Alfred Bremm forscht zurzeit für seine Doktorarbeit an der Technischen Universität Dortmund über den in Krefeld geborenen Architekten Heinz Bienefeld. Bienefeld war von 1958 bis 1963 ein Mitarbeiter in Emil Steffanns Bauatelier. Als solcher war er mit der Planung für die Conder Kirche St. Remaclus beschäftigt. Im Zuge seiner Recherchen hat Bremm „die hohe Qualität des Kirchenbauers Emil Steffann und seiner Kirchen erkannt“. Die Kirche in Cond war das letzte große Werk Steffanns und wurde am 12. Mai 1968 durch Bischof Dr. Bernard Stein geweiht. Wenig später, im Juli 1968, starb Emil Steffann an den Folgen eines Autounfalls. „Ich finde es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Leute hier einen Schatz haben, den viele gar nicht mehr wahrnehmen“, sagt Doktorand Bremm.
Also suchte sich der Diplom-Ingenieur Mitstreiter für dieses Ansinnen. „Ein wichtiger Türöffner für mich war Rudolf Laux“, sagt der gebürtige Moselaner Bremm. Laux vom Verein Dorfgemeinschaft Pumpenfest kennt sich bestens aus mit Vergangenheit und Gegenwart des Cochemer Stadtteils Cond. Doch Alfred Bremm knüpfte noch weitere wichtige Kontakte für seinen Plan, die Kirche St. Remaclus aus ihrem Dornröschenschlaf zu wecken. Über den St. Aldegunder Gerhard Schommers kam der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz (RVDL) ins Spiel. In Senheim traf Bremm Maria Anders. Die Frau des Künstlers Christoph Anders ist Emil Steffanns mittlere Tochter.
„Emil Steffann ist ein 100-prozentiger Kirchenbauer“, hält Bremm fest. „Er kommt aus der Tradition und verleugnet die Baugeschichte nicht, sondern entwickelt sie linear weiter.“ Das unterscheidet ihn von anderen Baumeistern der Nachkriegsmoderne, die bewusst mit Traditionen gebrochen haben. Schon im Jahr 1955 trug Weihbischof Dr. Bernhard Stein dem damals neu eingeführten Conder Pastor Adalbert Heil auf, sich um einen Standort für einen Neubau zu bemühen, der die baufällige und zu klein gewordene Kirche im Ortskern ersetzen sollte. Heil beauftragte Kirchenbaumeister Steffann mit dem Entwurf. „Steffann hat sich intensiv mit seiner Bauaufgabe auseinandergesetzt. Ihm ist die Theologie bei einem Kirchenbau wichtig“, erläutert Bremm. Er versucht, den Geist eines Ortes, den Genius Loci, in der Architektur abzubilden, wie es der Düsseldorfer Architekt Willi Landers in einer Retrospektive für die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen formuliert. Danach bedeutet „modern“ für Steffann: „Raum bilden aus den Bedingungen des Ortes in einer ganzheitlichen Bildung der Elemente des Bauens.“ Weiter schreibt Landers über Steffann: „Das neue an seinen Kirchen liegt in der gemeindebildenden Kraft seiner Räume.“
Für die Conder Kirche St. Remaclus wählte Steffann nicht nur das Material, heimischen Bruchstein, ganz bewusst. „Die Kirche ist total präsent in der Stadt“, hebt Alfred Bremm hervor. Es gibt Sichtachsen zur schräg gegenüberliegenden Pfarrkirche St. Martin sowie hinauf zur Cochemer Reichsburg. Wer über die L 98 von der Eifel her nach Cochem kommt, fährt gleichsam auf die Kirche zu, die leicht versetzt in Verlängerung der Skagerrakbrücke liegt.
„Es fällt auf, dass die Krypta ganz traditionell gemauert ist“, erläutert Bremm. „Normalerweise, also klassisch, liegt die Krypta unter der Apsis. Hier jedoch ist sie vorne zu finden.“ Das hat seinen Grund, denn hier nützt sie der Statik des Kirchenbauwerks, das sich an den steil emporragenden Conder Moselhang anschmiegt.
Das schlichte Äußere und die mächtige Treppenanlage bereiten den Besucher von St. Remaclus gleichsam auf das vor, was ihn im Inneren erwartet. Hinter der Sitzanordnung um den Altar herum steht ein Zweck, der auf der Webseite www.kirche-cochem.de treffend beschrieben wird. So nämlich „kann Liturgie als Begegnung von Menschen mit Gott in besonderer Weise erfahrbar werden“.
Kürzlich besuchte Alfred Bremm die Eheleute Anders in Senheims Alter Vogtei. Zusammen mit dem RVDL plant er ein kleines Programm in der Conder Kirche für den Tag des offenen Denkmals im September. Der Cochemer Pfarrer Markus Arndt habe dafür sein Einverständnis erteilt, lässt Bremm die Eheleute Anders wissen. Renommierte Referenten hätten ebenfalls schon ihr Mitwirken in Aussicht gestellt, unter ihnen der Architekturhistoriker Dr. Wolfgang Voigt, der von 1997 bis 2015 stellvertretender Direktor des Deutschen Architekturmuseums (DAM) in Frankfurt war.
Im DAM wird es in Kürze eine Ausstellung zu Steffann-Schüler Heinz Bienefeld geben. „Dort werden auch Pläne der Kirche St. Remaclus zu sehen sein“, konstatiert Bremm. Mit Blick auf den Denkmaltag am 2. Sonntag im September und das geplante Steffann-Programm in der Conder Kirche sagt Bremm: „Vielleicht stößt man damit etwas an, dass noch mehr ins Rollen bringt.“ Noch mehr Beachtung und Aufmerksamkeit verdient der architektonische Schatz am Conder Moselhang mit Sicherheit.