Viele Jahre stand er leer, der Morsbacher Bahnhof. Verwaist an der Hauptstraße in Morsbach gelegen, eroberte sich die Natur Stück für Stück ihr Terrain zurück. „Das war tatsächlich wie ein Dornröschenschlaf, die Fenster waren zugewachsen und die Schienen hinter dem Bahnhof auch“, sagt Nadja Schwendemann, die seit einigen Jahren das Gebäude und damit das Projekt „Kulturbahnhof“ betreut. Die in Österreich geborene Künstlerin, die es vor 30 Jahren nach Morsbach verschlug, hatte 2017 einen Künstlerverein gegründet und suchte damals nach einem passenden Domizil für die kulturell tätige Gruppe. Das historische Gebäude, erbaut im Jahre 1898 im preußisch-klassizistischen Stil, schien ideal für ihr Vorhaben zu sein. Also entwarf sie ein Konzept und richtete an Bürgermeister Jörg Bukowski mittels Antrag die Bitte, den Bahnhof der Künstlergruppe zur Verfügung zu stellen. Der Verwaltungschef zeigte sich begeistert, wollte jedoch dem Ganzen einen breiteren Rahmen verschaffen und die brachliegenden Räumlichkeiten für möglichst viele Vereine und Gruppen öffnen.
Flair erhalten
Natürlich musste dafür alles erst einmal in Schuss gebracht, sprich renoviert werden, und das funktioniert nur mit Geld. Dieses bekam Morsbach dann im Zuge der Städtebauförderung, ein Glücksfall, denn von da an wurde aus der Bahnhofsruine ein Juwel in vielfacher Hinsicht. Die Wiehler Bonfanti-Architekten leisteten ganze Arbeit, immer auch orientiert an den „Denkmalschutzvorgaben“, unter denen der Bahnhof steht. Alte Bausubstanz wurde erhalten, Neues harmonisch und modern, aber dennoch stilgerecht hinzugefügt. So ist das historische Flair auch heute noch in nahezu jedem Winkel spürbar und beinahe greifbar, so wie beispielsweise an der inneren Eingangstür, die in früheren Zeiten als Außentür gedient hat, oder im gefliesten Fußboden der ehemaligen Bahnhofshalle, in der sich heute der Thekenbereich mit angeschlossener Küche befindet.

Alles verströmt einen Hauch Nostalgie, gepaart mit modernen und oftmals künstlerischen Elementen. Reliefarbeiten und Gemälde geben dem Ganzen einen modernen, einladenden Charakter, und ein wandfüllendes historisches Foto im Cafébereich kündet von alten Bergmannszeiten. „Jugendzentrum“, „Musikschule“, „Konferenzraum“, „Mehrzweckzimmer“ und nicht zuletzt das „Trauzimmer“ erfüllen nicht nur wichtige gesellschaftliche Funktionen, sondern sie füllen das Gebäude mit neuem Leben. Kein Wunder, dass sich die architektonische Perle mehr und mehr zum Anziehungspunkt entwickelt. „Im Sommer haben wir hier viele Trauungen, es gibt Feiern und Feste“, sagt Nadja Schwendemann im Trauzimmer, das auch für kulturelle Veranstaltungen, wie beispielsweise der vom Morsbacher Bürger Michael Braun ins Leben gerufenen und sehr erfolgreichen Reihe „Wissenschaft vor Ort“ einen tollen Rahmen bietet. Auch im Außenbereich tut sich einiges: Ein Museumsbahnsteig soll entstehen, und das Gelände neben dem Bahnhof soll als Parkanlage für weitere Attraktivität im Freiluftbereich sorgen, ebenso wie eine Kunstmeile: Ideen und Kreativität rund um ein Gebäude, vor dem der letzte Zug Anfang der 90er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts abfuhr.
Draisinen sollen rollen
Dennoch sieht die Projektmanagerin das Ende der Fahnenstange nicht erreicht. So gibt es in Morsbach auch einen Draisinenverein, der die alten Schienen hinter dem Gebäude zu neuem Leben erwecken und mit hand- oder motorgetriebenen Schienenfahrzeugen Touristen auf Teilen der ehemaligen Strecke „Wiehl-Hermesdorf-Waldbröl“ die Reize des Bergischen Landes näherbringen will. „Der Verein existiert bereits seit einigen Jahren, aber die Umsetzung ist bisher aus Kostengründen gescheitert“, sagt Nadja Schwendemann. Nimmt man allerdings das zum Maßstab, was sich in und um den Morsbacher Bahnhof in den vergangenen Jahren getan hat und noch tut, hat man als neutraler Beobachter kaum einen Zweifel: Auch Draisinen werden hier irgendwann rollen.