Was wäre, wenn der Wolf sich in Cochem-Zell ausbreitet? Franz-Josef „Josi“ Becker, Vorsitzender der Kreisgruppe des Landesjagdverbandes Rheinland-Pfalz, hat sich mit dieser Frage in einem offenen Brief an das Präsidium des Landesjagdverbandes gewendet. Darin geht es vor allem um das Unverständnis über die jagdpolitische Verbandsspitze, die in einem Mitteilungsorgan erklärt, warum keine Bejagung von Wölfen verbandsseitig gefordert wird: „Eine absolute Fehlentscheidung und ein Zeichen dafür, dass die Mitglieder des Präsidiums nicht wahrnehmen, was für eine Stimmung an der Basis des Verbands herrscht“, kritisiert Becker. Wir haben mit ihm darüber gesprochen.
Herr Becker, in Ihrem offenen Brief erwähnen Sie, dass in den Revieren eine „Totenstimmung“ herrscht, dass sich das Wild wegen des Wolfes anders verhält. Woran merkt man das?
Wenn es ein Wolfsvorkommen gibt, und selbst wenn es nur einzelne Wölfe sind, wird das Wild heimlicher. Das heißt, dass das Reh- und Schwarzwild seinen normalen Äsungs- und Austrittsrhythmus verlässt. Stattdessen kommt es oft nur noch nachts zum Vorschein, weil es weiß: Da ist ein großer Beutegreifer. Bei Muffelwild ist es noch wesentlich extremer: Das sind Herdentiere.
Wieso zeichnet es sich da extremer ab?
In Deutschland wurde schon nachgewiesen, dass ganze Herden komplett ausgerottet wurden, weil sie nur gemeinsam weglaufen – das bietet dem Wolf dann natürlich eine viel größere Angriffsfläche als ein einzelnes Reh. Wölfe gehen aber auch an Wildschweine – es existieren Videos, wie sie Wildschweine reißen. Und wenn sich das Wild eben komplett zurückzieht, stellt sich für uns Jäger schon eine ganz drängende Frage.

Welche?
Warum soll ich eine teure Pacht bezahlen, wenn ich bei mir im Revier Wölfe habe? Denn dann macht es keinen Sinn mehr, so viel Geld für etwas zu bezahlen, wo der Wolf einem praktisch Konkurrenz macht. Das ist jetzt die subjektive Betrachtungsweise eines Jägers. Jemand anderes würde an der Stelle vielleicht sogar sagen: Dann brauchen wir ja vielleicht irgendwann überhaupt keine Jäger mehr, wenn der Wolf dieses Thema erledigt. Und dann muss man mal wieder objektiv fragen: Was sagen denn dann Gemeinden oder Kreise, die ja von der Jagdpacht beziehungsweise von der Jagdsteuer doch einen großen Batzen einnehmen? Des Pudels Kern sehe ich aber ganz woanders, nämlich in den Weidetieren.
Wieso ist die Weidetierhaltung für Sie das Hauptargument gegen den Wolf?
Rehe, Rotwild und Schwarzwild zu jagen, stellt für den Wolf einen ziemlich großen Aufwand dar. Viel einfacher ist es, sich einfach an den Weidetieren zu bedienen. Wenn es für den Wolf genügend „Fressstände“ gibt, wie es für uns Menschen Imbissbuden gibt, warum sollte er dann anfangen, den Wildtieren mühsam hinterherzuhetzen? Da bedient sich das Raubtier lieber da, wo es viel einfacher ist, wo es einfach nur einen Zaun überwinden muss. Auflagen, wie dass die Weidetierhalter dann jetzt eine weitere Barriere um ihren Zaun bauen sollen, sind lächerlich. Solche Vorstellungen sind weltfremd. Das ist ein so hoher Aufwand dafür, dass der Wolf den Zaun einfach überspringen würde.

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Was stört Sie so am Umgang mit den Weidetierhaltern, wenn es um das Thema Wolf geht?
Diese Weidetierhalter sind zum Teil Hobbytierhalter, die wirklich etwas zum Erhalt der Umwelt tun. Und in dem Fall wird deren Arbeit durch den Wolf grundsätzlich torpediert. Da wundert es mich auch nicht, dass die Leute sagen, dass sie keine Lust haben, morgens zu ihren Schafen oder Ziegen zu kommen und sie tot auf der Wiese zu finden. Und das ist mein Hauptargument für die Kontrolle oder Bejagung von Wölfen: Wir als Jäger werden den Weidetierhaltern zur Seite stehen und sie unterstützen. Den Wolf möchten wir in erster Linie nicht, weil er eine Gefahr für sie darstellt. Und wir wollen nicht, dass es wird wie in Niedersachsen.
Was ist denn das Problem in Niedersachsen?
In Niedersachsen liegt das Kind im Brunnen: Dort ist die Wolfspopulation zehnmal so groß wie im Flächenland Schweden. In Schweden gibt es eine ganz klare Vorgabe für die Entnahme von Wölfen. Die werden dort behandelt wie anderes Wild auch. Und hier in Deutschland liegen wir schon weit über dem günstigsten Erhaltungszustand, natürlich noch nicht in Rheinland-Pfalz, aber hier muss es doch nicht so weit kommen.
Und wie sieht es in Cochem-Zell aus?
Wir haben hier noch kein so breit aufgestelltes Wolfsvorkommen, aber es werden immer mal wieder Einzelindividuen gesichtet. In Masburg gab es einen bestätigten Riss. Allerdings sehe ich auch aus Sicht des Fremdenverkehrs ein Problem.
„Ich lasse die nicht mehr frei laufen – und ich kann auch jeden Jäger verstehen, der sagt: Ich setz meinen Hund auf der Jagd nicht mehr ein.“
Franz-Josef „Josi“ Becker über seine beiden Dackel
Was hat der Tourismus mit dem Wolfsvorkommen zu tun?
Wir sind ein touristisch erschlossener Landkreis. Wir leben vom Fremdenverkehr, sind ein Ferienland. Die Leute wollen nicht nur Wein trinken, sondern auch wandern. Wenn der eigene Hund sich bei so einer Wanderung selbstständig macht, will natürlich niemand, dass der Hund nicht mehr wiederkommt. Wenn sich der Wolf hier ausbreiten würde, könnte das aber passieren – Hunde sind nun mal die ersten Kontrahenten vom Wolf. Heute sind Haustiere Familienmitglieder. Ich glaube, dass es auch manchen Weidetierhaltern mit ihren Schafen so ergeht. Ich selbst habe mich mit meinen beiden Hunden auch schon umgestellt. Ich lasse die nicht mehr frei laufen – und ich kann auch jeden Jäger verstehen, der sagt: Ich setz meinen Hund auf der Jagd nicht mehr ein.
Was sind denn die Forderungen, die Sie stellen?
Eine ordnungsgemäße Regulierung, eine Identifikation nach Rissbild statt nach DNA, denn auch das ist eindeutig und geht schneller. Der Wolf sollte so behandelt werden wie andere Wildtiere auch. Heißt also, er sollte keinem besonderen Schutz unterliegen, sondern wieder ins Jagdrecht aufgenommen werden.
Gibt es andere Länder, die es besser machen?
In Schweden oder Frankreich werden Wölfe nach ganz anderen Kriterien entnommen, wenn zu viele da sind. Obwohl Schweden ein viel größeres Flächenland ist als Deutschland, ziehen die dort eine deutlich niedrigere Obergrenze für den Wolfsbestand. 170 Tiere reichen dort nach Ansicht der Behörden für den guten Erhaltungszustand aus, mit rund 300 Wölfen ist ein günstiger Erhaltungszustand dort überschritten. Und in Deutschland haben wir weit mehr als 1000. Hier in Rheinland-Pfalz stehen wir noch am Anfang, und wir haben jetzt noch die Möglichkeit einzuwirken – nicht so wie in Niedersachsen, wo man es nicht mehr in den Griff bekommt. Noch ist in Rheinland-Pfalz kein günstigster Erhaltungszustand erreicht. Aber wenn der erreicht ist, dann muss man sich fragen, ob in diesem „Ferienland“ diese Population dann schon zu 200 oder doch 300 Prozent überschritten ist.

Wolf bald im Jagdrecht – doch die Debatten gehen weiter
Grünen-Umweltministerin Katrin Eder beugt sich dem politischen Druck und will den Wolf ins Jagdrecht aufnehmen. Doch was bedeutet das überhaupt? Und was ändert sich konkret? Reaktionen und Einordnungen.
Was sagen Sie dazu, dass Ministerin Eder nun doch den Wolf ins Jagdrecht aufnehmen will?
Dass der Wolf nun doch ins Jagdrecht aufgenommen werden soll, hat im Bezug auf den Schutz der Weidetiere zunächst einmal keine Bedeutung, weil er dann einer ganzjährigen Schonzeit unterliegt. Natürlich hat die Ministerin erkannt, dass der Druck auf dem „Wolf-Kessel“, nicht zuletzt auch aus dem Kreis Cochem-Zell, immer größer wird und hat reagiert. Ich verstehe nicht, dass man in Zeiten, wo im Land überall das Geld fehlt wie im Sozial- und Gesundheitsbereich – aktuell zu sehen bei der Krankenhausschließung in Zell –, aber auch bei maroden Straßen oder in der Bildungspolitik, seit Jahren in ein rein ideologisches „Wolfs-Wiedereinbürgerungs-Projekt“ etliche Millionen an Steuergeldern steckt, obwohl sehr viele Bürger den Wolf – zumindest nicht in ihrem direkten Umfeld – gar nicht wollen.