Weihnachtstheater, Adventsbräuche und viktorianischer Markt verzaubern Burgbesucher
A Christmas Carol in Cochems Reichsburg: Alles, bloß kein Humbug
Der weihnachtlich geschmückte Burghof sorgt für das perfekte Ambiente beim viktorianischen Adventszauber. Foto: Ulrike Platten-Wirtz
Ulrike Platten-Wirtz

Es ist fast dunkel im ehemaligen Schlafgemach des Louis Ravené auf der Reichsburg zu Cochem. Lediglich eine Ecke des Raums ist orangerot illuminiert. Im Himmelbett des Wiedererbauers liegt jemand, doch es ist nicht der Hausherr, sondern ein Darsteller, der Ebenezer Scrooge mimt, die Hauptfigur aus der Weihnachtsgeschichte „A Christmas Carol“ von Charles Dickens.

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Am zweiten Adventswochenende wird der Klassiker auf der Burg mehrmals als Szenentheater aufgeführt. Die herrschaftliche Anlage der Cochemer Reichsburg, Spiegelbild der Zeit ihres Wiedererbauers, bietet das perfekte Ambiente für ein Theaterstück des 19. Jahrhunderts. Schließlich hat Louis Ravené in der viktorianischen Zeit den Grundstein für das gelegt, was die Reichsburg heute ist. Kein Wunder, dass Burgherr Oliver Pinzer auf die Idee kam, das historische Gemäuer in der Vorweihnachtszeit mit dem „Viktorianischen Adventszauber“ auf eine Zeitreise zu schicken.

Neben einer speziellen Burgführung, die sich mit Adventsbräuchen verschiedener Epochen beschäftigt, und einem kleinen gemütlichen Weihnachtsmarkt steht vor allem die Weihnachtsgeschichte des Schriftstellers Charles Dickens im Mittelpunkt. Die privaten Räumlichkeiten des Wiedererbauers Louis Ravené dienen als Kulisse für die Aufführung des Stücks. In einer Art Szenentheater folgen die Besucher den Schauspielern, die sich aus Mitarbeitern der Burg sowie Darstellern des Kaisersescher Theatervereins zusammensetzen.

Es ist sehr erfreulich, dass der viktorianische Adventszauber bei den Besuchern so großen Anklang gefunden hat.

Oliver Pinzer, Geschäftsführer der Reichsburg Cochem

Zu jeder vollen Stunde begrüßen Susanne Schubert und Kirsten Roscher abwechselnd die Gäste mit der Aufforderung: „Folgen Sie den Schauspielern durch Raum und Zeit.“ Denn hier wird nicht nur die Weihnachtsbotschaft vermittelt, sondern auch das Leben der Menschen vor rund 100 Jahren.

Im Fokus der Weihnachtsgeschichte „A Christmas Carol“ steht Ebenezer Scrooge (dargestellt von Thomas Ellerich/Gerd Röser), der Weihnachten seinem Neffen Fred gegenüber (sehr überzeugend gespielt von Jakob Ellerich) als reinen „Humbug“ bezeichnet. Im Laufe des Spiels wird er jedoch von der weihnachtlichen Botschaft ergriffen und erfährt einen wundersamen Wandel vom egoistischen Geizkragen zum empathischen Menschenfreund.

Schuld an diesem Lebenswandel sind drei Geister, die dem einsamen, skrupellosen Geldgeier einen Spiegel vorhalten. Mit dem Geist der vergangenen Weihnacht (Dorothea Kirsch/Katharina Schnütgen) wird Scrooge mit Erinnerungen an seine einsame Jugend sowie dem Verlust seiner einstigen Verlobten konfrontiert. Der Geist der gegenwärtigen Weihnacht (Gerry Brauner/Gerd Ternes) zeigt ihm auf, wie glücklich und zufrieden der unterbezahlte Angestellte Bob Cratchit (Hermann-Josef Laux/ Alexander Krätzle) trotz ärmlicher Verhältnisse im Kreise seiner Familie Weihnachten feiert.

Das, was er sieht, berührt Scrooge und begeistert auch die Zuschauer. Insgesamt 18 Mal führen die Darsteller das Stück im einstündigen Rhythmus an zwei Tagen zwischen 10 und 18 Uhr auf. Zwei Besetzungen sind dafür vonnöten. „Wenn ein Darsteller denselben Text neunmal hintereinander aufsagen soll, ist das einfach zu viel verlangt“, erklärt Stephan Hilken im Vorfeld.

Auf Anregung von Burgherr Pinzer hat Hilken das Stück adaptiert, das heißt gekürzt und auf die Räumlichkeiten der Burg zugeschnitten, und zwar so, dass die Kernaussage der Geschichte trotz kompakter Fassung nicht verloren geht (die RZ berichtete). Nachdem die Besucher die Schauspieler durch Schlaf- und Wohnräume begleitet haben, geht es in die Abgründe des Burginnern. Vom Geist der zukünftigen Weihnacht, dem dritten Geist, der Scrooge in Form des Sensenmanns (Angelika Rataj/Kai Köck) heimgesucht, entdeckt dieser sein eigenes Grab, jedoch niemanden, der an seiner Beerdigung teilnimmt.

Das löst etwas in ihm aus. Er gelobt Besserung, und zwar nicht erst in ferner Zukunft, sondern sofort. Voller Tatendrang steigt er die Stufen hinauf in den Burghof, wo er auf seine Verwandten und Angestellten trifft und erweist sich ihnen gegenüber als großzügig und menschenfreundlich. Die Botschaft des Weihnachtsfestes ist angekommen. Bei Scrooge und auch bei den Gästen. Mit einem Weihnachtslied auf den Lippen verweilt man nun gerne noch an den Marktständen, an denen bei winterlichen Temperaturen vor allem Heißgetränke reißenden Absatz finden. Die Mühlensänger sorgen für die richtige Stimmung. Beim Szenentheater spielten auch: Vincent Allkämper, Lukas Fuhrmann, Andrea Hartung, Marie-Louise Otto, Hana Paredes, Ben Rings, Leon Rings, Sabrina Rataj.

Am Ende des Tages zieht Pinzer ein positives Fazit. „Ich freue mich, dass die Idee so professionell umgesetzt wurde und bei den Gästen so gut ankam.“ In diesem Sinne bleibt zu hoffen, dass es auch im kommenden Advent wieder viktorianisch auf der Reichsburg zugeht.

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