Gewalttat von Weitefeld
Weisser Ring RLP unterstützt bei Ängsten und Traumata
Die Tat in Weitefeld hat die Bevölkerung erschüttert. Solche Gewalttataten können zu einem Rückfall von Patienten führen, die bereits eine Traumaerfahrung erlebt haben. Für diese Opfer und Menschen mit Ängsten bietet der Weisse Ring Hilfe an.
Thomas Leurs

Der Dreifachmord in Weitefeld hat Ängste geschürt und kann auch Traumata von Gewaltopfern reaktivieren. Wir haben diesbezüglich mit der Landesvorsitzenden des Weissen Rings, Sabine Bätzing-Lichtenthäler gesprochen.

Die Tat in Weitefeld hat viele Menschen betroffen und versetzt nach wie vor Westerwälder in Angst und Schrecken. Der mutmaßliche Täter Alexander Meisner, der am 6. April eine dreiköpfige Familie ausgelöscht haben soll, ist auf der Flucht. Die Auswirkungen auf die Menschen sind nicht zu unterschätzen - so kann das Trauma von Opfern von Gewalttaten wieder reaktiviert werden. Aber auch Menschen, die vorher keine Probleme hatten, können sich ängstlich fühlen und aufgrund der Situation psychologische Folgen erleben. Unsere Zeitung hat dazu mit Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Landesvorsitzende des Weissen Rings Rheinland-Pfalz, gesprochen.

Insgesamt sei der Beratungsbedarf nicht extrem gestiegen nach der Tat in Weitefeld. „Wir haben tatsächlich Anfragen von Opfern bekommen, wir reden da aber nicht über zweistellige Zahlen“, berichtet Bätzing-Lichtenthäler. Aber: Man wisse nie, wie viele Menschen schlussendlich doch das Angebot in Anspruch nehmen. „Wir haben unsere Hilfe angeboten und immer bekannt gemacht. Auch die Polizei verweist immer an den Weissen Ring“, so Bätzing–Lichtenthäler. Voraussetzung ist, dass die Betroffenen das Hilfsangebot selbst in Anspruch annehmen. Bei manchen Opfern sei der Schock so groß, dass sie erst denken, es gehe ihnen gut. „Und auf einmal kommt es dann doch zu einem Problem. Dann kann es sein, dass Betroffene erst beispielsweise in einem halben Jahr auftauchen, das ist auch ok“, betont die Landesvorsitzende.

„Vieles kann auch Jahrzehnte nach der erlebten Tat die Leute triggern, das kann ein Moment sein, etwas Erlebtes, ein Geruch oder sogar ein Blick - dann kann alles wieder aufgewirbelt werden.“
Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Landesvorsitzende des Weissen Rings Rheinland-Pfalz

Eine solche Tat wie in Weitefeld kann Menschen triggern, die bereits ein Trauma durch eine Straftat erfahren haben. „Vieles kann auch Jahrzehnte nach der erlebten Tat die Leute triggern, das kann ein Moment sein, etwas Erlebtes, ein Geruch sein, oder sogar ein Blick - dann kann alles wieder aufgewirbelt werden“, erklärt Bätzing-Lichtenthäler. Das Beratungsangebot des Weissen Rings richtet sich an Opfer von Gewalttaten, kann aber auch unterstützend wirken bei Menschen, die Ängste haben oder psychologische Probleme.

„Wir sind für jegliche Opfer von Straftaten da, es ist egal, ob die Tat 30 Jahre zurückliegt. Wichtig ist, dass die Ehrenamtlichen vom Weissen Ring keine therapeutische Arbeit oder anwaltliche Tätigkeiten, also Rechtsberatungen, anbieten. Aber sie sind da. Die Ehrenamtlichen hören zu und schauen, was die richtige Unterstützungsmaßnahme ist“, führt die Landesvorsitzende im Gespräch mit unserer Zeitung aus. „Als Erstes hören unsere Ehrenamtlichen zu. Das hilft total, wenn Leute mit jemandem reden können.“ Oft helfe es auch, zu schauen, wo die Ängste begründet liegen. Gemeinsam werde dann überlegt, wo die Mitarbeiter Unterstützung oder Hilfestellung geben können - jeder Einzelfall sei sehr individuell. So helfe auch der Verweis an sogenannte Sicherheits- oder Seniorenberater oder die Mitgabe von Notrufnummern. „Wir sind als Weisser Ring quasi Lotsen und sehr gut vernetzt in den ganzen Hilfs- und Unterstützungssystemen. Aufgrund der Erfahrung können wir auch raten, was am besten zu tun ist.“

Sabine Bätzing-Lichtenthäler ist Landesvorsitzende des Weissen Rings Rheinland-Pfalz.
SPD-Fraktion/A.Heimann

Eine Besonderheit in Rheinland-Pfalz ist das Angebot der speziellen Traumaambulanz - hier ist ein schneller Zugang für Betroffene, die schnelle Hilfe benötigen, gewährleistet, wie Sabine Bätzing-Lichtenthäler ausführt. Hier erhalten Geschädigte sowie Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende, die unter akuten seelischen Folgen einer Gewalttat leiden, schnelle und unkomplizierte psychologische „Ersthilfe“. Ziel ist es, den Eintritt einer psychischen Erkrankung zu verhindern oder dafür Sorge zu tragen, dass diese nicht chronisch wird. „Das wurde 2018 aufgesetzt und ausgeweitet in dieser Intensität. Wir sind froh, dass wir die Traumaambulanzen haben“, so Bätzing-Lichtenthäler. Acht Einrichtungen gibt es in Rheinland-Pfalz (siehe Infokasten). Gerade die Dr. von Ehrenwall´sche Klinik in Bad Neuenahr-Ahrweiler sei für Betroffene aus dem nördlichen Rheinland-Pfalz zuständig. Aber: „Traumaambulanzen für Kinder- und Jugendliche gibt es leider noch sehr wenige. Jedoch, wenn man erst mal im System drin ist, klappt es besser mit der Vermittlung und weiteren Schritten“, führt die Landesvorsitzende des Weissen Rings aus.

 „Traumaambulanzen für Kinder- und Jugendliche gibt es leider noch sehr wenige. Jedoch, wenn man erst mal im System drin ist, klappt es besser mit der Vermittlung und weiteren Schritten.“
Sabine Bätzing-Lichtenthäler

Der Weisse Ring gibt Opfern von Straftaten hierfür einen Beratungscheck für die psychotherapeutische Behandlung in einer Traumaambulanz mit, dann erfolgt die Terminierung direkt mit dem Patienten. „Der Beratungscheck ist quasi die ’Fast Lane’ in die Traumaambulanz“, erklärt Sabine Bätzing-Lichtenthäler. Zwar könne man auch versuchen, bei einem Psychotherapeuten einen Platz zu bekommen, hier sind Wartezeiten aufgrund der geringen Kapazitäten aber oftmals lang.

Auch, wenn jemand nicht mobil ist, sucht der Weisse Ring zusammen mit dem Betroffenen nach einer passenden Lösung. Nach der Erstbehandlung in der Traumaambulanz wird entschieden, ob sich eine Therapie anschließt - dies sei aber nicht gewährleistet.

Beratungsangebot gilt für alle Altersgruppen 

Das Beratungsangebot des Weissen Rings richtet sich an alle Altersgruppen, bei Minderjährigen werden die Erziehungsberechtigten hinzugezogen. Was die Betroffenen dem Weissen Ring erzählen, unterliegt der Schweigepflicht.

Menschen, die dabei sind, Ängste zu entwickeln, können sich ebenfalls an den Weissen Ring wenden und eine Beratung in Anspruch nehmen - auch wenn die Hilfe nicht in kürzester Zeit, wie bei akuten Fällen, zustande kommt. Wenn Selbstgefährdung im Raum steht, komme eine stationäre Aufnahme infrage.

Weitere Infos zum Beratungsangebot des Weissen Rings und Kontaktmöglichkeiten: https://rheinland-pfalz.weisser-ring.de/

Acht Traumaambulanzen in Rheinland-Pfalz

Zu den Traumaambulanzen in Rheinland-Pfalz zählen die Universitätsmedizin Mainz, Dr. von Ehrenwall´sche Klinik in Bad Neuenahr-Ahrweiler, Psychiatrieverbund Nordwestpfalz, Regionales Psychosomatisches Zentrum Südpfalz, Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Trier, Hunsrück Klinik Simmern, St. Elisabeth Krankenhaus Lahnstein, Rheinhessen-Fachklinik Mainz. ann

Weitere Infos: https://lsjv.rlp.de/themen/soziale-entschaedigung/schnelle-hilfen   

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