Husten, Schnupfen, grippaler Infekt und Co: All das schlägt sich auch in vielen Krankschreibungen nieder. Eine Pressemitteilung der Kaufmännischen Krankenkasse zufolge bewegen sich die Krankschreibungen im Job im ersten Halbjahr auf einem Höchststand.
Hochbetrieb herrschte am Donnerstag auch in einer Hausarztpraxis im Raum Kaisersesch. Auch dieser Hausarzt und seine Mitarbeiter müssen den enormen Ansturm bewältigen. „Das Immunsystem hat durch die lange Zeit des Maskentragens vergessen zu arbeiten“, erklärt der Mediziner während eines Telefongesprächs. Das Immunsystem sei mit einem Muskel, der lange Zeit nicht beansprucht wurde, zu vergleichen. Der Allgemeinmediziner hat beobachtet, dass sich die Wintersaison 2023/2024 mit Blick auf viele Atemwegsinfekte bis in den Sommer hineingezogen hat. „Wir diagnostizieren auch wieder Corona, allerdings nicht in der Dramatik wie während der Pandemie.“
Das Immunsystem hat durch die lange Zeit des Maskentragens vergessen zu arbeiten.
Hausarzt, Kaisersesch
A und O sei es, sich bei einer Erkrankung zu schonen. Dementsprechend schreibe er die Patienten natürlich arbeitsunfähig. „Sich Ruhe zu gönnen, ist ein Teil der Therapie“, betont der Allgemeinmediziner. Eine solch hartnäckige Erkrankung könne durchaus zwei Wochen andauern. Der Arzt empfiehlt gesunde Ernährung, die für jeden oberste Priorität haben sollte, aber er hält nichts vom Tragen von Masken. Warum? „Unser Immunsystem braucht Arbeit und Einflüsse von außen“, sagt er. Es sei denn, es handelt sich um Schwerstkranke oder um Besuch bei Schwerstkranken. Da ist das Tragen von Masken natürlich legitim.
Menschen zeigen mehr Rücksicht auf Arbeitskollegen
Dass die Menschen sensibler seien selbst gegenüber geworden sind und möglicherweise bei einer Erkältung auch mehr Rücksicht auf ihre Arbeitskollegen nähmen, erklärt Albrecht Reinicke. Er hat Anfang des Jahres die bisherige Hausarztpraxis Timmermanns in Oberfell übernommen. „Diejenigen, die sich krankschreiben lassen, möchten es vermeiden, ihre Kollegen anzustecken.“
Der Allgemeinmediziner verzeichnet in diesem Sommer ungewöhnlich viele Erkältungskrankheiten. Mit Medikamenten könne man bei der Virenerkrankung nicht viel machen, müsse aber schauen, dass sich der Zustand des Patienten nicht verschlechtert. Beobachtet hat Reinicke auch das fürsorgliche Verhalten von Arbeitgebern. Sie hätten in Zeiten von Fachkräftemangel teilweise ihre Einstellung geändert und würden argumentieren: „Bitte bleibt zu Hause, bist du wieder fit bist, und steck’ mir die Kollegen vom Team bitte nicht an.“
Reinicke ist sich im Übrigen mit Blick auf den Start der Saison der Weinfeste sicher: „Bei solch einer Tröpfcheninfektion werden sich bestimmt wieder viele anstecken, die gemeinsam an einem Tisch sitzen.“ Für Mitte November plant der Mediziner einen Impfsamstag. An diesem Tag möchte der Mediziner Corona-Impfungen in Verbindung mit Grippeschutzimpfungen für über 60-Jährige und für Menschen mit Risikoerkrankungen anbieten.
Unterm Strich sind Atemwegserkrankungen, die häufigste Ursache für eine Arbeitsunfähigkeit. Das ist aber nichts Ungewöhnliches.
Christian Krupp, Arzt aus Rieden
Auch in der Praxis von Christian Krupp in Rieden werden in diesen Tagen Patienten mit Atemwegsinfekten vorstellig. „Unterm Strich sind Atemwegserkrankungen, die häufigste Ursache für eine Arbeitsunfähigkeit. Das ist aber nichts Ungewöhnliches“, erklärt der Allgemeinmediziner und gibt zu bedenken: Erkältungen seien nicht allein für die hohe Zahl der Krankmeldungen verantwortlich. Das System mit sechs Wochen Lohnfortzahlung mache es so manchem viel zu einfach.
„Tatsache ist, dass die Menschen im Gegensatz zu früher anders mit dem Thema krankschreiben umgehen.“ Früher seien sie, auch nicht zuletzt aus Angst um ihren Arbeitsplatz, mit Erkältungen zur Arbeit gegangen. „Allerdings hängt dies sicher auch mit Corona zusammen. Während der Pandemie wurden die Arbeitnehmer bei Erkältungssymptomen auch berechtigterweise nach Hause geschickt aus Angst vor Ansteckung.“ Christian Krupp, der seit 35 Jahren in Rieden praktiziert hat, folgende Beobachtung gemacht: „Es ist auffallend, dass vor allen Dingen jüngere Menschen eher bereit sind, sich arbeitsunfähig schreiben zu lassen.“
Die Anzahl der Krankschreibungen befindet sich derzeit auf einem Höchstand. Ärzte aus Rieden, Oberfell, Ettringen und Koblenz erklären im Gespräch mit unserer Zeitung woran das liegt. Auch der Frage, ob sich jüngere Menschen häufiger für arbeitsunfähig erklären lassen, gehen sie auf den Grund.Die Wartezimmer der Ärzte sind voll: Hochkonjunktur für Erkältungen
Auch Andrea Ditscheid aus Koblenz und Stephanie Landers aus Ettringen raten älteren Patienten ab dem 60. Lebensjahr und Personen mit Vorerkrankungen zu einer (Auffrisch-)Impfung gegen Corona und Grippe sowie gegebenenfalls auch gegen Pneumokokken. „Es gibt eine neue Corona-Variante“, sagt Andreas Ditscheid. „Sie heißt Flirt, klingt nach Frühlingsgefühlen“, und sei eine Untervariante der bereits bekannten OmikronVariante. Das Virus wisse sich durchzusetzen. Aber auch Flirt sei aber für die Betroffenen alles andere als schön. „Es ist vergleichbar mit einer Grippe.“
Die Koblenzer Hausärztin berichtet, dass im Juni und im Juli mehr Patienten mit Atemwegsinfekten, aber auch mit Corona in ihrer Gemeinschaftspraxis vorstellig wurden beziehungsweise sich telefonisch an sie oder ihren Kollegen wandten. Ditscheid hat die Beobachtung gemacht, dass Leute, die viele Begegnungen mit anderen Menschen haben, durch die vielen Kontakte häufig eher geschützt sind als Menschen mit weniger Kontakten die Angst haben, sich anzustecken.
Ihre Empfehlung: Nach wie vor gelte, wer sich und andere schützen will, sollte bei Bedarf eine Maske tragen. Ob Atemwegsinfekte im ersten Halbjahr 2024 die häufigste Ursache für das Fehlen am Arbeitsplatz waren, kann Dr. Stephanie Landers nicht beurteilen. „Mein Gefühl sagt mir aber, dass die Atemwegsinfekte dieses Jahr ungewöhnlich lange in den Sommer hineinreichen.“
Was der Hausärztin aus der Vordereifel auch auffällt ist, das psychische Diagnosen und Überforderungssituation immer häufiger Grund für Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sind. Elvira Bell