Nach fast 23 Jahren als VG-Bürgermeister macht Pündericher vorzeitig Platz für Nachfolger - Im RZ-Interview zieht er Bilanz und verrät Ruhestandspläne
Abschiedsinterview von Bürgermeister Simon: Wohl des Zeller Lands hatte Priorität
Zum Ende des Jahres räumt Karl Heinz Simon (SPD) seinen Schreibtisch im Rathaus der Verbandsgemeinde Zell für seinen Nachfolger Jürgen Hoffmann. Aus gesundheitlichen Gründen gibt Simon sein Amt vorzeitig auf - nach fast 23 Jahren. Mit der RZ sprach er darüber. Foto: David Ditzer
David Ditzer

Ende Dezember 2022 geht für den Pündericher Karl Heinz Simon, der am Samstag seinen 65. Geburtstag feiern wird, die Zeit als Bürgermeister der Verbandsgemeinde (VG) Zell zu Ende. Im Gespräch mit unserer Zeitung schaut der Sozialdemokrat auf diese lange Zeit zurück. Er spricht über Erfolge, Misserfolge, seine Pläne für den nahenden Ruhestand und darüber, was er seinem Amtsnachfolger Jürgen Hoffmann (Blankenrath) wünscht.

Lesezeit 7 Minuten

Zum Ende des Jahres räumt Karl Heinz Simon (SPD) seinen Schreibtisch im Rathaus der Verbandsgemeinde Zell für seinen Nachfolger Jürgen Hoffmann. Aus gesundheitlichen Gründen gibt Simon sein Amt vorzeitig auf - nach fast 23 Jahren. Mit der RZ sprach er darüber. Foto: David Ditzer
David Ditzer

Herr Simon, nach fast 23 Jahren werden Sie zum Jahresende aus Ihrem Bürgermeisteramt ausscheiden. Wehmut oder Vorfreude, was überwiegt?

Wenn ich abwäge, doch sehr deutlich die Vorfreude. Die Entscheidung vor einem Jahr, jetzt aufzuhören, war richtig. Gesundheitliche Probleme sind da, die kann ich nicht wegleugnen, die belasten auch. Von daher war es richtig, jetzt den Absprung zu finden. Man wird auch nie fertig als Bürgermeister, sonst wäre man ein schlechter Bürgermeister. Man hat immer viele Projekte am Laufen, die nicht auf einen Schlag fertig werden. Aber ich kann ganz klar sagen: Meine Frau Ilse und ich, wir freuen uns auf den 1. Januar, es war eine gute Entscheidung.

Sie sind von Anfang an offen damit umgegangen, dass Sie das Amt aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aufgeben. Fiel Ihnen das schwer?

Zells VG-Bürgermeister Karl Heinz Simon bei der Grundsteinlegung fürs neue Rathaus an der Schloßstraße. Mitte 2023 soll es fertig sein. Foto: Ditzer
David Ditzer

Dass ich gesundheitliche Probleme habe, ist vielen bekannt. Ich war im Jahr 2019 mehrfach im Krankenhaus. Das hat sich alles leider nicht mehr so gut entwickelt, wie ich mir das erhofft hatte. Das haben viele mitbekommen, insbesondere mein persönliches Umfeld und die engsten Mitarbeiter, mit welchen Problemen ich da zu kämpfen habe. Ich war immer jemand, der offen mit allem umgegangen ist, auch in der politischen Arbeit.

Von daher war es mir wichtig, meine Entscheidung im vergangenen Jahr frühzeitig zu kommunizieren, damit die Nachfolgeregelung für alle politischen Kräfte zeitlich unproblematisch ist und ein gewählter Nachfolger genug Zeit hat, sich darauf einzustellen. Die Gründe habe ich genannt, um deutlich zu machen, dass es nicht damit zusammenhängt, dass ich keine Lust mehr habe oder so etwas.

Trotzdem ist es sicher nicht leicht, das an- und auszusprechen …

Nein, aber ich habe eben gesehen, dass ich mit den Einschränkungen die eigenen Ansprüche, die ich an mein Amt stelle, so nicht mehr erfüllen kann. Viele haben mir auch gesagt, dass das richtig ist. Mein ganzer Freundeskreis hat in Anführungsstrichen gejubelt und gesagt: „Mensch, gute Entscheidung, die du da getroffen hast.“

Sie waren über Jahrzehnte in diversen Funktionen politisch aktiv. Was waren die größten Erfolge, an denen Sie mitgewirkt haben?

Zu den größten Erfolgen rechne ich, dass es gelungen ist, eine Abiturmöglichkeit in Zell zu realisieren. Das war ein gemeinsames Anliegen von Eckhard Huwer und mir, das wir gemeinsam in den Gremien umgesetzt haben. Ich kann mich noch erinnern, dass ich seinerzeit bei der ADD in Trier gefragt wurde: „Willst du in Zell einen Schulkrieg entfachen mit einer IGS?“ Nein, habe ich gesagt, ich kriege die Mehrheiten hin, und zwar umfassende Mehrheiten. Das Betreuungsangebot – Ganztagsschule, Betreuende Grundschule – zähle ich zu den Erfolgen, die Digitalisierung der Grundschulen und den Erhalt der kleinen Schulen.

Und im Tourismus?

Da haben wir uns mit Wander- und Radwegen bis hierhin schon gut aufgestellt, und es geht weiter. Wir sind die einzige Verbandsgemeinde, durch die sowohl der Mosel- als auch der Saar-Hunsrück-Steig führt. Und es war nicht einfach, den Saar-Hunsrück-Steig hier hinzuholen. Und mit der Gesellschaft Zeller Land Tourismus haben wir seinerzeit vorhandene Probleme gelöst. Dann das Krankenhaus …

Der Kampf um den Erhalt …

Ja, das wir wirklich ein Kampf. Aber das ist, auch dank vieler Mitstreiter, gelungen. In Sachen Feuerwehr sind wir weit gekommen.

Aber?

Ich stelle dennoch fest, auch mit den Auswirkungen der Flutkatastrophe an der Ahr: Viel getan, trotzdem müssen wir nicht nur weitermachen, sondern uns in dem einen oder anderen Punkt neu aufstellen. Die Warnung der Bevölkerung hat eine andere Dimension bekommen. Da müssen wir dranbleiben.

Und die Misserfolge?

Es war zum Beispiel immer mein Anliegen, im Tourismus eine noch engere Zusammenarbeit der Gemeinden hinzubekommen. Ein Gästejournal, in dem alle drin sind. Da wird vor Ort weiter großen Wert auf Eigenständigkeit gelegt. Okay, das ist dann so. Wir haben in Zell eine Mountainbikestrecke konzipiert, die nicht umgesetzt werden konnte. Dafür sind wir diesbezüglich im Hunsrück dran. Das sieht gut aus. Und eines der großen Projekte, das wir noch auf die Schiene gebracht haben, ist die Erneuerung des Erlebnisbades Zeller Land.

Wie ist hier der Stand?

Wir warten auf Antworten hinsichtlich der Förderung. Dann muss der Rat entscheiden, ob das alles geht. Wichtig war mir stets, unsere Finanzlage stabil zu halten – bei einer möglichst geringen Umlagebelastung für die Gemeinden. Da stehen wir ganz gut da.

Künftig auch dank des Solidarfonds „Erneuerbare Energien“.

Stimmt. Gerade in dem Bereich kommen Erfolg und Misserfolg zusammen. Vor acht Jahren sind wir gescheitert mit der Fortschreibung des Flächennutzungsplans Windkraft. Doch bei der Fotovoltaik ist es uns gelungen, einen Solidarpakt aller 24 Kommunen hinzubekommen. Das ist außergewöhnlich. Und wir werden bis zum Sommer, davon gehen wir aus, alle Fotovoltaikverfahren zu einem positiven Abschluss bringen. Das sind 17 Bebauungspläne, und wir reden im Moment noch über knapp 340 Hektar. In der Hauptausschusssitzung vom Mittwoch habe ich zudem noch angestoßen, dass wir erneut eine Fortschreibung des Flächennutzungsplans mit Blick auf die Windenergie auf den Weg bringen.

Trotz früheren Scheiterns?

Ja, denn vor dem Hintergrund einer sich ändernden Rechtslage, haben wir die Hoffnung, dass da in Zukunft etwas möglich sein wird. Es war mir wichtig, das in diesem Jahr noch auf den Weg zu bringen. Der VG-Rat muss dann im neuen Jahr darüber entscheiden.

Zurzeit entsteht ein nagelneues VG-Rathaus als Dienstsitz für Ihren Nachfolger Jürgen Hoffmann. Wann soll es bezugsfertig sein?

Mitte des nächsten Jahres. Der offizielle Bauzeitenplan sieht Ende Mai vor. Das glaube ich jedoch nicht, es sind noch sehr viele Dinge zu machen. Wenn es zwei, drei Monate später wird … – das muss sich zeigen.

Ein Bürgermeister muss auch Entscheidungen treffen, die nicht jedem zusagen. Was war Ihre Handlungsmaxime in derlei Situationen?

Das Allgemeinwohl im Blick zu haben. Jetzt kann man darüber diskutieren, was das Allgemeinwohl ist, aber man kann es nicht allen recht machen. Dann ist das Scheitern programmiert. Deshalb war immer meine Maxime: Was nützt der Allgemeinheit? Nicht, was nützt dem Einzelnen und geht vielleicht zulasten der Allgemeinheit. Man hört sich unterschiedliche Fachleute an, Betroffene, den Ältestenrat. Irgendwann muss man sagen, diese Richtung gehen wir. Das gibt manchmal heftige Gegenwehr – auch das habe ich erlebt.

Inwiefern?

In einem Extremfall habe ich sogar einen anonymen Brief mit Morddrohung erhalten. Das war in Zusammenhang mit Corona, als ich einen Impfaufruf veröffentlicht habe, gemeinsam mit meinen Ortsbürgermeisterkollegen. Da ging ein ganz, ganz böser Brief hier ein, anonym natürlich, mit einem angekündigten Umsturz und was danach mit mir passieren würde.

Heftig …

Ja, aber ich habe immer versucht, mich an den Interessen der Allgemeinheit zu orientieren. Damit fährt man, insbesondere auf Dauer, am besten.

Worin haben Sie, wenn nötig, einen Ausgleich zur Arbeit als Bürgermeister gefunden?

Was mir immer wichtig war: Dass ich trotz vieler, vieler Termine – Abendtermine oder am Wochenende – weiterhin die Beziehung zu meinen Freunden gepflegt habe. In dem Wissen, es gibt auch eine Zeit nach dem Bürgermeisteramt. Selbst um 23 Uhr bin ich noch zum Geburtstag von Freunden gefahren, wenn ich von irgendeiner Sitzung gekommen bin, einfach um deutlich zu machen: Ihr seid mir wichtig. Früher ging es zeitlich nicht, aber ich schaue noch vorbei.

Ein anderer Ausgleich ist das Lesen. Ich lese unheimlich gerne und viel und kann mich sehr gut entspannen beim Lesen. Wenn das Wetter passt, sind meine Frau und ich öfter unterwegs, und wenn es nur eine Stunde durch die Weinberge in Pünderich ist – einfach um den Kopf frei zu kriegen. Das muss man. Nur die letzten paar Jahre gelang es mir nicht mehr so gut.

Wie sehen Ihre Pläne für den Ruhestand aus?

Als Erstes haben meine Frau und ich drei Wochen Urlaub am Stück gebucht. Das ist eine lange Zeit, in der ich viel lesen werde, aber zuallererst werde ich versuchen, runterzukommen, mich gesundheitlichen Dingen zu widmen, die sich hoffentlich ohne Arbeitsdruck wieder verbessern. Ich will mich ehrenamtlich wieder einbringen, mich da auf Pünderich konzentrieren.

Auch kommunalpolitisch?

Nein, also das Thema Kommunalpolitik liegt mit dem 31. Dezember hinter mir. Ich werde eine Sache noch weitermachen: In Blankenrath werden wir im Frühjahr/Sommer mit der Erweiterung der Kita fertig sein, und dort bin ich Zweckverbandsvorsteher. Bis dahin mache ich das noch. Ansonsten finde ich ein Betätigungsfeld in Pünderich, bin dort in fast jedem Verein – seit ewigen Zeiten, aber den Gemeinderat Pünderich strebe ich nicht unbedingt an, obwohl ich schon gefragt worden bin …

Wie gewährleisten Sie eine geordnete Übergabe der Amtsgeschäfte an Jürgen Hoffmann?

Wir haben schon ein paar Tag hier zusammengesessen, ich bin mit ihm die wichtigsten Projekte und Entwicklungen, die am Laufen sind, durchgegangen. Er war mehrfach schon bei unseren Führungskräften im Haus, und die Tage werde ich noch ein paar Dinge mit ihm besprechen. Und ich bin ab Januar, wenn irgendetwas sein sollte, nicht aus der Welt. Da kann er jederzeit anrufen. Aber das Wichtigste ist, dass er einen engen Draht zu den Mitarbeitern hier pflegt. Ich habe alle 14 Tage Sachgebietsleiterbesprechungen gehabt. Das wird er weiterführen, sogar anfangs in einem kürzeren Rhythmus. Das halte ich für sinnvoll. Bei den Kollegen ist das große Fachwissen. Dann kann er am 3. Januar morgens hier antreten – und es geht weiter.

Was wünschen Sie ihm?

Ihm wünsche ich, dass er sich schnell reinfindet in die Tätigkeit. Es läuft gerade sehr viel, und da braucht es eine steuernde Hand, auch wenn die Mitarbeiter wissen, was sie zu tun haben. Vor allem aber wünsche ich ihm Gesundheit. Es ist ein sehr fordernder Job, der auch seine Auswirkungen hat. Und ich wünsche ihm, dass die Zeiten sich wieder bessern. Wir sind im Moment in schwierigen Zeiten: Energiesituation, finanzielle Situation, neuer Finanzausgleich.

Große Herausforderungen wie die Schwimmbaderneuerung, aber auch neue Möglichkeiten, zum Beispiel Fotovoltaik und eventuell Windenergie. Ich wünsche ihm viel Kraft, Kraft zusammenzuführen. Und dass die Zusammenarbeit im Verbandsgemeinderat so gut und harmonisch weitergeht. Ich hoffe, dass die Fraktionen ihm so offen entgegentreten wie mir, denn gemeinsam kann man viel erreichen.

Und was wünschen Sie sich für die Zukunft des Zeller Landes?

Dass die laufenden Großprojekte erfolgreich sein werden. Und dass die Gemeinden viel größere finanzielle Spielräume bekommen, denn die Hausaufgaben sind fordernd.

Das Gespräch führte David Ditzer

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