Verantworten musste sich ein 28-Jähriger, der laut Anklageschrift während einer Verkehrskontrolle am 2. Juli 2021 in Almersbach Widerstand gegen Polizeibeamte geleistet und gezielt in Richtung Brust und Hals geschlagen haben soll. Erst durch den Einsatz eines Tasers habe das Geschehen beendet werden können.
Richter Volker Kindler verurteilte den Westerwälder letztlich jedoch lediglich wegen seiner Widerstandshandlungen zu einer Geldstrafe in Höhe von 4200 Euro – 60 Tagessätze zu je 70 Euro – sowie einem Monat Fahrverbot. Die Anklagepunkte eines tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und einer Körperverletzung hatte die Staatsanwaltschaft zuvor fallen lassen und das Verfahren diesbezüglich eingestellt, da die Verhandlung keine Beweise hierfür erbracht hatte.
In der Frage, wer für die Eskalation verantwortlich war, gingen die Schilderungen des Angeklagten, der Widerspruch gegen einen Strafbefehl eingelegt hatte, und der beteiligten Beamten, die als Zeugen aussagten, weit auseinander. Unstrittig ist: Auslöser war eine Begegnung zwischen den Streifenbeamten und dem 28-Jährigen in der Altenkirchener Bahnhofstraße. Auch dass er dort in der Nacht gegen 1 Uhr „etwas zügig“ unterwegs war, räumte der Angeklagte ein – für die Polizisten Grund, ihn zu verfolgen, zumal er zunächst noch weiter beschleunigt habe. An einer Bushaltestelle an der Koblenzer Straße in Almersbach leistete er schließlich dem Haltesignal „Stop, Polizei“ Folge.
Ab diesem Zeitpunkt gehen die Wahrnehmungen auseinander. Während der Beschuldigte das Auftreten des kontrollierenden Beamten als von Beginn an aggressiv schildert – dieser habe so fest am Türgriff gezogen, dass er glaubte, sein Auto sei beschädigt –, beschreiben der Polizist und sein Kollege das Verhalten des BMW-Fahrers als durchgehend unkooperativ. Klar ist, dass er seinen Führerschein nicht vorzeigen wollte oder – wie er aussagt – nicht konnte, weil er ihn in einem zurückgegebenen Leihwagen vergessen habe. Die Polizisten – beide berichten überstimmend, einen Führerschein gesehen zu haben – drohten daraufhin die Durchsuchung des Fahrzeugs zwecks Identitätsfeststellung an.
„Wenn Beamte mit der Taschenlampe in mein Auto leuchten und ich nicht die Scheibe heruntermache, ist das schon der Einstieg in den Untergang.“
Richter Volker Kindler
Dies empfand der Vertriebler nach eigener Aussage als Schikane – weshalb er aus dem Auto stieg und die Tür von außen verriegelte. „Einen Scheiß macht ihr“, soll er dies den Beamten zufolge kommentiert haben. Zur Eskalation trug nun unzweifelhaft bei, dass er sein Handy zückte und offenbar anschließend so wieder in der Hosentasche verstaute, dass die Kamera hervorlugte – was die Polizisten so deuteten, dass er sie ohne deren Zustimmung filmen wollte. Der 28-Jährige erklärt dagegen, er habe nur den möglicherweise beschädigten Türgriff aufnehmen wollen – eine Darstellung, die durch ein ausgewertetes Video von seinem Handy gedeckt wird.
Das Handy jedenfalls wollte er nicht herausrücken, und so mündete die Situation in Gewalt. Der Beschuldigte habe sich seinem Griff entzogen, ihn weggestoßen und sei weggelaufen, berichtet der jüngere Beamte, ein Hüne von gut zwei Metern Körpergröße. „Ich habe Todesangst bekommen“, gibt der BMW-Fahrer dagegen an und erklärt, er habe benachbarte Häuser erreichen wollen.
Feststeht, dass er nicht weit kam und von dem Jüngeren der beiden Polizisten gestoppt wurde. In dem nun folgenden Gerangel am Boden habe er gezielte Schläge und Tritte des Angeklagten gegen seinen Kollegen wahrgenommen und deshalb den Einsatz des Tasers zunächst angedroht und dann ausgeführt, berichtet der ältere Beamte. Sein Kollege schildert das Handeln des Beschuldigten dagegen als „unkoordiniertes Herumfuchteln“.
Unterm Strich war dies sowohl Richter Kindler als auch der Anklagevertreterin zu wenig, um darin einen gezielten Angriff und eine vorsätzliche Körperverletzung seitens des 28-Jährigen erkennen zu können. Den Tatbestand des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sah Kindler dagegen erfüllt, da die Anforderungen dafür sehr niedrig seien. „Wenn Beamte mit der Taschenlampe in mein Auto leuchten und ich nicht die Scheibe heruntermache, ist das schon der Einstieg in den Untergang“, stellte der Richter klar.