dem Angeklagten seinen Mut hoch an und findet seine Wandlung „vom Saulus zum Paulus“ glaubhaft. Der Vorsitzende Richter Sven Kaboth sagt: „Durch seine belastbaren Angaben kann die Kripo etliche neue Ermittlungen aufnehmen.“ Das Gericht nimmt dem Angeklagten, dessen Drogenkarriere bereits mit 14 Jahren begann, auch ab, dass er endlich sein Leben ändern möchte. Der 20-Jährige, der sehr viel jünger wirkt, sitzt ruhig und blass neben seinem Verteidiger und unterdrückt die Tränen. Jugendgerichtshelfer Thomas Mauer schildert, dass mehrere Diversionsverfahren und abgeleistete Sozialstunden anfangs durchaus Erfolg versprechend waren. Doch am Ende habe der Angeklagte sein Versprechen, nicht mehr straffällig zu werden, nicht eingehalten: „Er konnte es einfach nicht.“ Seine Drogenabhängigkeit habe ihn daran gehindert. Der Verteidiger versichert, dass sein Mandant „mit den Drogen aufhören will, es aber nicht schafft“. Gleichwohl habe er in der U-Haft einen kalten Entzug gemacht, sodass er sich bereits positiv verändert habe. Eine Therapie habe er begonnen, die jedoch wegen Corona ausgesetzt wurde.
Richter Kaboth empfiehlt dem Angeklagten, das milde Urteil als letzte Chance zu nutzen. Er sei noch jung genug für eine Ausbildung, um künftig drogen- und straffrei leben zu können. Dem Urteil liegt Paragraf 31 des Betäubungsmittelgesetzes zugrunde, das Tätern Strafmilderung in Aussicht stellt, wenn sie freiwillig ihr Wissen weitergeben. Der Angeklagte nimmt das Urteil an, sodass es rechtskräftig ist.