Trotz ihrer Armut sind die Menschen, die Daniel Zöller aus Kausen und Andreas Sudermann aus Steinebach hier Mitte Mai getroffen haben, sauber gekleidet, ihre Zimmer sind gefegt, die wenigen Habseligkeiten aufgeräumt. „Trotz ihrer Armut haben sich die Menschen ihre Würde bewahrt.“ All diese Eindrücke fallen den beiden als erstes ein, wenn sie von ihrer Tansania-Reise erzählen. Ihr anstrengendes 120-Kilometer-Bike-Rennen, das sie beim „Muskathlon“ für das christliche Kinderhilfswerk „Compassion“ absolviert haben, ist längst in den Hintergrund gerückt.
Die beiden Westerwälder haben eine Erfahrung mitgebracht, die ein Urlauber an keinem Strand der Welt erlebt: „Einerseits haben wir die Menschen bedauert, weil sie in diesen Umständen leben müssen, aber zugleich waren wir neidisch auf ihre Lebenseinstellung: Sie machen sich kaum Gedanken über die Zukunft, und es schien, dass sie gar keine Ansprüche haben.“ Natürlich wünschen sich auch Eltern, die ihre Kinder in einem Slum großziehen müssen, dass die es mal schaffen, da heraus zu kommen, sagt Daniel. „Doch wenn man das mit den ständigen Wünschen und Ansprüchen bei uns vergleicht, kommt man sich erbärmlich vor.“
Die Kinderzentren von Compassion sind eine Chance für die Slumbewohner. Zwei von 430 (!), die es allein in Tansania gibt, haben die zwei Biker in Arusha besucht: Unterricht, Verpflegung, medizinische Versorgung, Sozialarbeiter, Erziehung werden den Kindern geboten. Das eine Heim entstand vor 15 Jahren, nachdem ein Pfarrer sich verzweifelt an Compassion gewandt hat, weil er nicht wusste, wie er 600 (!) Waisenkinder versorgen sollte; die Gemeinde konnte sich gerade mal um 26 kümmern. Es folgte der Bau eines Gebäudes mit Wellblechdach, als Schule und Kindergarten für 230 Kinder. Dass Hilfe wie diese möglich ist: Dafür sorgen unter anderem Sportevents wie der „Muskathlon“: Jeder Läufer muss 10.000 Euro mitbringen. Andi kam mit 11.650, Daniel mit 12.951 Euro. Dabei wurden acht Patenschaften für tansanianische Kinder, für die sie Bekannte gewinnen konnten, mit je 1000 Euro angerechnet: Das heißt 30 Euro im Monat, bis ein Schüler erwachsen ist, die ihm Essen, Schule, medizinische Betreuung ermöglichen. 57 Teilnehmer aus Europa waren mit Daniel und Andreas am Kilimandscharo, insgesamt brachten sie 294 Patenschaften mit und hatten 282.000 Euro Spenden gesammelt.
Die Menschen hier haben das Duo viel mehr beeindruckt als das Sportevent – auch, wenn sie sich mächtig abgestrampelt haben. Am Donnerstag, 17. Mai, 7 Uhr starteten die Teilnehmer zu Halbmarathon (21,5 km), Marathon (42 km) und Ultramarathon (63 km) bzw. zu 128 Kilometer auf dem Rad. Die Biker hatten vier Runden zu bewältigen, mitten drin eine Steigung von 300 Metern. „Beim dritten Mal dachte ich, es geht nicht mehr“, sagt Daniel, „aber ich hab's hinbekommen.“ Sie hatten schließlich monatelang trainiert. Dabei fuhr Andreas täglich um 5.30 Uhr die zehn Kilometer von Steinebach nach Weitefeld zur Arbeit, bei jedem Wetter, auch im Winter. Und das hat ihm gut getan: „Das will ich beibehalten.“
Die Route am Kilimandscharo war dennoch hart. Schlaglöcher, 40 Zentimeter tiefe und zehn Meter lange Pfützen, 30 Grad Hitze, durchschnittlich 18 km/h – und freundliche Menschen am Wegesrand, die alle Radler anfeuern, ihnen zuwinken, Kinder, die kilometerweit mitrennen. 40 Polizisten sicherten die Strecke, 16 Sanitäter, drei Ärzte. „Die erste Runde war anstrengend, die zweite hat Spaß gemacht, bei der dritten war man müde, die vierte war eine Qual.“ Im Ziel, das ein 57-jähriger Schweizer zuerst erreichte, dröhnten eine Blaskapelle und Jubel. Die zwei Familienväter aus dem AK-Land brauchten gute 6,5 Stunden.
Das Hotel, das Compassion besorgt hat, entsprach europäischen Standards. Bezahlt haben Daniel und Andreas alles selber, inklusive Flügen, Fahrradtransport, Impfungen, etwa 3000 Euro pro Nase. Die zwei waren sieben Tage südlich des Äquators, einer davon war ein „Kids Fun Day“, wo sie mittanzten, -sangen, bei Wettspielen mitmachten. Auch besuchten sie ihr jeweiliges Patenkind, erlebten Dankbarkeit, Herzlichkeit, gute Laune, Neugierde, Freude. Nur ein einziger Tag war „Urlaub“: Am Tag vorm Wettkampf machten sie eine Safari im Arusha-Nationalpark. Haupteinnahmequelle Tansanias ist der Tourismus, und Andreas sagt: „Zu recht! Die zehn Stunden Flug lohnen sich!“
Anfangs, sagen sie, hätten sie sich fast nur auf das Rennen fokussiert: „Später, nach all den Begegnungen,“ sagt Andi, „spielte das kaum noch eine Rolle. Alles relativiert sich – auch die Anstrengung des Wettkampfs. Was Sozialarbeiter und Helfer vor Ort leisten, das ist anstrengend. Und wenn man dann sieht, wie barfüßige Kinder einen Läufer an die Hand nehmen und ihn viele Kilometer begleiten, dann rückt der sportliche Ehrgeiz ganz weit in den Hintergrund...“
Andreas und Daniel haben den Slogan von Compassion, sagen sie, in Tansania erst richtig verstanden: „'Du veränderst die Welt eines Kindes und beginnst, die Welt zu verändern.' Uns ist da erst klar geworden, wie viel man mit einer Patenschaft von 30 Euro im Monat für ein Kind tun kann.“
Für beide sei es gewiss nicht der letzte Muskathlon, an dem sie teilnehmen, sagen sie: „Weil die Eindrücke so überwältigend waren.“ Allerdings nur, wenn sie wieder die 3000 Euro Reisekosten plus die Spendensumme am Start haben. „Noch lieber würden wir das Staffelholz an andere Leute weitergeben, die vielleicht einfach Lust haben, das alles auch mal zu erleben.“
Mehr Informationen im Internet: www.compassion.de oder im persönliches Gespräch mit Andreas Sudermann (0160/10 96.440) oder Daniel Zöller 0160/98.932.295.