Autorin liest bei ww-Lit
Westerwälder Literaturtage klopfen in Rumänien an
Maria Bidians Lesung in der Sala in Wissen erhielt durch das Gespräch mit Hanns-Josef Ortheil einen sehr unterhaltenden und zugleich informativen Charakter.
Elmar Hering

Getreu ihrem diesjährigen Motto „Forever Young“ lassen die 24. Westerwälder Literaturtage auch junge Autoren zu Wort kommen. Denn die haben viel zu erzählen. So wie jetzt Maria Bidian in Wissen.

Lesezeit 2 Minuten

Wer Rumänien nicht nur auf Armut, Korruption und die Erinnerung an das schreckliche Ceausescu-Regime reduzieren möchte, dem sei das Buch „Das Pfauengemälde“ von Maria Bidian empfohlen. Als Gast der 24. Westerwälder Literaturtage stellte die deutsch-rumänische Autorin jetzt in Wissen ihr Erstlingswerk vor – ein Roman voller lebensnaher Schilderungen, sinnlicher Eindrücke und spannender Figuren.

Allerdings ging die Veranstaltung weit über den Status einer reinen Lesung hinaus, und das lag vor allem an Hanns-Josef Ortheil. Für den Wissener Romancier und Literaturprofessor war es sichtlich eine Freude, Maria Bidian in seiner Sala begrüßen zu können, schließlich gehörte die Schriftstellerin, Jahrgang 1988, einst zu seinen Studierenden in Hildesheim. Mehr als 40 interessierte Literaturfreunde verfolgten aufmerksam sowohl das Gespräch als auch die vorgelesenen Kapitel.

Mit Westerwälder Wurzeln

Eingangs begrüßte Katharina Roßbach, Programmleiterin der Westerwälder Literaturtage, die Gäste zu dieser zweiten Lesung der Saison. Anhand zweier positiver Rezensionen weckte sie die Neugier auf den im vergangenen Juli erschienenen Roman.

Im Dialog bewegten sich Ortheil und Bidian stufenweise auf das Buch zu. Zunächst steckte die Schriftstellerin jedoch einige geografische Eckpunkte ab: Die Mutter stammt aus dem hessischen Westerwald, der Vater, ein Yogalehrer, aus Rumänien; sie selbst wurde in Mainz geboren und wuchs in Wiesbaden auf. Sämtliche Sommerferien verbrachte die vierköpfige Familie in der Heimat des Vaters. Heute lebt Maria Bidian teils in Berlin und teils in einem kleinen rumänischen Dorf nahe Sibiu (deutsch: Hermannstadt), wo sie ein altes Bauernhaus renoviert.

Eigene Perspektive

Diese frühen Familienbesuche („wie ein großes Abenteuer“) sowie spätere Recherchereisen bilden quasi das Fundament des Romans. Denn schon früh habe sie beschlossen, so Maria Bidian, dort eine fiktional-spannende Geschichte anzusiedeln – während des Studiums reifte dann die Einsicht, die Erzählfäden etwas autobiografischer zu spinnen. „Das war für mich einfacher, fühlte sich natürlicher an“, sagte Autorin über ihre 2017 begonnene Arbeit an dem „Pfauengemälde“.

Herausgekommen ist ein vielschichtiger Roman, der mehrere Zeitebenen miteinander verwebt. Vordergründig geht es um ein Familienerbe, ein altes Haus und die Suche der Ich-Erzählerin nach dem mysteriösen Gemälde. Es entwickelt sich ein Prozess, in dem viele der auftauchenden Figuren als Spannungsträger dienen. Derweil verorten zeitgeschichtliche Koordinaten das Buch im Rumänien der Jahre 2017/2018.

„Wie kann man Erinnerung erhalten und gleichzeitig loslassen?“
Das ist für Maria Bidian die zentrale Frage des Romans.

Daneben ist es Maria Bidian gelungen, dem Erzählstoff eine zweite Dimension zu geben – durch die Kapitel geistern sozusagen der verstorbene Vater der Reisenden und die nachhallende Trauer. Auch das Land ist im Wandel begriffen. Oder mit den Worten von Maria Bidian in einem anderen Interview: „Die zentrale Frage ist: Wie kann man Erinnerung erhalten und gleichzeitig loslassen?“

In Wissen gelang dank Moderator Ortheil zudem der Sprung in das politische Her und Jetzt. Laut Maria Bidian schauen viele Rumänen, vor allem junge liberale Menschen, mit Sorge der bevorstehenden Stichwahl um den Präsidentschaftsposten am 18. Mai entgegen, weil sie Angst haben vor einem Rechtsruck des Landes. Dennoch, so berichtete die Schriftstellerin im Gespräch mit unserer Zeitung, sei sie nicht abgeneigt, auch mal in Rumänien zu lesen; dazu muss der Roman nicht zwangsläufig in rumänischer Übersetzung erscheinen („aber schön wäre das schon“), schließlich gibt es dort auch deutschsprachige Buchhandlungen und Kulturinteressierte; vielleicht lasse sich aber auch ein Projekt realisieren, das ihr vorschwebe und das sie gemeinsam mit ihrer Schwester, einer Filmemacherin, umsetzen möchte.

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