Querbauwerke und Wasservögel setzen dem Langstreckenschwimmer unter den Fischen stark zu. Daher hat die für die Gewässerbewirtschaftung zuständige Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord kürzlich mehr als 650.000 Jungtiere, sogenannte Glasaale, im Rhein ausgesetzt.
Was waren die Gründe für diesen Eingriff?
Aale gehören zu den Fischen mit dem eindrucksvollsten Wanderungsverhalten der Welt. Erwachsene Aale laichen in der Sargassosee, einem Meeresgebiet in der Nähe der Bermudas. Die Larven machen sich auf eine Wanderung um den halben Erdball, um schließlich als Glasaale die großen europäischen Flüsse zu erreichen. Dort wachsen sie zu Längen von bis zu zwei Metern heran, bevor sie sich am Ende ihres Lebens wieder auf den Weg ins Meer machen.
Doch die heimischen Flüsse bergen große Gefahren für die Tiere. Maren Paulmann, Projektassistentin am Koblenzer Mosellum, warnt: „Gerade in der Mosel haben wir mit den Moselstufen viele Querbauten, die für Fische ohne Hilfe unpassierbar sind.“ Paulmann berichtet zudem von Aalen, die in der Vergangenheit in den Turbinen der Kraftwerke regelrecht geschreddert worden seien. Um den Tieren eine gefahrlose Wanderung flussaufwärts zu ermöglichen, würden die Bauwerke so verändert, dass ein gefahrloser Aufstieg für die Flussbewohner möglich sei. Hierzu gehören modifizierte Turbinen und Aufstiegshilfen wie der Koblenzer Fischpass. Der Fischpass an der ersten Moselstufe in Koblenz besteht seit dem Jahr 2011.
Hier können Besucher die Wanderungsbewegung der Aale sogar live verfolgen – die Aufstiegshilfe ist mit transparenten Scheiben versehen. „Mehrmals im Jahr führen wir auch Fischpräsentationen durch, bei denen wir unseren Besuchern einen fachkundigen Einblick in die heimische Unterwasserwelt ermöglichen“, erzählt Paulmann.
Wie steht es tatsächlich um den Bestand des Aals im Rhein?
Gewässerexperte Andreas Frey nennt Zahlen. „Seit den 50er-Jahren hatten wir einen kontinuierlichen Rückgang der Aalbestände im Rhein um etwa 95 Prozent“, erklärt er die dramatische Entwicklung. Einst hätte der Aal gut die Hälfte der Fischmasse in Rhein und Mosel ausgemacht. Mittlerweile habe sich der Bestand aber wieder stabilisiert, auch durch Eingriffe der SGD Nord im Rahmen des Aalbewirtschaftungsplans. Mit den Tieren aus der Aktion im Februar habe man seit 2021 etwa drei Millionen Tiere in Mosel, Rhein und Saar ausgesetzt, heißt es aus der Behörde.
Frey sieht in solchen Eingriffen ein zweischneidiges Schwert. „Natürlich sind solche Aktionen für den Aalbestand bei uns äußerst begrüßenswert. Aber man darf nicht vergessen, dass die Fische vor der nordfranzösischen Küste während ihrer Wanderung gefangen werden“, so Frey. Diese Tiere fehlten nun in anderen Flusssystemen, die in die Nordsee einmündeten.
Was gefährdet die Aale an Mosel, Saar und Rhein?
Auch sei der Ort der Auswilderung von entscheidender Bedeutung. So hätten Aale in der Lahn kaum eine Überlebenschance, berichtet Frey. „In kleineren Flüssen, wie etwa der Nette, finden kein Bootsverkehr und keine Befischung statt, sodass die Tiere hier sehr gute Chancen haben“, sagt Frey.
Der Besatz mit den Glasaalen erfolgte nach Informationen der SGD Nord in Kooperation mit Berufsfischern. Dieter Stitz, Vorsitzender des Vereins der Rheinberufsfischer, sieht den Bestand der Aale im Rhein jedoch nicht nur durch den Menschen gefährdet. „Mittlerweile brüten am Rhein verstärkt Kormorane und Fischreiher, die Jagd auf Glasaale machen.“ Dennoch beobachtet auch Stitz eine Erholung der Bestände in den vergangenen Jahren.
Auch er begrüßt trotzdem die Auswilderung im Februar. Diese könne, so heißt es seitens der SGD Nord, dazu beitragen, „dass die stark gefährdeten Aale trotz der schwer passierbaren Flussabschnitte in den Flüssen der Region heimisch bleiben“.
Fischpass bietet im Besucherzentrum Mosellum ungewöhnliche Einblicke
Das Mosellum – Erlebniswelt – Fischpass Koblenz ist ein Besucherzentrum an der ersten Moselstufe in Koblenz. Auf vier Etagen gibt das Museum Einblick in die heimische Unterwasserwelt und informiert die Besucher auf anschauliche Weise zu den Themen „Fischwanderung“, „Schifffahrt“, „Stromerzeugung“ und „Gewässerökologie“ der Mosel. Gemeinsam mit dem Museum wurde im Jahr 2011 der Fischpass eingerichtet – eine Anlage, die Aalen und anderen Fischen einen gefahrlosen Aufstieg in der Mosel erlaubt.
Die zugehörige Fischzählanlage wurde von einer isländischen Firma hergestellt und ist in Größe und Ausführung bisher weltweit einzigartig. Durch Unterwasserfenster können Besucher des Mosellums das Treiben im Fischpass beobachten. Der Eintritt ist kostenfrei.
Weitere Informationen finden sich unter www.mosellum.de