Cochem-Zell
Die Wutbürger von Cochem-Zell
Wutbürger ist das Wort des Jahrs 2010. Die RZ hat sich nach den Wutbürgern in der Region umgeschaut.
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Cochem-Zell - Der Wutbürger hasst, was er als politische Willkür empfindet. Er regt sich auf, er debattiert und demonstriert. Seitdem „Spiegel“-Autor Dirk Kurbjuweit dem Aufsässigen ein Schlagwort verpasst hat, scheint sich der Wutbürger überall breitzumachen. Er hat es sogar auf den ersten Platz der „Wörter des Jahres 2010“ geschafft. Aber gibt es ihn auch in Cochem-Zell? Wir haben uns auf die Suche gemacht und ihn überall entdeckt: an der Mosel, in Eifel und Hunsrück.

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Cochem-Zell – Der Wutbürger hasst, was er als politische Willkür empfindet. Er regt sich auf, er debattiert und demonstriert. Seitdem „Spiegel“-Autor Dirk Kurbjuweit dem Aufsässigen ein Schlagwort verpasst hat, scheint sich der Wutbürger überall breitzumachen. Er hat es sogar auf den ersten Platz der „Wörter des Jahres 2010“ geschafft. Aber gibt es ihn auch in Cochem-Zell? Wir haben uns auf die Suche gemacht und ihn überall entdeckt: an der Mosel, in Eifel und Hunsrück.

Vier Beispiele: In Zell hat sich die Bürgerinitiative „Erhalt der Kulturlandschaft Zeller Hamm“ aus Protest gegen den geplanten Ferienpark „Marina Weingarten“ gegründet. Zwar befürworten alle kommunalpolitischen Gremien das Projekt als touristische Infrastrukturmaßnahme, doch etwa 70 Mitglieder der BI kämpfen dagegen: durch Öffentlichkeitsarbeit, Protestaktionen und Diskussionen.

Protest aus der Bevölkerung gibt es auch gegen ein geplantes Brauhaus mit Biergarten in Cochem. Das berauscht nicht jeden, auch wenn der Stadtrat mehrheitlich einer Änderung des Bebauungsplans zugestimmt hat. Jetzt bleibt abzuwarten, ob Einwohner vor dem Verwaltungsgericht dagegen vorgehen werden.

Erfolgreich war der Protest von Kaiserseschern gegen das vom Stadtrat beschlossene Verkehrskonzept. Über einen Bürgerverein stellten sie den Antrag, die von der Bevölkerung mehrheitlich kritisierte Einbahnstraßenregelung aufzuheben. Das wurde bereits geändert; das ganze Verkehrskonzept wird jetzt neu überdacht.

In Lahr, Lieg, Zilshausen und Mörsdorf hat sich Widerstand gegen die von der VG-Verwaltung favorisierten Fusionsmöglichkeiten formiert. Denn die Hunsrücker hegen und pflegen eine Nähe zur Verbandsgemeinde Kastellaun. Sie haben erreicht, dass auch diese Option geprüft wird. Im Januar kommt außerdem Innenminister Bruch zu Gesprächen nach Lieg.

Diese vier Beispiele haben vieles gemeinsam: Die Bürger wehren sich – nicht gegen den Wandel an sich, sondern gegen die Art und Weise. Sie hegen nicht per se ein politisches Misstrauen, sondern entscheiden im Einzelfall, ob ein Konzept einer Korrektur bedarf. Die Cochem-Zeller Wutbürger sind weiser als es der Begriff in Kurbjuweits Beschreibung fasst: Sie sind nicht renitent, sondern reden mit. Denn ihre politische Mündigkeit manifestiert sich nicht nur an Wahlsonntagen. Ihr Gefühl, die Lage besser beurteilen zu können als die Politik, trügt (meist) nicht: Sie sind eine Art Kompass für ihren kleinen Kosmos.

Die Wutbürger sind 2010 auch im Kreis Cochem-Zell zu einem Phänomen geworden. Aber: Sie sind keine Einzelkämpfer, sondern organisieren sich, treten als Gruppe, als Initiative auf. Das, gepaart mit Sachverstand, gibt ihnen Selbstbewusstsein und Einflusskraft. Nein, sie wollen den Wandel nicht aufhalten, aber sie wollen ihn mitbestimmen, wenn er sie unmittelbar betrifft.

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