Raubtier im Westerwald
Wolf zwischen Artenschutz und Interessen der Tierhalter
Die Rückkehr des Wolfes in den Westerwald scheidet die Geister.
Christian Charisius. dpa

Wenig bewegt die Bürger im Westerwald derzeit so sehr wie die Frage, wie sich das Miteinander von Mensch und Wolf in der relativ dicht besiedelten Region am besten bewerkstelligen lässt.

Die Rückkehr des Wolfes auch in den Westerwald führt weiterhin zu heißen Diskussionen, nicht zuletzt wegen bestätigter Risse von Schafen, Ziegen, Damwild und anderen Nutztieren. Im Spannungsfeld zwischen Artenschutz und Interessen der ländlichen Bevölkerung liegen die Standpunkte nicht immer einvernehmlich nah beieinander. Auf der einen Seite steht zum Beispiel die Bürgerinitiative „Wolfsprävention Westerwald“, die überwiegend Weidetierhalter vertritt und zuletzt eine Resolution für ein angepasstes Wolfsmanagement im Westerwald an Kommunal- und Landespolitiker verschickt hat. Auf der anderen Seite spricht die rheinland-pfälzische Umweltministerin Katrin Eder generell von einer „Saat des Misstrauens“ gegenüber den zuständigen Behörden des Landes und deren Entscheidungen.

Im Zentrum dieses „Misstrauens“ sieht die Ministerin das Senckenberg-Institut aus Gelnhausen, welches seit 2010 als Referenzlabor für Großkarnivoren tätig ist, regelmäßig auch für das Land Rheinland-Pfalz und seine Koordinationsstelle Luchs und Wolf (Kluwo). „Das finde ich schon vermessen“, ärgerte sich Katrin Eder bei einem Pressegespräch im Mainzer Umweltministerium. Erfahrung und Qualität des Labors seien aus ihrer Sicht unbestritten. Sebastian Collet vom Senckenberg-Institut nannte die Zahl von rund 6000 untersuchten Proben pro Jahr, bei denen der Verdacht auf Wolf bestehe. Etwa die Hälfte davon seien Abstriche von gerissenen Tierkadavern (mehrere Abstriche pro Kadaver). Zudem verwies er auf die gute Vernetzung mit zahlreichen europäischen Partnern.

„Die Bürgerinitiative ’Wolfsprävention Westerwald’ ist gerne bereit, sich an einem konstruktiven Dialog zu beteiligen.“
Aus dem in der Resolution enthaltenen Appell.

Gleichwohl gehören zu den neun Maßnahmen, die in der BI-Resolution gefordert werden, auch die professionelle Rissaufnahme durch vereidigte neutrale Personen (zum Beispiel Tierärzte) und die Einrichtung zertifizierter Referenzlabore. Dies soll „zur schnellen und zuverlässigen Untersuchung von Rissvorfällen und zur Identifizierung von Schadwölfen“ führen. Unabhängig davon gilt für Kluwo-Leiter Julian Sandrini die Prämisse, dass die Kluwo-Mitarbeiter den unbedingten Vortritt bei der Rissaufnahme haben. Nur so könne garantiert werden, dass die genommenen Proben nicht kontaminiert seien. Und Sebastian Collet ergänzte, ihm sei kein Gutachten bekannt, bei dem sich ein relevanter Widerspruch ergeben hätte. Im Sinne einer weiter verbesserten Kommunikation und Transparenz soll das Kluwo schon bald eine neue Internetseite erhalten.

Wie es in der Präambel der BI-Resolution heißt, erfordere die aktuelle Situation „ein umfassendes und praxisorientiertes Wolfsmanagement, das sowohl den Artenschutz als auch die berechtigten Interessen der Bevölkerung berücksichtigt.“ Und weiter: „Die Bürgerinitiative (...), die bereits über 600 Unterstützer zählt, setzt sich aktiv für Lösungen ein, die ein friedliches Zusammenleben von Mensch und Wolf ermöglichen.“ Um die Weidetierhaltung in der Region zu sichern, fordert die BI ferner die „staatliche Finanzierung von Herdenschutzmaßnahmen zu 100 Prozent für alle auf der Weide gehaltenen Tiere, auch Pferde und Ponys.“

Aktuell gibt es im Land vier Wolfsrudel

Laut Ministerin Eder, deren Haus 2023 einen 55-seitigen „Managementplan für den Umgang mit Wölfen“ vorgelegt hat, gibt es aktuell in Rheinland-Pfalz vier Wolfsrudel mit acht erwachsenen Tieren (Leuscheider, Hachenburger, Puderbacher und Hochwald-Rudel); die Zahl der Jungtiere aus 2023 und 2024 gilt als „unbestimmt“, nicht zuletzt wegen der relativ hohen Sterblichkeit. Aktuell wurde der Rüde aus dem Hachenburger Rudel in Hessen nachgewiesen, was gegebenenfalls auf einen Wechsel der Elterntiere hindeuten könnte.

In den ersten Wochen dieses Jahres lag die Zahl der bestätigten Risse landesweit bei mindestens sechs (zwei Schafe, drei Stück Damwild, ein Kalb); im Vorjahr waren es insgesamt 29 Fälle mit 125 toten Nutztieren gewesen. Für Investitionen in den Herdenschutz zahlte das Land im vergangenen Jahr rund 465.000 Euro aus (für Weidezäune), zuzüglich etwa 37.000 Euro für den Ausgleich des wolfsabweisenden Mehraufwandes.

Die Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht, so Ministerin Eder, sei nicht zuletzt deswegen erfolgt, weil die Europäische Union den Schutzstatus des Wolfes leicht herabgestuft habe. Gegenwärtig gelte noch eine ganzjährige Schonzeit für den Wolf, für dessen Population im Südwesten noch kein guter Erhaltungszustand festgestellt werden könne. Gleichwohl liefen Gespräche mit der Jägerschaft.

Rückenwind aus dem VG-Rat

Apropos Resolution: In seiner jüngsten Sitzung hat der Wissener Verbandsgemeinderat die Resolution mehrheitlich befürwortet. Fast alle Fraktionen unterstützten die Aussagen, auch „um die Dringlichkeit zu unterstreichen“, wies es Hubert Becher (CDU) formulierte. Demgegenüber kritisierte Elisabeth Emmert (Grüne) die Resolution im Wesentlichen aus zwei Gründen: Einerseits erweckten fast alle Forderungen fälschlicherweise den Anschein, als sei das Land Rheinland-Pfalz untätig, und andererseits bestehe kein Bedarf an zusätzlichen Strukturen.

Infoabend in Puderbach

Unter der Überschrift „Der Wolf im Westerwald“ gibt es am Mittwoch, 2. April, 19 Uhr, im Dorfgemeinschaftshaus in Puderbach eine öffentliche Informationsveranstaltung. Es diskutieren auf Einladung von und mit dem Umweltministerium und des Kluwo Vertreter folgender Verbände: Landesjagdverband RLP, Bauern und Winzerverband Rheinland-Nassau, Verband der Schaf- und Ziegenzüchter und Halter RLP, BUND und Senckenberg Institut. Der Eintritt ist frei.

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