Obwohl sie seit früher Kindheit fühlt, dass die Musik ihr Leben bestimmen soll, muss Eugenia Buling viele Umwege gehen, bis sie endlich den Mut hat, diese Bestimmung zuzulassen. Die in den Kreisen Cochem-Zell und Mayen-Koblenz viel beschäftigte Chorleiterin und Klavierlehrerin aus Polch nimmt ihren 50. Geburtstag zum Anlass, für sich selbst Bilanz zu ziehen, aber auch, den Menschen Mut zu machen, ihre Träume zu verwirklichen, insbesondere dann, wenn sie an einem schwierigen Wendepunkt ihres Lebens stehen.
Eugenia Buling ist in Kasachstan geboren und aufgewachsen. Als 20-Jährige kommt sie mit ihren Eltern als Geflüchtete nach Deutschland. Im Gepäck hat sie ein gerade abgeschlossenes Musikstudium, Fachrichtung Chorleitung, Klavier und elementare Musikpädagogik. Was sie nicht hat, sind Kenntnisse der deutschen Sprache und der westlichen Musikkultur. „Die Sprachbarriere schien für mich unüberwindlich, und die Umstellung auf ein völlig anderes Leben ängstigte mich so sehr, dass ich mich von einer beruflichen Zukunft als Musiklehrerin verabschiedete“, erinnert sie sich.
Aus Kasachstan nach Deutschland
Klar ist Eugenia nur, dass sie Deutsch lernen muss. Sie besucht Intensivkurse, und obwohl sie schnell Fortschritte macht, traut sie sich immer noch nicht viel zu. Um Geld zu verdienen, arbeitet sie in Koblenz am Band einer Fabrik. Ihre Kolleginnen, meist ungelernte Frauen, die Eugenias Potenzial erkennen, ermuntern sie, eine Ausbildung zu machen. Bei der Berufsberatung rät man ihr zu einer Ausbildung als Erzieherin. „Man sagte mir, dass ich ja mit den Kindern Musik machen könnte“, berichtet Eugenia. Sie beginnt diese Ausbildung, bricht sie jedoch ab, als sie unglücklich feststellt: „Das war mir zu wenig Musik.“
1998 heiratet sie und arbeitet als Aushilfe in einem Schuhgeschäft, stellt fest, „dass mir das Spaß machte“, und beginnt eine Ausbildung im Einzelhandel. Die mündliche Prüfung besteht sie mit einer Eins, sodass sie endlich ihren Deutschkenntnissen vertraut und ein BWL-Studium beginnt. Doch die Musik vermisst sie weiterhin schmerzlich.
Vom Klavierspiel eines Schülers angelockt
Dann kurz nach der Geburt ihres zweiten Kindes erkrankt Eugenia schwer und ist am Boden zerstört. In sehr schlechter Stimmung läuft sie durch die Straßen von Polch, kommt an der damaligen Musikschule „Klimperkasten“ vorbei und wird vom Klavierspiel eines Schülers angelockt. „Ich weiß nicht, wieso, aber ich hatte auf einmal den Mut, in der Schule nach einer Arbeit als Musiklehrerin zu fragen.“ Sie gibt eine Bewerbung ab, und gleichzeitig mit einem OP-Termin erhält sie eine Einladung zum Bewerbungsgespräch.
Eugenia darf Klavierunterricht geben, und sie ist überzeugt, dass die Musik den Genesungsprozess unterstützt. Gleichzeitig findet sie zunehmend Kraft im Glauben. Sie führt viele Gespräche mit dem Pastor der russisch-orthodoxen Kirche in Bad Ems und tritt dem dortigen Kirchenchor bei.
Ihr Terminkalender füllt sich
2013 kommt sie über den Chorleiter in Kontakt mit dem Kirchenchor Düngenheim/Urmersbach, dessen Leitung sie übernimmt. „Von da an wusste ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin“, berichtet Eugenia strahlend. Es folgen Angebote von verschiedenen Chören und Singgruppen, sodass ihr Terminkalender schon bald voll ist.
Die von Eugenia Buling geleiteten Chöre haben keine Nachwuchsprobleme, weil sie die Sänger und Sängerinnen mit immer neuen Ideen und Projekten bei Laune hält. Bei den Proben verlangt sie ihnen alles ab, sie traut ihnen vieles zu, was sie immer wieder motiviert. Insbesondere die Leitung der Kinderchöre verlangen viel Vorbereitungsarbeit, Geduld und das richtige Händchen bei der Auswahl der Lieder. Das Engagement zahlt sich jedoch aus, weiß die erfolgreiche Chorleiterin: „Kinder, die bei der musikalischen Früherziehung durchhalten, behalten ihre Liebe zur Musik und zum Singen.“ Damit die Tradition des Chorgesangs erhalten bleibt, setzt sich Eugenia Buling dafür ein, dass wieder Schulchöre gebildet werden.
„Ich bin ein glücklicher Mensch“
Heute versichert Eugenia Buling: „Ich bin ein glücklicher Mensch, weil ich die Möglichkeit habe, meinen Traumberuf auszuüben. Ich möchte allen Menschen, die gerade nach Deutschland gezogen sind oder aus verschiedenen Gründen aus ihrer Heimat fliehen mussten, vermitteln, dass sie ihren eigenen Weg in der neuen Heimat finden und dieser nützlich sein sollten.“ Dass die Musikerin Eugenia Buling viel mehr als „nützlich“ ist, sondern von ihren kleinen und großen Schülerinnen und Schülern geliebt wird, zeigt ein Konzert, das der Polcher Männerchor in der Stadthalle für sie organisiert hat. Alle Chöre und Klavierschüler treten auf, singen und musizieren für ihre Lehrerin und haben teils sogar eigene Lieder für sie eingeübt.
Der Kirchenchor Düngenheim/Urmersbach mit dem Knabenchor war der erste Chor, dessen Leitung Eugenia Buling 2013 übernahm. Es folgten die Kirchenchöre in den Gemeinden Masburg und Kaifenheim, der Gesangverein Frohsinn Laubach, der Männergesangverein Ediger-Eller, der Männergesangverein Lyra Zell-Kaimt und der Polcher Männerchor.
Außerdem leitet Eugenia Buling zwei Kinderchöre aus Ochtendung, und sie unterrichtet Klavier und musikalische Früherziehung in Musikschulen. bme