Pestel-Institut legt Wohnungsmarktanalyse vor - Warum Bedarf trotz vieler Leerstände hoch ist
Cochem-Zell soll 200 Wohnungen pro Jahr bauen: Warum Bedarf trotz vieler Leerstände so hoch ist
Wo wohnen? Der Kreis Cochem-Zell braucht dringend neue Wohnungen. Nur: Der Neubau müsse einfacher und damit günstiger werden, raten Experten. Foto: Florian Göricke
Florian Göricke

Es muss gebaut werden: Bis 2028 braucht der Landkreis Cochem-Zell den Neubau von rund 200 Wohnungen – und zwar pro Jahr. Diese Wohnungsbauprognose für die kommenden vier Jahre hat das Pestel-Institut in einer aktuellen Regionalanalyse zum Wohnungsmarkt ermittelt.

Matthias Günther, Leiter des Pestel-Instituts, führt in einer Pressemitteilung des Instituts aus: „Der Neubau ist notwendig, um das bestehende Defizit – immerhin fehlen im Landkreis Cochem-Zell aktuell rund 390 Wohnungen – abzubauen: Aber auch, um abgewohnte Wohnungen in alten Häusern nach und nach zu ersetzen. Hier geht es insbesondere um Nachkriegsbauten, bei denen sich eine Sanierung nicht mehr lohnt.“

An dem Wohnungsbedarf im Kreis Cochem-Zell ändere auch die Zahl leer stehender Wohnungen nichts: Der aktuelle Zensus registriert für den Landkreis Cochem-Zell immerhin rund 2110 Wohnungen, die nicht genutzt werden, so das Pestel-Institut. Das seien 6,4 Prozent vom gesamten Wohnungsbestand im Landkreis. Ein Großteil davon – nämlich rund 1480 Wohnungen – stehe jedoch schon seit einem Jahr oder länger leer. „Das sind immerhin rund 70 Prozent vom Leerstand. Dabei geht es allerdings oft um Wohnungen, die auch keiner mehr bewohnen kann. Sie müssten vorher komplett – also aufwendig und damit teuer – saniert werden“, sagt Matthias Günther.

Grundsätzlich sei ein gewisser Wohnungsleerstand aber immer auch notwendig. „Rund 3 Prozent aller Wohnungen, in die sofort jemand einziehen kann, sollten frei sein. Schon allein, um einen Puffer zu haben, damit Umzüge reibungslos laufen können. Und natürlich, um Sanierungen überhaupt machen zu können. Aber es wird nur selten gelingen, Wohnungen, die lange leer stehen, wieder zu aktivieren und an den Markt zu bringen“, so das Fazit von Matthias Günther.

In Bezug auf Sanierung halten sich viele Hauseigentümer zurück

Denn viele Hauseigentümer halten sich nach Beobachtungen des Pestel-Instituts mit einer Sanierung zurück: „In ihren Augen ist eine Sanierung oft auch ein Wagnis. Sie sind verunsichert. Sie wissen nicht, welche Vorschriften – zum Beispiel bei Klimaschutzauflagen – wann kommen. Es fehlt einfach die politische Verlässlichkeit. Ein Hin und Her wie beim Heizungsgesetz darf es nicht mehr geben“, kritisiert der Leiter des Pestel-Instituts. Außerdem hapere es bei vielen auch am nötigen Geld für eine Sanierung.

Das Pestel-Institut hat die Regionalanalyse zum Wohnungsmarkt im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) durchgeführt. Für dessen Präsidentin macht die Untersuchung eines deutlich: „Es ist eine Milchmädchenrechnung, die leer stehenden Wohnungen gegen den aktuellen Bedarf an Wohnungen gegenzurechnen. Das funktioniert so nicht. Politiker, die das gerade versuchen, betreiben Augenwischerei“, sagt Katharina Metzger. Sie erteilt damit der Aufforderung von Klara Geywitz (SPD) eine klare Absage. Die Bundesbauministerin hatte zuletzt den Menschen, die eine Wohnung suchen, geraten, aufs Land zu ziehen.

Für die Verbandschefin vom Baustofffachhandel steht fest: „Der Wohnungsbau ist auch im Kreis Cochem-Zell das Bohren dicker Bretter.“ Um voranzukommen, fordert Metzger, die Baustandards zu senken: „Einfacher bauen – und damit günstiger bauen. Das geht, ohne dass der Wohnkomfort darunter leidet. Andernfalls baut bald keiner mehr.“ Es müsse ein „starkes Abspecken“ bei Normen und Auflagen geben – im Bund, bei den Ländern und Kommunen. Katharina Metzger warnt: „Am Ende stoppen überzogene Förderkriterien, Normen und Auflagen den Neubau von Wohnungen – von hochgeschraubten Klimaschutzmaßnahmen, ohne die es keine Förderung gibt, bis zu Stellplätzen, ohne die erst gar nicht gebaut werden darf.“

„Nicht erst ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl wach werden“

Scharfe Kritik richtet Metzger an den Bund: „Es passiert zu wenig. Und was jetzt passiert, kommt zu spät. Wer 400.000 Neubauwohnungen – darunter 100.000 neu gebaute Sozialwohnungen – im Wahlkampf verspricht und im Koalitionsvertrag festschreibt, der darf nicht erst ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl wach werden.“ Ohne eine deutlich stärkere staatliche Unterstützung würden weder der notwendige Neubau noch die Sanierungen von Wohnungen im erforderlichen Umfang gelingen.

Außerdem kritisiert Metzger gemeinsam mit den Wissenschaftlern des Pestel-Instituts den geplanten Bundeshaushalt für 2025: Darin fehlten dringend notwendige Fördermittel für den Wohnungsneubau – allen voran für den sozialen Wohnungsbau. Der benötigt nach Berechnungen des Pestel-Instituts mindestens 12 Milliarden Euro pro Jahr von Bund und Ländern. Der Bund stelle für 2025 jedoch lediglich 3,5 Milliarden Euro bereit.

Auch die Perspektive sei schlecht: Bis 2028 wolle die Bundesregierung Sozialwohnungen mit weniger als 22 Milliarden fördern. „Das reicht hinten und vorne nicht. Und es ist ein willkürlich gegriffener Zeitraum, um eine vermeintlich hohe Milliardensumme in den Raum zu stellen. Doch die Wahrheit dahinter ist: Der soziale Wohnungsbau wird bei dieser Bundesregierung auch weiter auf der Strecke bleiben. Das müssen die Menschen den heimischen Bundestagsabgeordneten im Landkreis Cochem-Zell jetzt klarmachen. Nur wenn es massiven Druck gibt, werden diese und die kommende Bundesregierung begreifen, wie ernst die Lage ist“, sagt Katharina Metzger. red

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