Konfliktstoff auf der Bühne
Wie eine Grillwurst Graben aufreißt
Die Situation bei der Mitgliederversammlung des Tennisvereins eskaliert.
Gaby Wertebach

Der Kulturring Herdorf hat mit dem Theaterstück „Extrawurst“ ein Thema mit sehr aktuellen Bezügen zur deutschen Realität auf die Bühne im Hüttenhaus gebracht.

Das vom Kulturring Herdorf ausgesuchtes Theaterstück „Extrawurst“ der beiden Kultautoren Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob spaltete am Dienstagabend im fast voll besetzten Hüttenhaus in Herdorf sichtlich die Gemüter. Die gesellschaftspolitische Debatte, die sich die fünf Schauspieler auf der Bühne lieferten, hatte als Hintergrund das Grillen einer harmlosen Wurst, und das auf einem neu anzuschaffenden Hightech-Grill.

Der örtliche Kleinstadt-Tennisklub Einigkeit in Lengenheide, in den kurzerhand die Zuschauer als Mitglieder mit einbezogen wurden, hat einen einzigen türkischstämmigen Mitspieler, Erol Oturan, den Tennispartner von Tennis-As Melanie Pfaff. Bei der Mitgliederversammlung wird es kompliziert, als Melanie das Thema Schweinefleisch zur Rede bringt, das gläubige Muslime bekanntermaßen nicht essen dürfen und das auch nicht gemeinsam mit der türkischen Wurst auf einem Rost liegen darf. „Der Klub ist schließlich offen für alle Kulturen“, so Melanie, die vorschlägt, deshalb einen zweiten Grill anzuschaffen.

Diskussion wird immer unsachlicher

Der mit 100 Prozent der Stimmen gewählte Vorsitzende Heribert Bräsemann hat einen Leitspruch: „Im Frieden und im Krieg behält die Einigkeit den Sieg“. Er leitet ruhig die Sitzung, tut sich aber zunehmend schwer mit diesem Tagesordnungspunkt. „Hier existiert kein Problem, also machen wir keins daraus.“ Von wegen, die Fassade der Toleranz bröckelt, Abgründe tun sich auf. Die Situation gerät zunehmend aus dem Ruder und eskaliert dermaßen, dass sich die Protagonisten teils sogar an den Hals gehen.

Nach und nach wird die Diskussion immer persönlicher, beleidigender und teils sogar rassistisch. Die Frage tut sich auf, ob die Religionszugehörigkeit auch im Sport eine Rolle spielt und ob damit wirklich die Integration gefördert, oder Erol sogar ausgegrenzt wird. Teils bejahendes Kopfnicken im Publikum, als der zweite Vorsitzende Matthias Scholz lautstark mosert:“ „Wieso darf man als Deutscher nicht mal seine Meinung sagen, ohne gleich als Nazi zu gelten? Und wieso wird auf Vegetarier dann nicht auch Rücksicht genommen?“ Erol wiederum regt sich auf über die Bemerkung der „theoretischen Muslime“ und wird verbal ebenso ausfällig wie sein deutscher Mitspieler, der Witzbold Thorsten Pfaff, der für alles einen flotten Spruch parat hat.

Das Publikum ist nicht nur Teil des Tenniskubs, sondern wird auch um seine Meinung gefragt.
Gaby Wertebach

Türkisches und deutsches Machogehabe prallt aufeinander, wobei die beiden Autoren es geschafft haben, jede Menge von Pointen einzubauen, die dem Stück die Härte nehmen und das Publikum immer wieder zum Lachen bringen. Gesellschaftliche Vorurteile und Rollenmuster werden temperamentvoll zum Thema. Atheisten, Gläubige und sogar die Sportfreunde Herdorf werden akzeptiert, die Pegida auf den Plan gerufen, welche Meinungsfreiheit fordert, um anschließend dagegen zu sein.

Präsident Heribert, von Melanie als deutscher Erdogan beschimpft, sieht die Demokratie so, dass nach der Diskussion alle eine gemeinsame Meinung haben. Die Einwandererpolitik wird thematisiert. „Die Dorftürken aus Anatolien, die hätte man in Istanbul auch nicht integrieren können“, ist von der Bühne zu hören. Auch Autokorsos in Deutschland für Erdogan werden zum Thema und immer rasanter und abwegiger wird der Schlagabtausch, der absolut nicht in einer Meinung endet. Der gesunde Menschenverstand bleibt auf der Strecke.

Publikum darf abstimmen

Letztendlich sind die Zuschauer gefordert zur Abstimmung, wobei Erols Fazit lautet: „Wir Türken bringen Unruhe in die Gesellschaft, einzig allein dadurch, weil wir da sind“. Und der Präsident erwidert: „Wenn das der neue Ton in unserem Verein sein soll, dann trete ich aus. Es geht immer nur darum, recht zu haben. Jetzt muss die Jugend ran“.

Jedenfalls bekamen nicht nur eingefleischte Traditionalisten, sondern auch die sogenannten Gutmenschen am Dienstagabend ihr Fett ab, wobei trotz allem der Spaß nicht zu kurz kam.

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