Ausgeschlafen müssen die Jungs sein, wenn sie bei den Schul-Landesmeisterschaften im Schach am Samstag, 15. März, in Kaiserslautern, etwas erreichen wollen. „Verschlafen vor der Abfahrt ist nicht“, ermahnt Lehrer und Betreuer Daniel Schöning sein Team beim Training in einem Klassenraum des Freiherrn-vom-Stein-Gymnasiums Betzdorf. Jeden Freitag trifft sich dort nach Schulschluss die Schach-AG, die in Kooperation mit dem Schachverein Betzdorf-Kirchen angeboten wird. „Männer, es wird ernst“, erwartet auch Vereinsmitglied und Betreuer Bernd Amesreiter höchste Konzentration.
Allein schon die Qualifikation für die Landesmeisterschaften ist für die jungen Männer, Nico Fuchs aus Betzdorf, die Brüder Joshua und Jonah Hottgenroth aus Scheuerfeld, Hakan Tola aus Kirchen, Matvii Provatorov aus Wingendorf, Martin Hess aus Biersdorf und Maximilian Hallerbach aus Katzwinkel, ein großer Erfolg. Was ihnen der Sport bedeutet, erzählen sie beim Gespräch nebenan im Biologieraum, während Betreuer Hans-Jürgen Orthmann – der frühere Top-Leichtathlet – die übrigen Jungen und Mädchen im Schachspielen unterweist.
„Die Kinder beleben den Verein.“
Bernd Amesreiter, Betreuer und Mitglied des Schachvereins
Mit rund 30 Kindern und Jugendlichen hat die AG einen guten Zulauf, freut sich Schöning, der beim Schachverein Siegen aktiv ist. Der Schachverein Betzdorf-Kirchen möchte durch die AG auch Nachwuchs gewinnen – „die Kinder beleben den Verein“, sagt Amesreiter. Der Verein nutzt die Räume und die Schule fördere die Zusammenarbeit, habe Geld in Schachfiguren und Bretter investiert, lobt der Oberdreisbacher und bedankt sich bei der Schulleitung um Direktorin Simone Kraft.
Die Schach AG hilft auch bei der Integration. Matvii kam vor etwa drei Jahren aus der Ukraine an die Schule und besucht seit Sommer vergangenen Jahres die Schach-AG. Der 13-Jährige geht in die siebte Klasse und wohnt mit seinen Eltern und seiner Schwester in Wingendorf. Gelernt hat er das Spiel von seinem Opa in Charkiw, in einer Zeit vor dem Krieg. Für Matvii dürfte das Schachspielen eine Möglichkeit sein, mit der schwierigen Situation in seiner Heimat umzugehen.

Hakan ist erst seit Sommer 2023 in Deutschland. Der 15-Jährige lernte das Schachspiel in Konya, in der Türkei, von seinem Vater. Hakan beschreibt das Spiel als etwas Besonderes, „weil man mit dem Beginn eines Spiels in die Partie hineingezogen wird und es nur noch eine Wirklichkeit gibt. Dann kannst du nur gewinnen, verlieren oder ein Remis machen. Alles andere wird dann ausgeblendet.“
Joshua macht zwar gerade das Abitur, dennoch unterstützt er die Mannschaft. Die schriftlichen Arbeiten in Mathe, Englisch und Chemie liegen hinter ihm, erzählt der 17-Jährige. Für die mündliche Prüfung in diesem Monat muss er sich noch vorbereiten. Von einer Doppelbelastung will der Routinier der Mannschaft nichts wissen. „Es ist ein schönes Hobby, man kann es gut nebenher betreiben, als Ausgleich.“ Der Verlauf eines Schachspiels sei nie vorhersehbar und immer ein bisschen anders. Überall können Fallen und Überraschungen auf dem Brett auftreten. Man könne seine Gegner nur durch mentale Stärke überlisten, nicht durch Kraft. Außerdem verbinde Schach die Menschen aus allen Ländern, so Joshua, man verstehe sich sofort, auch ohne die Sprache des Gegenübers zu kennen.
Das Schachbrett als taktischer Schauplatz
Sein jüngerer Bruder Jonah hat das Schachspiel von Papa Jörg und Joshua gelernt. Der 13-Jährige betrachtet seinen Sport recht philosophisch: Er begebe sich während eines Schachspiels eigentlich nicht in ein Duell mit seinem Gegner, sondern betrachte das Schachbrett mit seinen Figuren als einen taktischen Schauplatz, er spiele folglich nicht gegen einen Spieler, sondern gegen die Figuren auf dem Feld, sodass König, Springer, Türme und Bauern ihr Eigenleben entfalten, so der Siebtklässler.
Für Martin ist Schach ein Spiel, das durch die Vielseitigkeit der Zugmöglichkeiten seinen Reiz entfaltet. Maximilian (13) mag es, gegen immer wieder neue Leute zu spielen und dabei Techniken und Strategien herauszufinden, so der Achtklässler. Bei einer Partie sind die jungen Schachspieler auf sich alleine gestellt – „aber als Mannschaft halten sie extrem zusammen“, hebt Schöning den Teamspirit hervor.

Nico ist mit elf Jahren der Benjamin im Team. Er hat Schach von seinem Vater Bastian gelernt. Die schnelle Blitzpartie mag er besonders gerne, weil er das Talent besitzt, die Spielsituation sehr schnell zu erfassen und blitzschnell auf Angriffe zu reagieren. Wenn nur wenige Figuren im Endspiel übrig sind, dann gelingen ihm sogar gegen routinierte Spitzenspieler Überraschungen. Der Sechstklässler mag besonders, dass man im Schachspiel gegen alle Generationen spielen und gewinnen könne.
Gewinnen und sich für die Deutschen Schul-Meisterschaften qualifizieren, das wäre natürlich ein Traum für die Mannschaft des Betzdorfer Gymnasiums. Während die Betreuer zurückhaltend sind, was die Aussichten angeht, geht der Jüngste unbekümmert an die Sache heran: „Wir sind die beste Crew ever“, sagt Nico keck. Nur ausgeschlafen, das müssen sie am Samstag sein.
