Angeklagt sind eine Ärztin (68 Jahre alt) aus Nürnberg, ein Heilerziehungspfleger (60 Jahre) aus Ortenberg (Baden), ein Rentner (77 Jahre) aus Lüchow-Rehbeck, ein Diplom-Sozialarbeiter i. R. (77 Jahre) aus München und ein Musiker (70 Jahre) aus Herford. Die zwischen 60 und 77 Jahre alten Friedensaktivist hatten am 30. April 2019 zwischen zwei Zäune, die den Atomwaffen-Standort und Bundeswehr-Flugplatz Büchel begrenzen, ein „atomwaffenfreies Picknick“ veranstaltet und Friedenslieder gesungen. Gleichzeitig hatte eine zwölfköpfige Gruppe der Aktion Büchel17 das Militärgelände zu einer friedlichen Mahnwache betreten. Die gemeinschaftliche Aktion führte zeitweise zur Unterbrechung des militärischen Flugbetriebs (die RZ berichtete).
Die zweite Gruppe wurde ebenfalls angeklagt; die Verhandlung findet am 24. Juni. Der beklagte Heilerziehungspfleger Klaus Bürkle erinnerte an die mehr als 140.000 Toten des Atombombenangriffs auf Hiroshima am 6. August 1945. Die im Rahmen der „Nuklearen Teilhabe“ in Büchel gelagerten US-Atombomben B 61 verfügten, heißt es in der Pressemitteilung weiter, jeweils über die dreizehnfache Sprengkraft der Hiroshima-Bombe. Die Bundesregierung rede zwar von Abrüstung, aber Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer habe mit der Beschaffung der neuen Militärflugzeuge, darunter für den Atombombenkrieg zertifizierte F 18, die größte Aufrüstung seit Ende des Kalten Krieges angekündigt. „Das Argument, aufzurüsten, um abzurüsten, ist so, als wolle man während der Klimaverhandlungen noch schnell ein paar Kohlemeiler bauen“, so Bürkle. Zudem steige durch die Digitalisierung und den Einsatz Künstlicher Intelligenz das Risiko eines Atomkriegs aus Versehen.
Dazu beantragte der mitangeklagte Münchener Sozialarbeiter i. R. Günter Wimmer, den Informatikprofessor Karl Hans Bläsius als Zeugen zu laden. Der Musiker Gerd Büntzly erinnerte an die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse. Er wies darauf hin, dass die Richter damals die Verantwortung des Einzelnen hervorhoben und weder das Befolgen von Befehlen noch Immunität der politischen Funktionsträger gelten ließen. „Wir führen hier einen „Nürnberger Prozess“ vor dem Ereignis. Denn nach einem Atomkrieg ist das nicht mehr möglich“, so Büntzly.
Gewaltfreie Aktionen zur Durchsetzung des Abzugs der Atomwaffen aus Deutschland finden seit 1997 in Büchel statt. Zahlreiche Aktivisten schnitten den Militärzaun auf, betraten des Militärgelände („Go-In“), hielten nicht genehmigte Versammlungen ab, riefen zu Befehlsverweigerung, Blockaden, Go-In-Aktionen und zum „Whistleblowing“ auf.
Seitdem wurden mindestens 95 Menschen wegen Straftaten im Zusammenhang mit solchen Aktionen Zivilen Ungehorsams angeklagt, einige von ihnen mehrmals (Quelle: Martin Otto, GAAA; Kampagne Wider§pruch). Darüber hinaus gab es einige Bußgeldbescheide wegen Ordnungswidrigkeiten. Dreizehnmal gingen Menschen ins Gefängnis, nachdem sie wegen Teilnahme an gewaltfreien Aktionen in Büchel verurteilt worden waren.
Derzeit dürften wegen Aktionen Zivilen Ungehorsams zur Abschaffung der Atomwaffen in Büchel 36 Strafverfahren laufen. Außerdem sind fünf Verfassungsbeschwerden anhängig, wie es in Martin Ottos Mitteilung weiter heißt.
Die nächsten Verhandlungen im Amtsgericht Cochem wegen Zivilen Ungehorsams in Büchel sind terminiert für den 8., 10., 19. und 24. Juni sowie für den 2. und 7. September 2020.