Nachgefragt bei Landrat Enders
Was spricht eigentlich gegen Ortsfusionen im AK-Land?
Eulenberg ist laut der Einwohnerstatistik Ende 2023 der kleinste Ort im AK-Land. In dem Dorf in der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld leben demnach 55 Einwohner.
Markus Kratzer

Die Forderung nach einer Fusion von kleinen Gemeinden kommt so regelmäßig wie Weihnachten oder der Beginn der Sommerferien. Diesmal hat der Landesrechnungshof den Stein mal wieder ins Wasser geworfen. Wir haben uns dazu im AK-Land umgehört.

In Deutschland gibt es rund 10.700 Gemeinden, mehr als ein Fünftel davon (etwa 2300) liegt in Rheinland-Pfalz. Davon haben rund 1600 Gemeinden weniger als 1000 Einwohner. Marcel Hüter, Präsident des Landesrechnungshofs, ist diese Struktur zu kleinteilig. Er regte jüngst an, über Gemeinde-Fusionen nachzudenken, um Verwaltungen finanziell zu entlasten und die Leistungsfähigkeit vor allem kleinerer Dörfer zu stärken.

Gegenliebe sieht anders aus, fasst man das Echo aus den Kommunen auf diesen Vorstoß kurz zusammen. Aber wie sinnvoll und unsinnig wären Fusionen auf Ortsgemeindeebene im Kreis Altenkirchen, der ja nun vor allem in der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld mit 67 Ortsgemeinden als Paradebeispiel für Kleinteiligkeit herhält? Darüber haben wir mit Landrat Peter Enders und Bürgermeister Fred Jüngerich gesprochen.

„Ich halte es für angemessen, die Situation neu zu bewerten.“
Landrat Peter Enders

Für den Landrat sind solche Überlegungen, wie sie der oberste Kassenprüfer des Landes anstellt, auf Ortsebene durchaus nachvollziehbar. Als positives Beispiel führt er hier die Anfang 2021 vollzogene Fusion zwischen Neitersen und Obernau an. „Ich würde es begrüßen, wenn sich hier Nachahmer finden würden und halte es für angemessen, die Situation neu zu bewerten“, betont Enders auch mit Blick auf die oftmals einwohnerschwachen Dörfer im Dunstkreis der Kreisstadt. Dabei weiß er auch, dass dies nicht ohne Widerstand abgehen dürfte. „Die Leute stimmen mit den Füßen ab“, räumt er ein und appelliert deshalb auch an die Freiwilligkeit.

Nach einem möglichen Beispiel befragt, geht Enders gar nicht so weit weg von seiner eigenen Haustür. „Für mich wäre es durchaus vorstellbar, dass die Gemeinden Eichen und Rott mit Flammersfeld fusionieren – und beide dann jeweils, nach Obernauer Vorbild, einen Ortsvorsteher erhalten“, so der Chef des Kreishauses, selbst 20 Jahre Ortsbürgermeister seiner Heimatgemeinde Eichen. Die Vorteile von Fusionen liegen für Enders auf der Hand. „Es geht ausschließlich um größere Verwaltungseinheiten, nicht um den Verlust lokaler Identität“, ist er überzeugt. „Muss es denn wirklich sein, dass Verbandsgemeinden für noch so kleine Gemeinden einen Haushaltsplan aufstellen, muss es denn wirklich sein, dass Gemeinderatsmitglieder gleichzeitig die eigenen Bauhofmitarbeiter sind?“, fragt er. Fusionen auf Verbandsgemeinde- oder Kreisebene lehnt Enders dagegen ab. „Da ist für mich das Ende der Fahnenstange erreicht“, betont er.

Erhebliche Kostenersparnis

Auch Bürgermeister Fred Jüngerich, „Chef“ der Viel-Dörfer-VG Altenkirchen-Flammersfeld, hat zu dem Thema eine dezidierte Meinung: „Zunächst einmal ist es mir wichtig zu betonen, dass ich als Diplom-Verwaltungswirt (FH) mit Spezialisierung auf das Kommunalverfassungsrecht ein ausgesprochener Verfechter der rheinland-pfälzischen Kommunalstrukturen bin, mich also ausdrücklich für die Eigenständigkeit der Ortsgemeinden ausspreche“, sagt er auf Anfrage. Doch diese Eigenständigkeit muss für ihn sinnbehaftet und vor allem verwaltungsökonomisch darstellbar sein. „Eine große Anzahl an Ortsgemeinden, ungeachtet ihrer Größe, zieht für die zuständige Verbandsgemeindeverwaltung stets höhere Personalkosten nach sich. Es ist ein Unterschied, ob ein Rathaus für 70 Ortsgemeinden oder nur für 35 Ortsgemeinden Haushaltspläne erstellen und unterjährig abwickeln, Ortsgemeinderatssitzungen vorbereiten und begleiten sowie Sitzungsprotokolle anfertigen muss“, spricht er aus der Praxis.

Doch was bedeutet dies finanziell in konkreten Zahlen? „In dem genannten Beispiel reden wir schnell über drei bis vier Vollzeitäquivalente des mittleren und gehobenen Dienstes, was an Bruttolohnkosten rund 250.000 Euro pro Jahr ausmacht“, wird Jüngerich deutlich. Dieses Geld müsse die Verbandsgemeinde über die Verbandsgemeindeumlage erwirtschaften, also den Ortsgemeinden aus deren Steuerkraft, nämlich aus der Grund- und Gewerbesteuer, entziehen.

„Ich selbst lebe zeit meines Lebens in einem Ortsteil der Ortsgemeinde Gieleroth, in Herpteroth, und habe insoweit noch nie Nachteile verspüren müssen.“
Bürgermeister Fred Jüngerich

Unter anderem vor diesem Hintergrund habe der Landesgesetzgeber in der Gemeindeordnung eine Größe von 300 Einwohnern genannt, bei deren Unterschreitung der rheinland-pfälzische Innenminister einer Ortsgemeinde vorschreiben könne, dass sie sich einen Fusionspartner sucht, skizziert der Rathauschef den Rahmen, den Mainz vorgibt. „Käme dieses Prozedere zum Tragen, wären in der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld 30 Ortsgemeinden betroffen“, rechnet er vor. „Häufig wird im Zusammenhang mit der Zusammenlegung von Ortsgemeinden die dann womöglich wegbrechende Eigenständigkeit oder das befürchtete Ausbleiben des Engagements der Einwohner genannt. Ich selbst lebe zeit meines Lebens in einem Ortsteil der Ortsgemeinde Gieleroth, in Herpteroth, und habe insoweit noch nie Nachteile verspüren müssen“, berichtet Jüngerich aus seinem ganz persönlichen Alltag.

Kommunalfusionen seien gewiss kein Allheilmittel gegen die finanzielle Not der Städte und Gemeinden, aber objektiv betrachtet, könnten sie dazu beitragen, Verwaltungskosten zu reduzieren und Bürokratie abzubauen, ist der Bürgermeister überzeugt.

Auf der Ebene der Verbandsgemeinden sollte nach seinem Verständnis eine Mindestgröße von 10.000 Einwohnern gelten, um genau diesen Punkten Rechnung zu tragen. „Es gibt in Rheinland-Pfalz verbandsangehörige Städte, wie beispielsweise Montabaur oder Betzdorf, die deutlich mehr Einwohner haben als ein gutes Dutzend der insgesamt 129 Verbandsgemeinden im Land. Da stimmt die Relation nicht“, argumentiert Jüngerich.

Der teils geführten Diskussion um die Abschaffung der Verbandsgemeinden und deren Integration in die Verwaltung der Landkreise erteilt er aber eine klare Absage. „Der Bürger braucht, trotz zunehmender Digitalisierung, eine ortsnahe Anlaufstelle unterhalb der Ebene der Kreisverwaltungen, insbesondere in Flächenkreisen wie Altenkirchen“, so sein Argument.

Das sind die kleinsten Orte im Kreis Altenkirchen

Zum 31. Dezember 2023 hatten folgende 18 Orte im Kreis Altenkirchen die wenigsten Einwohner (unter 200). Falls nicht anders vermerkt, gehören sie zur Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld: Eulenberg (55 Einwohner), Idelberg (61), Ersfeld (70), Ölsen (74), Volkerzen (82), Niederirsen (93, VG Hamm), Giershausen (94), Bachenberg (101), Isert (111), Mauden (117, VG Daaden-Herdorf), Kescheid (129), Seifen (132), Seelbach (134, VG Hamm), Racksen (138), Walterschen (161), Forstmehren und Ziegenhain (beide 164), sowie Kraam (165). kra

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