Nach Dreifachmord vom 6. April
Wie der Glaube den Menschen in Weitefeld Halt gibt
Die Bluttat von Weitefeld hat die Menschen im Ort tief verunsichert. Einen Monat nach dem mutmaßlichen Dreifachmord stehen noch Blumen und Kerzen vor dem versiegelten Haus.
Mona Wenisch. picture alliance/dpa

Die Bluttat in Weitefeld hat die Menschen im Ort tief getroffen. Wie kann mit dem Unfassbaren und der Unsicherheit umgegangen werden? Kirchenvertreter aus dem Ort geben Antworten – und Einblicke. 

Am fünften Sonntag der Passionszeit brach die Katastrophe über Weitefeld ein. Die Pastorin der Evangelisch-Methodistischen Kirche im Ort, Dagmar Köhring, findet einprägsame Worte für die Folgen, die der Dreifachmord an einer Familie für die Menschen im Ort bedeutet. Doch für das Verbrechen selbst, bei dem eine Frau, ihr Mann und der gemeinsame 16-jährige Sohn in ihrem Haus brutal getötet wurden, kann auch die Geistliche keine Erklärung finden und sagt: „Es gibt Situationen, wo alles, was wir für menschlichen Umgang halten, so infrage gestellt wird, dass einem zunächst die Worte fehlen.“ Noch immer wirkt der 6. April in der Region nach. Die bis heute andauernde Polizeipräsenz, über das Dorf kreisende Hubschrauber erinnern die Menschen immer wieder an das Unfassbare.

An dem Sonntag, als sich die Ereignisse zutrugen und, so erinnert sich Köhring, „alle völlig überrascht“ waren, öffnete sie noch am selben Tag abends ihre Kirche. Das genaue Ausmaß der Tat war zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehbar, lediglich, dass der Täter entkommen konnte. „Wir haben aber für die Opfer und deren Angehörige gebetet – und dass sich eine schnelle Lösung abzeichnet “, blickt die Pastorin zurück. In derselben Woche, als weitere Details an die Öffentlichkeit gelangten, hätten sich die vier christlichen Gemeinden im Ort abgestimmt. Mit dem Bürgermeister beriet man, wie man gemeinsam als Kirchen den Menschen helfen könne. Am Mittwoch wurde die evangelische Kirche geöffnet. Die Presse blieb gezielt außen vor. „Es war eine geschützte Atmosphäre“, so Köhring.

Dagmar Köhring ist die Methodistenpastorin für Weitefeld.
Peter Seel

Sehr viele Leute seien gekommen und hätten eine Kerze angezündet. Die Gläubigen nutzten das Angebot, auch um für die Opfer zu beten, zu denen aus Sicht von Köhring auch die Angehörigen gehören. Viele Menschen seien „völlig geschockt“ gewesen. Wenn sie für Außenstehende die Situation im Ort vor der Tat beschreibt, spricht sie von einer geordneten Welt, wo man davon ausgehen konnte, dass die Bürger alles in allem friedlich miteinander leben. „Und plötzlich fühlt man sich im eigenen Ort nicht mehr sicher, nicht mehr zu Hause.“ Auch deshalb sei es wichtig gewesen, die Kirche für die Menschen zu öffnen. „Und ja“, sagt Köhring, „das war auch bewegend.“

Auf einen Gottesdienst, der die Tat in einer Predigt aufgreift, sei verzichtet worden, „weil man in so einem Moment gar nicht weiß, was man sagen soll“. Und diese Ohnmacht, so die Pfarrerin, habe man gemeinsam ausgehalten. In der Folge verabredeten die christlichen Gemeinden, dass über etwa zwei Wochen jeden Abend eine der Kirchen im Ort geöffnet ist für die Gläubigen. Nach und nach ebbte das Bedürfnis nach Gemeinschaft und der Suche einer Form der Anteilnahme langsam ab. Köhring stellt heraus, dass die Kirchen im Ort deutlich gemacht haben, dass sie jederzeit ansprechbar seien.

„Wenn jeder andere Halt fehlt, dürfen wir darauf vertrauen, dass wir auch in der schwierigsten Situation nicht vollständig alleingelassen werden.“
Dagmar Köhring, Pfarrerin der Evangelisch-Methodistischen Gemeinde in Weitefeld über den Wert des Glaubens im Angesicht der Bluttat von Weitefeld

Doch ist es nicht naheliegend, dass die Menschen in Weitefeld angesichts der Unbegreiflichkeit dieses Verbrechens ihren Glauben infrage stellen? Köhring sind solche Fälle nicht bekannt. Gleichzeitig erinnert sie daran, dass die Tat ausgerechnet während der Passionszeit geschah, in der an das Leiden Jesu erinnert wird. „Es kommt eben Leid und Grausamkeit immer wieder in der Welt vor. Das sehen wir an dieser Stelle ja auch ganz deutlich.“ Nur weil man gläubig sei, bedeute dies nicht, dass man davon ausgehe, so ein Leid könne einen niemals treffen. „Es ist nicht so, dass der Glaube uns vor allem Unglück im Leben schützt. Aber wenn jeder andere Halt fehlt, dürfen wir darauf vertrauen, dass wir auch in der schwierigsten Situation nicht vollständig alleingelassen werden“, stellt die Pfarrerin klar.

Auch Silas Knie, der Pfarrer der freien evangelischen Gemeinde im Dorf, gibt sich im Gespräch mit unserer Zeitung realistisch und verweist gleichzeitig auf die Kraft der Hoffnung, die im Glauben liegt. In der Auferstehung Jesu liege eben auch die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod.

Top-News aus der Region