Mediziner-Mangel
Wieso Betzdorf kein eigenes MVZ gründet
Es fehlt in der Region an Medzinern, die Praxen gründen oder übernehmen wollen.
Sebastian Kahnert. picture alliance/dpa

Soll die Stadt Betzdorf selbst ein Medizinisches Versorgungszentrum betreiben? Das wollte die SPD prüfen lassen. Was spricht aus Sicht der Ratsmehrheit gegen das Unterfangen?

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Gründet die Stadt Betzdorf ein kommunales Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ)? Die SPD-Fraktion im Stadtrat hatte im Mai einen Antrag eingebracht, der die Verwaltung dazu beauftragen sollte zu beantworten, ob dies sinnvoll ist, Stichwort Bedarfsanalyse. Schon im Vorfeld hatte sich abgezeichnet, dass die Sozialdemokraten mit dem Unterfangen nicht unbedingt offene Türen einrennen. Am Ende einer kontroversen, aber sachlichen Diskussion wurde der Antrag dann auch auf der jüngsten Stadtratssitzung mit den Stimmen von CDU, FWG und FDP abgelehnt.

SPD-Fraktionssprecherin Ursula Brühl hatte in der Antragsbegründung argumentiert, dass ein kommunal betriebenes MVZ wesentlich dazu beitragen könne, die Grundversorgung zu sichern, jungen Ärzten attraktive Anstellungsverhältnisse zu bieten und Versorgungslücken zu schließen. Die medizinische Versorgung in der Stadt und Region stehe vor wachsenden Herausforderungen, so der SPD-Antragstext. Aktuell würden bereits häufig neue Patientenanfragen abgewiesen. „Wir sind der Meinung, es ist unsere Aufgabe, perspektivisch dafür Sorge zu tragen, die ärztliche Versorgung der Menschen in der Stadt zu sichern“, so Brühl, für die das medizinische Angebot auch einen wichtigen Standortfaktor darstellt: „Wenn jemand vor der Entscheidung steht, sich für einen Wohnort zu entscheiden, ist neben Arbeits- und Schulangeboten zunehmend die medizinische Versorgung von existenzieller Bedeutung.“

Best-Pratice-Beispiel in Monsheim

Ein kommunales MVZ würde zudem zu keiner Konkurrenz zu bereits niedergelassenen Ärzten darstellen – im Gegenteil: Es fehle bereits an Angeboten. Mehrmals führte Brühl in der Diskussion das Beispiel Monsheim in der Pfalz auf. Dort sei bei einem Invest von 9,9 Millionen Euro ein MVZ in kommunaler Trägerschaft gegründet worden. Dabei stehe nicht das Ziel der Gewinnmaximierung im Fokus, sondern eine schwarze Null, „die nach der Kosten-Nutzen-Rechnung realistisch ist“. Außerdem regte sie an zu prüfen, ob es eine Möglichkeit gebe, an Fördermittel aus dem Sondervermögen des Bundes zu kommen, das über das Land an die Kommunen verteilt werden sollen – unter anderem für die medizinische Versorgung.

Doch die Mehrheit im Rat wollte sich diesen Argumenten nicht anschließen. Dabei stimmten Stadtbürgermeister Johannes Behner (CDU) und die Redner von CDU, FWG sowie FDP der Diagnose Brühls zu, wonach es gelte, die medizinische Versorgung aufrechtzuerhalten. Doch letztlich führten sie fehlendes Know-how in der Verwaltung, finanzielle Risiken und Konkurrenz für Privatbetreiber dagegen an. So verfüge die Verwaltung aus Sicht der CDU-Fraktion und Behners nicht über das nötige Fachwissen, um die wirtschaftliche und medizinische Verantwortung für ein MVZ zu übernehmen.

CDU: MVZs schreiben oft rote Zahlen

Fraktionssprecher Jens Hirschberger (CDU) argumentierte außerdem, dass die Verwaltung einen Sicherstellungsauftrag nicht gewährleisten könne. Zudem würde die Stadt in Konkurrenz zu privat ansiedlungswilligen Ärzten treten. Hirschberger wies darauf hin, dass die meisten MVZs rote Zahlen schreiben und die aktuelle Haushaltssituation der Stadt eine Finanzierung nicht zulasse, da die Kosten sonst auf die Steuerzahler umgelegt werden müssten. Die Ablehnung diene auch dazu, Kapazitäten der Verwaltung für andere wichtige Aufgaben freizuhalten.

Florian Baldus sah das für die FDP ähnlich und stellte die Frage, ob ein kommunales MVZ leichter Ärzte und medizinisches Fachpersonal anziehen würde als ein privatwirtschaftlich betriebenes. Bei den meisten Versorgungszentren handle es sich um Institutionen von Krankenhäusern, die in der Regel wirtschaftlich profitierten. „Wir haben eine Ärzteförderung“, sagte der Liberale mit Verweis auf die Förderrichtlinie für die Ansiedlung von Medizinern. „Lasst uns doch lieber finanzielle Unterstützung geben, entweder für Einzelansiedlungen oder auch für ein privatwirtschaftliches MVZ.“

„So was muss wie ein Unternehmen geführt werden – und wir sind einfach keine Unternehmer.“
Stadtbürgermeister Johannes Behner (CDU)

Stadtbürgermeister Behner berichtete von einem Gespräch mit einem Arzt, der vier Praxen betreibe und ihm bestätigt habe, dass von vielen kommunalen MVZs, die er kenne, nur eines nach fünf Jahren schwarze Zahlen geschrieben habe. Behner warnte zudem vor den hohen Investitionskosten – mit Folgen für die Belastungen für die Steuerzahler, Stichwort Grundsteuererhöhungen. Grundsätzlich sah er in MVZs das Modell der Zukunft. Aber: „Wir als Kommune sind einfach nicht die richtigen Träger.“ Und: „So was muss wie ein Unternehmen geführt werden – und wir sind einfach keine Unternehmer.“

Thomas Burghaus lehnte zwar ebenfalls den Antrag für die FWG-Fraktion ab. Allerdings deutete er an, dass es lohnen könne, das Thema in Zusammenhang mit einer interkommunalen Zusammenarbeit mit der Nachbarkommune Kirchen erneut aufzugreifen. SPD-Fraktionssprecherin Brühl hatte zuvor mögliche Kooperationsmöglichkeiten mit bestehenden Einrichtungen und der Verbandsgemeinde Betzdorf, aber eben auch mit Kirchen als Perspektive aufgezeigt, die es auszuloten gelte. Kirchens Bürgermeister Andreas Hundhausen (SPD) habe bereits signalisiert, „dass er auf jeden Fall zu Gesprächen bereit ist“.

Grüner kein Freund von privatwirtschaftlichen MVZs

Zustimmung zum SPD-Antrag kam lediglich von den Grünen. Burkard Neuser räumte zwar mit Blick auf rechtliche und finanzielle Aspekte ein: „Kommunal ist schwierig.“ Dennoch soll aus seiner Sicht herausgefunden werden, ob eine MVZ-Gründung möglich sei. Klar ist: Ein Freund von privatwirtschaftlichen Versorgungszentren ist Neuser nicht. Hinter vielen Einrichtungen steckten „irgendwelche komischen Gestalten“, denen es nicht um die medizinische Versorgung gehe, sondern ums Geld.

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