Weitefeld
Weitefelder Weiher: Kampf den Nackedeis und Wildcampern
Mit neuen Schildern wollen Weitefelds Ortsbürgermeister Karl-Heinz Keßler (links) und der Naturschutzbeauftragte des Kreises, Peter Weisenfeld, darauf hinweisen, dass es sich beim Areal der früheren Klebsandgrube Wilhelm und des darin liegenden Weitefelder Weihers um ein geschütztes Naturgebiet handelt.
Peter Seel

Weitefeld. Nacktbaden und Fotoshootings mit barbusigen Models, Sextreffs für schnelle Abenteuer und Erotik ohne Tabus – das bringt man nicht unbedingt mit „O, Du schöner Westerwald“ in Verbindung.

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Von unserem Redakteur Peter Seel

Doch wenn man den Berichten des Weitefelder Ortsbürgermeisters Karl-Heinz Keßler und des Kreisnaturschutzbeauftragten Peter Weisenfeld lauscht, erfährt man, dass die Gretel und der Hans nach dem Tanz offenbar gern an den Weitefelder Weiher fahren, mitten in eines der schönsten Naturareale weit und breit.

Beworben auf einschlägigen Internetseiten

Doch nicht nur Gretel und Hans – auch Nacktbade-Fans von weit her kommen mittlerweile auf die Wiesen rund um das schmucke Gewässer an der ehemaligen Klebsandgrube Wilhelm. Viel Schuld daran hat das Internet: Auf Webseiten wie „Nacktbaden.de“ oder gar „Parkplatzsex“ oder aber „Joyclub“ – hier unter der Rubrik „Sex im Westerwald“ – werden lebensfreudige Gäste herbeigelockt. Doch was ihnen das Leben versüßen mag, das zerstört den Lebensraum von seltenen Tierarten auf dem Areal an der ehemaligen Klebsandgrube: So ist das Amphibienlaichgewässer Weitefelder Weiher inzwischen in ernster Gefahr. Bis zu 50 (!) Gäste, teils mit Zelten, habe er oder ein Mitarbeiter des Ordnungsamts schon von der Wiese schicken müssen, sagt Keßler. „Und die meisten hinterlassen Abfall. Unser Bauhof muss im Sommer regelmäßig den Müll aus dem Wasser fischen.“

Er als Chef der Gemeinde, der das Gebiet gehört und die es an die SGD Nord verpachtet hat, damit hier letzte Rückzugsareale für vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten geschaffen werden, kann unglaubliche Storys von seinen Kontrollgängen über das Gelände erzählen. Weisenfeld und er wissen sich nicht anders zu helfen, als demnächst die Kontrollen zu verschärfen, öfter Anzeige zu erstatten.

FKK-Anhänger kommen teils von weit her

Denn obwohl an dem Feldweg, der von der L 286 in die Felder abbiegt, unübersehbar ein Durchfahrt-verboten-Schild steht, biegen (Nackt-)Bade-„Gäste“, Partywütige, Camper mit Pkws und sogar mit Wohnmobilen (Nummernschilder Siegen, Siegburg, Dillenburg, sogar Braunschweig) hier ab, um weiter oben schlangenweise zu halten und über einen Pfad auf die Wiese und zum See zu gelangen. Dass es hier lebensgefährlich sein kann zu baden, weil es unter Wasser tückische Felsen gibt, darauf weist ein Schild am Pfad hin. „Das ignorieren diese Leute nicht nur“, sagt Keßler, „sondern einmal wurde sogar ein Zettel darauf geklebt, auf dem stand: Achtung, hier FKK! Nur nackt hier ...“

Unfassbar, was er hier schon erlebt hat: Einmal platzte er mitten in ein Fotoshooting mit nackten Erotikdarstellerinnen hinein und wurde von einem Securitymann bedroht und rüde verjagt. „Der fragte mich, was ich denn hier mache. Und ich antwortete: Die Frage ist, was Sie hier machen!“ Gegen die Internetwerbung fürs Nacktbaden am Weiher ist die SGD auf Druck Keßlers schon brieflich angegangen. Statt eines Einsehens wurde plötzlich Kessler vom Betreiber der Webseite bedroht: „Er sagte, er werde sich sein Geschäft nicht kaputt machen lassen. Wenn ich weiter seine Lebensgrundlage zerstören würde, hätte das Konsequenzen.“

Illegaler Badetourismus schadet der Natur

Seit zehn Jahren geht es Peter Weisenfeld und seinem Mitstreiter, dem Dorfchef, um den Schutz von zwei Dutzend Arten von der Roten Liste, um bedrohte Lebensräume, um Gelbbauchunken, Kammmolche, Neuntöter und viele andere. „Schon immer kamen wilde Camper, Nacktbader und Jugendliche, die feierten“, berichtet Weisenfeld. „Die haben wir meistens überzeugen können, das Gelände zu verlassen. Aber in diesem Jahr ist es besonders schlimm geworden, vielleicht auch wegen Corona. Unsere Naturschutzarbeit ist dadurch bedroht. Auf einer Liegewiese kommt kein Schmetterling vor.“

Viele dieser ungebetenen Gäste täten so, als wüssten sie nicht, dass man hier nicht zelten, feiern, Feuer machen und baden darf. Deswegen wurden jetzt erneut Schilder der SGD Nord an den Wegen zu dem FFH- und Vogelschutzgebiet aufgestellt. „Da steht das Überzeugen im Vordergrund, nicht das Verbieten“, sagt Weisenfeld, „aber ich bezweifle, dass das viel nützt. Deshalb appellieren wir hier noch mal an die Vernunft der Leute.“ Man mag resignieren, wenn man weiß, dass Keßler schon Anrufe bekommen hat mit Anfragen, ob man am See nicht einen Polterabend feiern könne: „Da kann man doch prima Pavillons und Bierzeltgarnituren aufstellen, sagte der Anrufer. Da fällt selbst mir nichts mehr ein.“ Sogar ein Versuch, Badegäste und Camper mit viel Schafskot zu vertreiben, ging schief: Als eine Schafherde zum Weiden hingebracht wurde, seien die Badenden einfach über den Zaun geklettert, schüttelt Kessler den Kopf.

Bleibt zu hoffen, dass Einträge wie bei „Nacktbaden.de“ bald aus dem Internet verschwinden: „Nach längerer Suche habe ich im Westerwald eine gute Möglichkeit zum Nacktbaden gefunden. Von Elkenroth kommend, fährt man ...“ Und: dass liebestolle Paare ihre Schäferstündchen bitte anderswo abhalten.

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