Warum es für Katharina Dornhof unmöglich ist mit dem Wittlich-Shuttle zu ihrem Mann ins Seniorenzentrum zu fahren
Bus bringt Seniorin nicht ins Altersheim: Warum es für Katharine Dornhof unmöglich ist, ihren Mann zu besuchen
Katharina Dornhof wartet auf das Wittlich-Shuttle. Sie will ihren Mann im nahe gelegenen Altenzentrum besuchen. Allerdings kann sie nicht in den Rufbus einsteigen.
Samuel Cartelli

Fünf Autominuten trennen die Wittlicherin Katharina Dornhof von ihrem Mann im Altenzentrum. Selbst besuchen kann sie ihn trotzdem nie. Das eigentlich barrierefreie Shuttle sollte die Dame mit Rollator transportieren – doch sie kann nicht einsteigen.

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Ihren Mann besuchen ist alles, was Katharina Dornhof will. Beide kennen sich seit der vierten Klasse, sind seit 67 Jahren verheiratet. Seit einiger Zeit ist aber nichts mehr so, wie es früher war. Alleine irgendwohin fahren oder gehen kann Katharina Dornhof nicht mehr. Daran hat sie sich gewöhnt, vor zehn Jahren war ihre Operation gegen die Arthrose im linken Knie, die Schmerzen wurden weniger. Aber das rechte Knie, das will sie nicht mehr operieren lassen, sie sei zu alt, sagt sie. Also musste der Rollator her.

Ehemann lebt im Altersheim

Ihr Partner, ihre mentale Stütze, ist seit einem guten Jahr nicht mehr regelmäßig bei ihr, lebt mittlerweile im Altenzentrum St. Wendelinus. Gerade einmal fünf Autominuten entfernt. Bei solchen Fällen sollte doch das Wittlich-Shuttle helfen, damit sich das Ehepaar Dornhof wieder häufiger sehen kann.

Das funktioniert auch für viele Bürger, aber nicht für sie. Der Reporter wartet an diesem Freitag zusammen mit Katharina Dornhof und ihrem Enkel auf den Rufbus. Er hat ein paar Minuten Verspätung, kein Problem. Dornhof setzt sich auf ihren Rollator, die Beine fast ausgestreckt. Tut das weh? „Nein, das geht“, sagt sie. So könnte sie auch im Shuttle sitzen, Beinfreiheit sei genug da. Stichwort: könnte.

Wittlich-Shuttle für Katharina Dornhof keine Hilfe

Denn mit dem Bus kommt auch die traurige Gewissheit: Es wird nicht klappen. Schon wieder. Die 85-Jährige würde ja gerne über die Treppe einsteigen, wie auch andere Fahrgäste mit Rollator das tun. Geht aber nicht. Ihr rechtes Knie kann sie kaum beugen, es ist merklich dicker als das andere. Treppensteigen, das sei unmöglich.

Dann gibt es hinten im Bus noch die Rampe, mit der Fahrgäste, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, an Bord kommen. Das würde gehen, sagt Dornhof, dort komme sie hoch. Doch da macht die Fahrerin des Shuttles einen Strich durch die Rechnung. Das ist nicht ihre Schuld, Sicherheit geht vor. Denn einen Durchgang nach vorne gibt es nicht, ein Sitz versperrt den Weg. Und selbst wenn, die Rampe sei nur für Rollstühle ausgelegt. Hinten gibt es keine Sitze, für Menschen mit Rollator sei das zu gefährlich, sie könnten sich nicht anschnallen, sagen Stadt und Busfahrerin.

Demenz sei zu stark

Es hat schon etwas Seltsames, dass der leere Bus wieder fahren muss, ohne Katharina Dornhof, wegen dieses einen Sitzes. Die Stadt bedauert die Lage, kann diese in Zukunft aber wohl nicht ändern. „Eine Freiheit von Hemmnissen für alle Formen von Behinderungen ist realistischerweise nicht zu erreichen“, sagt Sprecher Rainer Stöckicht.

Mit dem ÖPNV könne Dornhof nicht mehr fahren, selbst, wenn eine Haltestelle in der Nähe wäre. Ihre Demenz sei dafür zu stark, das hätte ihr Arzt gesagt. Um viele Dinge kann sich die alte Dame nicht mehr selbst kümmern. Einiges übernimmt ihr Enkel Kirill Tretakov, er hat eine Vollmacht. Einen Antrag bei der Kreisverwaltung hat er gestellt, auf Transport. Den habe diese abgelehnt. Auf unsere Nachfrage äußert sich eine Sprecherin: „Über solche Anträge wird immer im Einzelfall entschieden. Dann wird auch entschieden, welche Zuschüsse Betroffene erhalten können.“ Über den konkreten Fall könne sie nichts sagen.

Enkel ist große Unterstützung

Tretakov sorgt dafür, dass sich das Ehepaar überhaupt noch sehen kann. Er, der in Bochum studiert und in Wittlich wohnt, transportiert den Ehemann aus dem Heim zu seiner Frau in die Erdgeschosswohnung in der Wittlicher Innenstadt. Wenn er denn Zeit hat. Studium und Engagement in Vereinen beanspruchen ihn. Den Transport müsste eigentlich ein Pflegedienst übernehmen, findet er. Aber ohne Zuschuss der Kreisverwaltung fehlt dafür das Geld.

So nah und doch so fern ist sich das Ehepaar Dornhof. Sie haben doch schon so viel durchgemacht, 2000 kamen sie aus Kasachstan nach Deutschland. Zuerst nach Schweth an der Oder, später nach Wittlich. Zum 60. Hochzeitstag hätten Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und die damalige Ministerpräsidentin Malu Dreyer gratuliert.

Höchste Pflegestufe nach Unfall mit Elektromobil

„Er fehlt“, sagt Katharina Dornhof über ihren Mann in gutem Deutsch, auch wenn der Akzent klar herauszuhören ist. Eigentlich müsste sie gar nichts sagen, denn ihre Lage, dass es schwierig ist in ihrer Position, erkennt jeder. Ihrem Mann in St. Wendelinus geht es nicht besser. Anfang 2023 hatte er auf seinem Elektromobil einen Unfall. Auf einem Zebrastreifen, ein Auto hatte ihn übersehen. Vorher litt er an Demenz und Parkinson, seit dem Unfall hat er die höchste Pflegestufe. Die Nähe zueinander, die würde beiden guttun.

Auch für seinen Großvater ist Kirill Tretakov zuständig. Er macht es, so gut er kann. „Als Student fällt mir das schwer“, sagt er. „Wenn ich dann einen Anruf bekomme und man mir sagt: ‚Er ist bewusstlos, er braucht Medikamente, er braucht eine Operation‘, weiß ich nicht, was ich machen soll. Damit kenne ich mich nicht so gut aus.“

Jetzt erstmal eine Pause

Also, was nun? Katharina Dornhof macht sich auf den Heimweg, ihre Wohnung ist etwa 100 Meter von der Rufbus-Haltestelle entfernt. Nach gut zehn Minuten kommt sie zu Hause an. Über eine Rampe am Hauseingang erklimmt sie mit ihrem Rollator die Stufe zu ihrer Haustür. „Jetzt muss ich erst mal auf die Couch“, sagt sie.

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