Wolfgang Grineisen aus Hemmelzen bittet den russischen Präsidenten um Freilassung des in Dernbach geborenen Kevin Lick
Westerwälder schreibt einen Brief an Putin: Bitte um Freilassung von Kevin Lick
Wolfgang Grineisen aus Hemmelzen hat das Schicksal des in Russland inhaftierten jungen Westerwälders Kevin Lick sehr bewegt. Der 85-Jährige hat in einem Brief an den russischen Präsidenten Wladimir Putin um die Freilassung des 18-Jährigen gebeten.
Markus Kratzer

Als Wolfgang Grineisen am 4. Mai in unserer Zeitung über das Schicksal von Kevin Lick liest, ist er sehr berührt. Dem 85-Jährigen aus Hemmelzen geht die Geschichte des jungen Deutsch-Russen, der im Westerwald groß geworden und nun in Tljustenchabl, unweit der Krim, inhaftiert ist, sehr nahe. So nahe, dass er sich zu einem ungewöhnlichen Schritt entschlossen hat.

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Er hat Russlands Präsident Wladimir Putin einen Brief geschrieben, in dem er um die Freilassung des 18-Jährigen bittet. „Ich bitte Sie herzlichst: geben Sie der Mutter ihren Sohn!“ Das ist der Kernsatz des Schreibens, das der pensionierte Heilpädagoge und evangelischer Diakon am 27. Mai an den russischen Botschafter in Berlin, Sergej Netschajew, zur Weiterleitung an das russische Staatsoberhaupt abgeschickt hat.

Ein Lottospieler will auch nicht nur 20 Euro gewinnen.“

Wolfgang Grineisen weiß um die geringe Chance, dass sein Brief an Wladimir Putin etwas bewirken kann. Er versucht es dennoch.

„Ich weiß selbst, dass die Chance, mit diesem Brief etwas zu bewirken, vielleicht bei 1:1 Million liegt. Aber ein Lottospieler will auch nicht nur 20 Euro gewinnen“, zieht Grineisen im Gespräch mit unserer Zeitung den Vergleich zur Glücksspielwelt. Er bleibt Realist, gibt aber den Traum nicht auf, dass das Glück ihm vielleicht doch hold sein könnte. „Ich verspreche mir nichts davon. Aber wer gar nichts tut, kann auch nichts erreichen“, schildert er seine Motivation. Die Sorge von Kevins Mutter Viktoria um ihren Sohn, die sie im Interview mit unserer Zeitung zum Ausdruck gebracht hat, war die Haupttriebfeder für sein unkonventionelles Tun.

Blick zurück: Kevin wurde 2005 in Dernbach bei Montabaur geboren. Seine russische Mutter und sein deutschrussischer Vater trennen sich noch vor seinem ersten Geburtstag. Der Junge wird von seiner Mutter großgezogen, geht in Montabaur zur Schule. Doch 2017 ist das Heimweh der Mutter so groß, dass sie mit ihrem Sohn nach Russland zurückkehrt. Als sie im März 2023 versucht, ihren Sohn „aus dem Krieg rauszuholen“ und nach Deutschland auszureisen, schlägt der russische Inlandsgeheimdienst FSB zu.

Vorwurf: Landesverrat

Der damals 17-jährige Kevin wird festgenommen und des Landesverrats an Russland angeklagt. Konkret wird ihm vorgeworfen, Waffen und militärische Ausrüstung fotografiert und versucht zu haben, diese Informationen nach Deutschland zu „exportieren“. Vier Jahre Strafkolonie lautet das vor zwei Monaten ergangene Urteil. Seit nunmehr 15 Monaten sitzt Kevin Lick im Gefängnis, muss täglich damit rechnen, in ein Straflager abtransportiert zu werden. „Mein Sohn hat nicht für die Geheimdienste gearbeitet. Bitte retten Sie das Leben meines Sohnes“, fleht Viktoria Lick in dem Interview, das Wolfgang Grineisen zu dem Schreiben an Wladimir Putin veranlasst hat.

„Ich bin 85 Jahre alt und mit meinen bescheidenen Kräften seit vielen Jahren bemüht, zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen und zu festigen“, schreibt der Pensionär an den Präsidenten. In dem Brief berichtet er davon, dass er von 1976 bis 2015 gemeinsam mit seiner Frau in Hemmelzen eine Begegnungsstätte für Jung und Alt unterhalten habe, in der man in den Jahren 1983 und 1987 auch jeweils eine Klasse der Schule der Botschaft der damaligen Sowjetunion in Bonn empfangen habe.

„Stets kreisen meine Gedanken um das Thema: Warum müssen sich Menschen mit Waffen bekämpfen? Geht es nicht auch anders? Wie können wir friedlicher als bisher miteinander leben?“ Fragen, die Wolfgang Grineisen merklich beschäftigen und die der 85-Jährige deshalb auch zu Papier gebracht hat.

Es ist nicht das erste Mal, dass der Wahl-Westerwälder aus Nordrhein-Westfalen den Kontakt zum russischen Präsidenten gesucht hat. 2017 hat er eine handgefertigte Holztafel mit Lederbuchstaben über die russische Botschaft in Richtung Moskau avisiert. Darauf war in kyrillischer Schrift ein Zitat der Schriftstellerin und Philosophin Ricarda Huch zu lesen: „Wenn wir wüssten, wie kurz das Leben ist, wir würden uns gegenseitig mehr Freude machen“, heißt es im Original.

Im Kreml angekommen

Gleichlautende Handarbeiten in Deutsch für die damalige Kanzlerin Angela Merkel und in Englisch für den Ex-US-Präsidenten Donald Trump entstanden zu dieser Zeit. Grineisen weiß zumindest, dass das Geschenk für Putin damals im Kreml angekommen ist, Merkel hat sich mit einem Brief mit gedruckter Unterschrift bedankt, aus der US-Botschaft hat er nie etwas gehört. Eine Postkarte mit dem Foto dieser Handarbeit hat er bereits zweimal an alle 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen in New York adressiert – beim zweiten Mal gab es immerhin Rückmeldungen aus Liechtenstein und Polen.

Wolfgang Grineisen bleibt sich treu und gibt nicht auf, seinen Wunsch nach einer friedlicheren Welt nicht verstummen zu lassen. Auch der Brief an Putin mit der Bitte um Kevin Licks Freilassung ist ihm ein Herzensanliegen – das spürt man sehr deutlich. „Ich weiß, dass meine Aktivitäten nur von geringer Bedeutung sind, doch werde ich nicht müde werden, auch in Zukunft meinen Teil dazu beizutragen, Frieden in die Welt zu tragen“, schreibt er. Und er schließt das Schreiben mit einem Appell: „Ich bitte Sie von Herzen, sehr geehrter Herr Präsident Putin, tragen auch Sie bitte Ihren Teil dazu bei.“

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