Unsere Zeitung hat nachgefragt: Hüttenschenke in Wehbach und Hotel Rückert in Nistertal geben Einsichten in die Branche
Wird Schnitzel im Restaurant bald zum Luxus? Einsichten von Gastronomen aus Westerwald rütteln auf
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Das klassische Schnitzel Wiener Art gilt als Standard auf heimischen Speisekarten. So wie für das gesamte Angebot mussten Gastronomen nach dem Auslaufen der Mehrwertsteuererhöhung auch hier die Preise erhöhen.
dpa/Annette Riedl. picture alliance/dpa

Nach dem Auslaufen der Mehrwertsteuerreduzierung auf Speisen haben gastronomische Betriebe die Preise auf der Speisekarte erhöht. Unsere Zeitung hat bei der Wehbacher Hüttenschenke und der Dehoga-Vorsitzenden im Westerwaldkreis nachgefragt, wieso ihnen keine andere Wahl blieb. Dabei wird auch klar: Die Branche kämpft an mehreren Fronten.

Ob tatsächlich massenhaft Betriebe schließen werden, wird sich noch zeigen müssen. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) hatte im vergangenen Jahr eindringlich gewarnt vor den Folgen des Auslaufens der Mehrwertsteuerreduzierung auf Speisen in der Gastronomie. Sollte die Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie wieder auf 19 Prozent steigen, müssten etwa 12.000 Betriebe schließen.

Trotz der Appelle der Dehoga und der Gaststätten und Hotels, die sie vertritt: Seit 1. Januar müssen Gastronomen wieder den vor der Pandemie gültigen Mehrwertsteuersatz zahlen. Die Wiederanpassung kommt in Zeiten, in denen sich die Gastronomiebranche gleich mehreren Problemen gegenübersieht.

„Wir geben schon unser Bestes, um Herrn Lindner zufriedenzustellen“, sagt Doro Baldus bei einem Besuch unserer Zeitung in der Hüttenschenke im Kirchener Stadtteil Wehbach. Sie ist für die Finanzen der Traditionsgaststätte verantwortlich. Im vorigen September sagte Baldus unserer Zeitung, dass die zeitliche Begrenzung der Mehrwertsteuer entschieden worden sei, als Inflation und Energiekrise in dieser Intensität noch nicht absehbar gewesen waren. Vergleichsweise gut habe die Branche da noch dagestanden. Nun sei die Situation eine andere. Und wie Gespräche mit ihr oder auch Gülcan Rückert, Geschäftsführerin des Hotels Rückert in Nistertal und Vorsitzende der Dehoga im Westerwald, zeigen: Besser ist die Lage für die Gastronomen nicht geworden.

Niedrigere Preise hätten Betrieb eingeholt

In der Hüttenschenke zahlt man nun seit 1. Januar zum Beispiel für ein Schnitzel Wiener Art 17,70 Euro, vorher etwa 15,50 Euro, im Hotel Rückert 16,90 Euro statt 13,90 Euro. Eigentlich müsste sie noch mehr für das Gericht wie auch andere auf der Speisekarte verlangen, erklärt Rückert und schickt hinterher: „Aber es sollen ja noch Leute kommen.“ Jonas Baldus, Koch und Co-Inhaber des Landgasthofs Hüttenschenke, sieht das ähnlich und berichtet, er habe sich im November in der Branche umgehört, wie sie mit dem Auslaufen der Mehrwertsteuerreduzierung umgehe. Alle hätten bezüglich eines Weitergebens an die Gäste gesagt: „Uns bleibt nichts anderes übrig.“

Niedrigere Preise hätten den Betrieb im Laufe des Jahres „eingeholt“, so der Wehbacher Gastronom. Seine Mutter, Doro Baldus, erklärt, dass die Marge, die dem Betrieb bleibe, immer geringer werde.

Sowohl die Wehbacher Hüttenschenke wie auch das Landhotel Rückert leiden nach wie vor unter den Krisenfolgen der vergangenen Jahre. Wie eine Branchenumfrage der Dehoga im April ergeben hat, machen Gastronomen neben der Anhebung der Mehrwertsteuer (67,4 Prozent) steigende Personalkosten (76,8 Prozent) noch mehr zu schaffen. Gülcan Rückert warnt eindringlich vor negativen Folgen einer Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro, wie er derzeit diskutiert wird: „Das wäre eine Katastrophe.“

Höhere Kosten bei Lebensmitteln und Getränken

Für „Leistungserbringer“ in der Belegschaft sei ein solcher Verdienst kein Problem für den Betrieb. Anders sehe es mit Mitarbeiterin aus, deren Produktivität niedriger ist. Auch Doro Baldus sähe in einer Erhöhung des Mindestlohns kein Problem, sofern er einen gewissen Mitarbeiterkreis betreffe, nämlich sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer. Aber bei Schülern und Studierenden müsse man ein anderes Maß anlegen bei der Bezahlung. Gleichzeitig stellt die erfahrene Gastronomin klar: „Ich will da nicht in das große Gejammer einsteigen.“ Immerhin: Laut Doro und Jonas Baldus tue sich die Hüttenschenke nicht schwer bei der Rekrutierung von Personal. Das liege auch an der hohen Identifikation der Mitarbeiter mit dem Betrieb.

Größere Sorgen bereiten der Hüttenschenke wie auch dem Landhotel Rückert höhere Kosten bei Lebensmitteln und Getränken. 67,4 Prozent der Befragten hatten dies ebenfalls in der Umfrage der Dehoga angegeben. Auch das wirkt sich auf die Preise auf der Speisekarte aus. Insbesondere Fleisch sei teurer geworden, berichtet Gülcan Rückert. Und laut Doro und Jonas Baldus sind die Preisschwankungen bei Lebensmitteln mittlerweile weit stärker ausgeprägt als zu Vorkrisenzeiten.

„Vielleicht haben die Leute selbst kein Geld mehr“

Damals sei es zum Beispiel noch möglich gewesen, frühzeitig stabile Kostenkalkulationen für Feiergesellschaften aufzustellen, so Jonas Baldus. Heute kalkuliere er lieber mit höheren Preisen, um nicht Gefahr zu laufen, die Kunden aufgrund unvorhergesehener Steigerungen vor den Kopf zu stoßen. Wie Gülcan Rückert vermuten auch Doro und Jonas Baldus, dass sich die wirtschaftliche Lage im Portemonnaie möglicher Gäste auswirkt. Die Umsätze seien immer noch gut, stellt Doro Baldus für ihren Betrieb fest, aber es gebe mittlerweile durchaus Tage, die ruhiger seien. Andere Restaurants machten ähnliche Erfahrungen. Zudem beobachte sie, dass es vermehrt Gäste gebe, die zum Beispiel bei den regelmäßigen Hut-Konzerten auf die Bestellung größerer Speisen verzichten. Gülcan Rückert schätzt, dass dem Hotel seit Jahresbeginn im Vergleich zum Vorjahr rund acht Prozent Gäste ausgeblieben sind. „Vielleicht haben die Leute selbst kein Geld mehr“, so ihre Vermutung.

Das Dilemma: Sie würde die Umsatzverluste gerne mit Sonderaktionen ausgleichen. Doch dafür fehle ihr das Personal. Die Familie Baldus vermisst Planungssicherheit vonseiten der Politik. So lasse die Endabrechnung der Corona-Hilfsgelder immer noch auf sich warten, genauso wie die der im Herbst 2022 installierten Photovoltaikanlage. „Wir schwimmen alle wie in einem Wackelpudding“, beschreibt Baldus ihre Lage stellvertretend für die gesamte Branche.

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