Ein liegengebliebener Bus, eine verpasste Abfahrt und eine 27-Stunden-Tour zum nächsten Anlegehafen: Dass die Anreise zur langerwarteten Mittelmeer-Kreuzfahrt zum Pannentrip werden kann, haben nun mehrere Senioren aus der Mittelrheinregion sowie dem Kreis Altenkirchen erlebt. Unsere Zeitung hat mit dem betroffenen Ehepaar Daniel und Anke E. (Name von der Redaktion geändert) aus dem Kreis Altenkirchen sowie einer betroffenen Seniorin aus Lahnstein, die mit ihrem Mann an der Reise teilnahm, gesprochen. Das Ehepaar aus dem AK-Land reiste zudem mit ihrer geistig beeinträchtigen Tochter und der betagten Schwiegermutter.
Die Betroffenen, die anonym bleiben wollen, erheben schwere Vorwürfe gegen den Reiseanbieter Seereisedienst Elbflorenz aus Duisburg, denen das Unternehmen in einer ausführlichen Stellungnahme auf Anfrage unserer Zeitung größtenteils widerspricht. Die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz, der wir den Fall geschildert haben, sieht unterdessen Hinweise auf „gravierende Reisemängel“.
Eine verkorkste Busanreise zum Kreuzfahrtterminal hat viel Ärger und Unannehmlichkeiten für eine 45-köpfige Reisegruppe bereitgehalten. Doch welche Rechte haben Urlauber in einem solchen Fall? Wir haben dazu bei der Vebraucherzentrale RLP nachgehakt.Pannentrip zur Einschiffung: Expertin sieht Reisemängel
Los ging die Bustour vom Koblenzer Metro-Parkplatz am 3. Mai um 12 Uhr. Geplant war die Fahrt nach Genua, um dort das Kreuzfahrtschiff „Costa Favolosa“ zu erreichen. „Wir waren eine etwa 45-köpfige Gruppe, die überwiegend aus Senioren bestand“, berichtet das betroffene Ehepaar. Noch am gleichen Abend war eine Zwischenübernachtung in einem Hotel in Weil am Rhein bei Basel geplant, wo der Bus gegen 18.30 Uhr eintraf. „Die Anreiseplanung erschien uns damals schon riskant, wir haben uns gefragt, warum dort bereits eine Zwischenübernachtung eingeplant war“, sagen sie mit Blick auf die geplante Abfahrtszeit um 7 Uhr am kommenden Sonntagmorgen.
„Der Bus wäre planmäßig zwischen 12 und 13 Uhr, also mehr als drei Stunden vor Abfahrt des Schiffes im Hafen von Genua gewesen, alle gegenteiligen Annahmen, insbesondere, die Anreiseplanung als ’riskant’ einzustufen, sind rein spekulativ“, äußert sich Robin Müller, geschäftsführender Gesellschafter vom Seereisedienst Elbforenz dazu. Zur Einordnung: Der Routenplaner von Google Maps berechnet für die Strecke Weil am Rhein–Genua eine reine Fahrtzeit von circa sechs Stunden, wobei hier die reduzierte Reisegeschwindigkeit mit dem Bus und die für den Fahrer gesetzlich vorgeschriebene Pause nicht eingerechnet sind.
Reisebus bleibt mit Kühlwassermittelverlust beim Gotthard-Tunnel liegen
Wie geplant startete die Weiterfahrt nach Genua sonntags gegen 7 Uhr. Doch im Gotthard-Tunnel gab es Probleme mit dem Reisebus, er blieb mit „massivem Kühlwassermittelverlust“ liegen. Während das betroffene Ehepaar E. die Zeit mit 10.30 Uhr angibt, widerspricht Robin Müller vom Seereisedienst und gibt die Zeit mit 9.15 Uhr, bezogen auf den Tachograph, an. „ Der Busfahrer, der seit 2012 diese Busfahrten zu europäischen Häfen durchführt, konnte den Bus noch sicher aus dem Gotthardtunnel zum Rastplatz Gotthardo-Süd fahren“, erklärt Müller. Der Busfahrer versuchte vergeblich, das Fahrzeug zu reparieren, da die Kühlwasserpumpe versagt habe, so Müller weiter. Sofort habe man dann über einen Notfallkontakt um 10.30 Uhr einen Ersatzbus in Lugano organisiert. Auch hier unterscheiden sich die Zeitangaben zur Weiterfahrt: Das Ehepaar E. gibt die Weiterfahrt mit 12.30 Uhr an, Robin Müller mit 12 Uhr.
Laut den Urlaubern erfolgte die Weiterfahrt unter großem Zeitdruck. „Stundenlang gab es keine Pause und wir wurden in teils sehr riskanter Fahrweise über die Serpentinen transponiert“, führt E. aus. Viele ältere Reisende hätten große Probleme gehabt, die Toilette aufzusuchen. „Ein Wunder, dass niemandem etwas passiert ist“, sagt das Ehepaar. Gegen 16.15 Uhr erreichte der Bus Genua, jedoch legte das Schiff um 16.45 Uhr ohne die Gruppe ab, da laut Daniel und Anke E. der Aushilfsbusfahrer „offensichtlich ortsunkundig“ und weder ein Mitarbeiter von der Costa-Reederei noch vom Reiseservice für die Einweisung zur Stelle gewesen sei.
Ehepaar und Reiseveranstalter tätigen unterschiedliche Aussagen
Laut Robin Müller stellte das Busunternehmen aus Lugano einen ebenfalls mit dem Hafen in Genua vertrauten Fahrer. „Leider gab es dann im Hafen in Genua trotz aller Versuche der Reiseleitung, keine Möglichkeit mehr, an Bord zu kommen. Das lag leider außerhalb unseres Einflussbereiches und war eine Entscheidung des Kapitäns des Costa-Schiffes, kein Gepäck mehr an Bord zu lassen“, führt er aus.
Das Ehepaar E. berichtet, dass der Reiseveranstalter die betroffenen Urlauber im Bus telefonisch informiert habe, dass es mit einem anderen Bus zur nächsten Anlegestelle nach Barcelona gehen solle. Zudem wurde ihnen gesagt, dass versucht würde, eine weitere Zwischenübernachtung auf dem Weg zu organisieren – doch daraus wurde nichts. Auch eine Möglichkeit zum Duschen wurde ihnen nicht angeboten.
Robin Müller betont, man habe nach den Schwierigkeiten in Genua sofort mit dem Disponenten und dem Chef der Busflotte einen Notfallplan entwickelt. „ Leider war es uns nicht möglich, für eine Reisegruppe von 45 Personen bei einer Busfahrt von Italien durch Frankreich nach Spanien an einem Sonntag ein angemessenes Hotel zu finden, trotz intensiver Anstrengungen.“ Den Urlaubern seien Speisen und Getränke kostenlos serviert worden. Dann ging es mit dem Bus über Italien, Frankreich und Spanien Richtung Barcelona, das laut den Westerwäldern um 10.15 Uhr am Montag erreicht wurde – 27 Stunden nach der Abfahrt in Süddeutschland.
Laut dem Ehepaar E. musste die 45-köpfige-Urlaubergruppe dann vier Stunden am Kreuzfahrtterminal verbringen. Als das Kreuzfahrtschiff gegen 13.30 Uhr eintraf, gab es wieder Probleme, da beim Boarding die Reederei die Gruppe teilweise von der Passagierliste strich – so konnten viele nicht mehr von Bord gehen.
„Die an Bord befindliche Reiseleitung wurde von einzelnen Gästen leider so sehr mit Entschädigungsforderungen bedrängt, dass sie im eigenen Interesse ein Gruppengespräch ablehnen musste.“
Robin Müller, g eschäftsführender Gesellschafter vom Seereisedienst Elbflorenz
Laut Aussage der Reisegruppe verweigerte der an Bord des Schiffes befindliche Reiseleiter des Seereisedienstes jegliche Kontaktaufnahme und verwies auf eine schriftliche Stellungnahme. „ Die an Bord befindliche Reiseleitung wurde von einzelnen Gästen leider so sehr mit Entschädigungsforderungen bedrängt, dass sie im eigenen Interesse ein Gruppengespräch ablehnen musste“, sagt Robin Müller dazu.
Auch bei der Heimreise nach der Kreuzfahrt vom Hamburger Hafen in Richtung Koblenz per Bus gab es laut Teilnehmern Probleme – so hätten sie in der Sonne und ohne Sitz- oder Ausruhmöglichkeiten warten müssen. Hierbei kollabierte der Ehemann der 77-jährigen Lahnsteiner Seniorin, der bereits durch die Reise angeschlagen war. Er konnte nur mit Mühe und Not in den Bus gebracht werden, da laut dem Ehepaar E. kein Rollstuhl von der Reiseleitung organisiert werden konnte. Zudem war die Toilette im Reisebus „fast voll“ sodass die Reisegruppe sehr darauf bedacht sein musste, nicht zu oft auf Toilette zu gehen – wieder laut ihnen eine Zumutung mit Blick auf die Fahrt von Hamburg zurück nach Koblenz. Auch die hygienischen Umstände im Bus wurden als unzumutbar beschrieben. Zudem klagten einige Reisende im Nachgang über Magen-Darmprobleme und Infekte.
Seereisedienst bietet Reisenden 50 Euro Entschädigung an
Nach der Rückkehr der Urlauber hielt der Briefkasten eine Überraschung bereit: Der Seereisedienst bot eine Entschädigung für die Reise-Unannehmlichkeiten in Höhe von 50 Euro pro Person an. „Das ist eine Frechheit“, findet Daniel E. klare Worte. Denn diese Summe mache laut ihm und Frau Anke keinesfalls den Verlust von zwei Urlaubstagen, die Auslagen für Verpflegung und in keinem Sinne ein „Schmerzensgeld“ aus. Laut ihm dürfen beispielsweise zum Vergleich Tiere „nur 24 Stunden lang transportiert werden“, die Senioren fuhren 27 Stunden Bus. Man fühle sich insgesamt vom Reiseveranstalter nicht ernst genommen und wie ein Mensch zweiter Klasse behandelt. Die 77-jährige Seniorin aus Lahnstein betitelt die gesamte Reise – inklusive Kreuzfahrt – als „Katastrophe auf ganzer Tour“. Zwar sei dies ihre insgesamt elfte Kreuzfahrt mit dem Anbieter Costa gewesen, dennoch überwiegen die negativen Erfahrungen.
„Die Gäste haben pro Person für Hin- und Rückfahrt inklusive zwei Übernachtungen 159 Euro bezahlt. Angesichts dieses Preises und der Tatsache, dass die vertraglich zugesagte Leistung aufgrund der beanstandungsfreien Fahrt bis Weil am Rhein, sowie der beanstandungsfreien Rückfahrt nur in einem Teilbereich mangelhaft war, ist die Erstattung angemessen und ausreichend“, begründet der Seereisedienst-Chef die Höhe der Entschädigung.
„Wir sind das erste Mal mit dem Anbieter Seereisedienst gereist – einmal und nie wieder.“
Eine Urlauberin aus Lahnstein im Gespräch mit unserer Zeitung
„Die Wartezeiten und Unannehmlichkeiten im Hafen von Barcelona bedauern wir. Für ein Schiff bedeutet es immer großen organisatorischen, auch behördlichen Aufwand, wenn Gäste nachträglich einschiffen und hier handelte es sich auch noch um eine große Reisegruppe. Letztlich wurden alle Gäste eingecheckt und konnten die Kreuzfahrt antreten“, führt Müller weiter aus.
Und wie fällt das Fazit der Reisenden aus der Region aus? Für die 71-jährige aus Lahnstein steht fest: „Wir sind das erste Mal mit dem Anbieter Seereisedienst gereist – einmal und nie wieder.“ Auch das Ehepaar E. zeigt sich enttäuscht von der An- und Abreise, bezeichnet die Reise an sich aber trotzdem als gelungen.
Reisende verweisen auf AGB der Costa-Reederei
Das Ehepaar E. verweist in seiner Darstellung auf die Allgemeinen Reisebedingungen der Costa-Reederei (Costa Crociere S.A.) zum Punkt An- und Abreise. Hier sei beim Punkt 14 vermerkt: „Bei Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist die Anreise so rechtzeitig zu planen, dass das Schiff mindestens drei Stunden vor Ende der Check-in-Zeit erreicht wird. Die Check-in-Zeit endet üblicherweise zwei Stunden vor Abfahrt des Schiffs. (…).“ Diesbezüglich weisen die Urlauber daraufhin, dass der Check-in um 14.30 Uhr schloss. Das Schiff hätte also drei Stunden früher erreicht werden müssen. So hätte man aufgrund „der schlecht geplanten Anreise“ selbst im Falle einer reibungslosen Fahrt niemals Genua bis 11.30 Uhr erreicht. Die Betroffenen kritisieren, dass es sich hierbei um „eindeutige Versäumnisse des Reiseveranstalters“ handelt. Robin Müller vom Seereisedienst betont, dass die genannten AGBs nicht einschlägig sind, weil sie sich „auf die individuelle Anreise von Gästen beziehen.“