Geschlagen und mit Waffe bedroht? Was vor mehr als acht Jahren tatsächlich in Malberg passiert ist, bleibt im Dunkeln
Was geschah vor acht Jahren in einem Büro in Malberg? „Räuberpistole“endet vor Landgericht mit Freisprüchen
Vor dem Landgericht Koblenz sind drei Angeklagte freigesprochen worden. Die 3. Strafkammer hatte Zweifel daran, dass es im März 2016 in Malberg zu einer schweren räuberischen Erpressung und einer gefährlichen Körperverletzung gekommen ist. Foto: Markus Kratzer​
Markus Kratzer

Koblenz/Malberg. Aussage gegen Aussage: Freispruch. Auf diese juristische Kurzformel lässt sich ein Prozess vor dem Landgericht Koblenz bringen, in dem der Tatvorwurf der schweren räuberischen Erpressung und der gefährlichen Körperverletzung im Raum stand. Doch was sich konkret zugetragen hat an jenem Samstag im März 2016 in Malberg – das dürfte wohl nicht mehr ans Tageslicht kommen – eine echte „Räuberpistole“.

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Auf der Anklagebank: Kaufmann Sebastian J. aus Malberg (alle Namen von der Redaktion geändert) und seine Partnerin Astrid K. sowie der Frankfurter Unternehmer Thomas G. Der Vorwurf laut Anklageschrift: Das Trio (das Verfahren gegen zwei weitere Mitangeklagte wurde zwischenzeitlich abgetrennt) soll die vermeintlich Geschädigten Christian D. und dessen Freundin Monika B. im Büro von J. in Malberg festgehalten, diese mit einer Waffe bedroht und D. mit Schlägen traktiert haben, um so an Wertsachen oder Bargeld zu gelangen. Im Anschluss sollen die männlichen Angeklagten Monika B. gezwungen haben, an deren Wohnort in Ingelbach einen Lkw-Schlüssel herauszugeben, um das Fahrzeug an sich zu nehmen.

Zeugen nicht auffindbar

Was die Aufklärung der Vorkommnisse so schwierig macht(e): Der Aufenthaltsort der mutmaßlichen Opfer D. und B. ist nicht zu ermitteln, das Gericht muss sich statt Zeugenaussagen auf Vernehmungsprotokolle aus den Jahren 2016 bis 2019 stützen. Dass das Gericht erst achteinhalb Jahre nach der vermeintlichen Tat zusammenkommt, hat laut Richter Rudolf Lenders den Grund, dass vor allem Christian D. nicht auffindbar ist.

Was sich in der Anklageschrift juristisch nüchtern liest, hat in den Schilderungen der mutmaßlichen Opfer das Potenzial für ein Krimidrehbuch. Alles fing im Mai 2015 an, als D., nach eigenen Angaben, auf eine Container-Burg am Ortsrand von Höchstenbach aufmerksam wurde. Mithilfe einer dort angebrachten Telefonnummer habe er Kontakt zu dem Besitzer aufgenommen – Thomas G. in der Mainmetropole. Dieser habe ihn dann beauftragt, dort aufzuräumen. Bei einer Baumfällaktion im Februar 2016 auf dem Gelände sei auch Sebastian J. dabei gewesen. Dieser habe denn vorgeschlagen, auf dem Grundstück befindliche Waren zu verkaufen.

So gab Christian D. an, über ein Internetportal jeweils 300 Euro für eine Schreinersäge und einen Motortester erhalten zu haben. Am 5. März 2016 habe er dann einen Anruf von J. erhalten, man müsse reden und er solle um 17 Uhr nach Malberg kommen. Dort mit seiner Freundin angekommen, seien neben J. und später Astrid K. auch G. in Begleitung zweier Männer anwesend gewesen. G. habe ihn vor den Kopf gestoßen und immer wieder geschlagen, ihm dabei auch Handy und Papiere abgenommen. J. habe zudem eine langläufige Pistole auf ihn gerichtet.

Monika B., so steht es in ihrem Vernehmungsprotokoll, war davon ausgegangen, dass sie an besagtem Nachmittag das Geld für zwei neue Lkw-Reifen und die TÜV-Kosten zurückbekomme, das sie J. und K. vorgestreckt habe. Doch dann habe J. mit einer Waffe auf ihren Freund gezielt, G. habe sich weiße Handschuhe angezogen und in der Folge immer wieder auf D. eingetreten und eingeschlagen.

Von Malberg nach Ingelbach

Dann hätten J. und G. sie gezwungen, mit ihnen nach Ingelbach zu fahren, um den Schlüssel für den Lkw zu holen, den J. Christian D. überlassen haben soll – als 5000-Euro-Anzahlung für vereinbarte 10.000 Euro, für die D. den Inhalt der Container-Burg an J. verscherbeln wollte. Unter dem ganzen Druck der Situation habe B. sich eingenässt, heißt es weiter.

In Ingelbach wiederum wurde Michael A., Ex-Freund von Monika B., auf die Situation aufmerksam. Am zweiten Prozesstag sagte er in Koblenz aus, er sei damals in die Wohnung von B. gekommen, die Situation dort sei ihm aber „einvernehmlich“ vorgekommen. Dennoch sei er dem Trio in seinem Fahrzeug nach Malberg gefolgt. Aber auch dort sei ihm nichts Außergewöhnliches aufgefallen. „Das Lauteste dort war der Hund, ansonsten war Ruhe in dem Laden“, sagt er. Er habe D., der wie ein Häufchen Elend in der Ecke gesessen habe, zur Rede gestellt, und ihm auch mit der flachen Hand einen Schlag gegen den Kopf gegeben. „Das war aber eher ein Wischer“, fährt er fort. Eine Verletzung habe er bei D. nicht gesehen, auch habe er ihm keine Wunde zugefügt. Was vorher passiert sein soll, wisse er nur durch die Schilderungen von Monika B. Kurze Zeit später sei dann die Polizei gekommen, die – so wird in der Verhandlung deutlich – Sebastian J. gerufen hat.

Polizisten im Zeugenstand

Im Zeugenstand nehmen zudem zwei Polizisten aus Betzdorf Platz, die damals als Sachbearbeiter mit dem Fall betraut waren. Der erste, inzwischen pensioniert, schildert D. als eine Person, die auf ihn den Eindruck gemacht hat, dass er Dinge so sage, wie sie für ihn am besten seien. Das Wort „windig“ fällt, er habe auch erst später eingeräumt, dass er sich „in Höchstenbach bedient habe“. Der zweite Beamte, der den Fall im Sommer 2017 übernommen hatte, schildert Monika B. als eine emotionale Frau, die auf ihn einen glaubwürdigen Eindruck gemacht habe. Auch habe sie sehr konkret die vermeintliche Tatwaffe beschrieben.

Dennoch: Nicht nur, weil die Angeklagten die Vorwürfe vehement bestritten und auch die beiden Männer, die Thomas G. 2016 nach Malberg begleitet hatten, im Nachgang ausgesagt hatten, dass es in dem Büro zu keinerlei Handgreiflichkeiten gekommen sei, sah sich die Staatsanwaltschaft dazu veranlasst, auf Freispruch zu plädieren. „Wir haben hier eine Aussage-Aussage-Konstellation, Zweifel an dem Sachverhalt dürfen nicht zum Nachteil der Angeklagten ausgelegt werden“, so Isabel Kreuzberg.

“Vorher nicht gekannt"

Klaus Dorff, Verteidiger des Frankfurter Unternehmers, führte an, dass sich sein Mandant und J. erst an besagtem Tag kennengelernt hätten. Außerdem gebe es Ungereimtheiten in den Aussagen: Warum habe ausgerechnet J. die Polizei gerufen, warum habe D. erst später angezeigt, dass er ausgeraubt und verletzt worden sei? Auf „wesentliche Diskrepanzen in den Aussagen weist auch Sven Bromba, Anwalt von J. hin. Marion Faust, Verteidigerin von Astrid K., der zur Last gelegt worden war, sie habe ein Festnetztelefon versteckt, damit die Polizei nicht habe angerufen werden können, fasste zusammen: „Ich habe das Gefühl, man hat hier den Gärtner zum Bock gemacht“.

„Weitgehend schlüssig“

Eine Aussage, die Richter Rudolf Lenders bei der Urteilsverkündung so aber nicht stehen lassen wollte. Grundsätzlich habe das Gericht die Aussagen der beiden vermeintlichen Opfer ja auch nicht angezweifelt, sonst hätte man das Verfahren ja nicht eröffnet, betonte er.

Es sei weitgehend schlüssig gewesen, was die Angeklagten gesagt hätten. Bei den Aussagen der vermeintlichen Opfer hätten sich aber Widersprüche ergeben, die sich durch Nachfragen nicht hätten ausräumen lassen. So hatte D. zu Protokoll gegeben, er sei aus einem Abstand von fünf Metern mit der Waffe bedroht worden, seine Freundin sprach davon, die Pistole sei direkt am Kopf gewesen. Auch die Tatsache, dass die Vorwürfe nicht unmittelbar nach der vermeintlichen Tat erhoben worden seien, nährten die Zweifel. Und so entschied die 3. Strafkammer nach zwei Verhandlungstagen, die drei Angeklagten in Freiheit zu entlassen.

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