Vorstand rechnet für 2024 mit nur vierstelligem oder gar keinem Verlust - Bis Mitte 2025 muss allerdings noch viel passieren
Wäller Markt hat sein Finanztief überwunden: Dieses Jahr kleiner oder gar kein Fehlbetrag
Sie stehen für den regionalen Online-Marktplatz Wäller Markt: die beiden Vorstände Andreas Giehl (links) und Wendelin Abresch und ihre Mitarbeiterin Natalie Groß. Foto: Markus Müller
Markus Müller

Westerwald. Der Wäller Markt, die noch junge genossenschaftlich organisierte Online-Handelsplattform mit eigenem Lieferdienst, ist aus ihren um die Jahreswende aufgetretenen finanziellen Schwierigkeiten raus. Damals wurde der nicht gedeckte Liquiditätsbedarf mit 126.000 Euro berechnet (wir berichteten).

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Bei der jüngsten Generalversammlung in Weyerbusch konnten die Vorstände Wendelin Abresch und Andreas Giehl jetzt aber viel Positives berichten, das Abresch ganz kurz auf den Punkt brachte: „Wir leben noch!“ Das heißt: In diesem Jahr wird die Finanzlücke laut dem einstimmig von den Genossen verabschiedeten Finanzplan 2024 nur 7548 Euro betragen.

Das hat gleich mehrere Gründe, wie die Vorstände erläuterten. „Wir konnten in den ersten vier Monaten dieses Jahres den Marktplatz-Umsatz um das 2,78-fache (plus 178 Prozent) steigern: auf rund 51.000 Euro. Im Vorjahr hatte der im gleichen Zeitraum bei rund 18.400 Euro gelegen“, freute sich Wendelin Abresch. Er verhehlte aber auch nicht, dass der Umsatz bei mindestens 200.000 Euro in einem entsprechenden Zeitraum liegen müsse, wenn mal alle Zuschüsse wegfallen. Das wird voraussichtlich Mitte 2025 der Fall sein.

1 Million Euro aus Leader-Förderung stehen bereit

Bis dahin stehen der Genossenschaft allein fast 1 Million Euro aus der Leader-Förderung zur Verfügung. Um diese überhaupt komplett abrufen zu können, müsse das Geschäft noch um Einiges besser laufen, so Abresch, der mit Giehl hier auf verschiedene Maßnahmen setzt. Dazu gehören unter anderem Kooperationen mit Lotto Rheinland-Pfalz und weiteren Partnern, um den Wäller Markt einfach noch bekannter zu machen.

Außerdem arbeitet man daran, zu den aktuell 116 auf der Plattform vertretenen Anbietern aus den unterschiedlichsten Bereichen weitere Erzeuger, Händler und Dienstleister dazu zugewinnen. Im Moment kämen dafür gut zwei Dutzend infrage, berichtete Abresch. Er verhehlte aber auch nicht, dass vom Start an bis heute 28 Anbieter wieder gekündigt haben.

„Jeder sollte sich fragen, wie man den Wäller Markt noch bekannter machen kann.“

Sammy Luckenbach, Vorsitzender des Aufsichtsrates des Waller Marktes

Die beiden ehrenamtlich tätigen Vorstände sind natürlich froh, dass in diesem Jahr die drei Verbandsgemeinden Asbach, Wallmerod und Dierdorf Förderzusagen in Höhe von knapp 25.000 Euro gemacht haben. Und sie freuten sich auch über den einen oder anderen Werbekostenzuschuss. Natürlich sollen vor allem auch noch viel mehr Kunden geworben werden. Dazu ist die Genossenschaft Wäller Markt nicht nur in den sozialen Medien präsent, sondern auch bei Messen oder mit eigenen Veranstaltungen.

Verschiedene Meinungen bei Generalversammlung

In der Versammlung selbst gab es verschiedene Meinungen zur weiteren Entwicklung der Onlineplattform. Relativ vernichtende Kritik kam aber nur von einem Teilnehmer, der feststellte, dass es ohne die Leaderförderung von Mitte 2025 einfach nicht weitergehen wird. Das Projekt werde zwar mit Herzblut und Leidenschaft vom ehrenamtlich tätigen Vorstand vorangetrieben, man könne es aber auch als Liebhaberei und Kampf gegen Windmühlen abtun.

Das sahen andere Beteiligte dann doch positiver und plädierten sogar dafür, den Einstieg ins Projekt nicht so günstig wie bisher zu ermöglichen. Auch an diesem Kostenhebel könne man ansetzen. Das müsse es den regionalen Anbietern doch wert sein. Kritisiert wurde auch, dass sich immer noch zehn Verbandsgemeinden der Förderung einer regionalen Struktur für den Onlinehandel verweigern.

Es gibt Keine zweite Chance für ein solches Projekt

Was aber passiert, wenn der Wäller Markt seinen Betrieb doch einstellen müsste? In diesem Fall würde es in den nächsten Jahren keine zweite Chance für ein solches Projekt mehr geben und das Feld würde komplett den großen, den Markt beherrschenden Anbieter – und das ist derzeit vor allem Amazon – überlassen werden. Dessen waren sich Vorstand, Aufsichtsrat und Genossen sicher.

Nachdem Andreas Giehl die Zahlen für 2023 detailliert präsentiert hatte, genehmigte die Generalversammlung einstimmig den Jahresabschluss 2023 der Wäller Markt eG. Er schließt ab mit einem Jahresfehlbetrag von rund 68.000 Euro. Die Bilanzsumme beträgt 232.000 Euro.Der Bilanzverlust in Höhe von knapp 143.000 Euro wird auf neue Rechnung vorgetragen. Einstimmig fiel denn auch die Entlastung des Vorstandes und des Aufsichtsrates für das Geschäftsjahr 2023 durch die Generalversammlung aus.

Für den Aufsichtsrat dankte Vorsitzender Sammy Luckenbach insbesondere Giehl und Abresch für ihre weitgehend ehrenamtlich geleistete Arbeit. Der anwesenden Mitarbeiterin Natalie Groß und dem ganzen Team galt ebenfalls sein auch für den kompletten Aufsichtsrat geäußerter Dank.

Auf eigenem Feld selbst ackern

Kommentar von Markus Mülller

Ja, der gute alte Friedrich Wilhelm hat ja wieder mal recht, wenn er feststellt: „Was einer allein nicht schafft, das schaffen viele.“ Nur hat er bewusst das „viele“ benutzt, denn nur so kann eine regionale Onlineplattform funktionieren: Viele Genossen, aber vor allem viele Anbieter und viele Kunden müssen sich beteiligen. Es wäre ja wirklich eine Schande, wenn wir Westerwälder es ausgerechnet in der Region, die wie keine andere für Raiffeisen steht, nicht schaffen, den Wäller Markt nicht nur so richtig ins Laufen zu bringen, sondern auch langfristig zu etablieren. Wir müssen unser eigenes Feld selbst beackern, wenn wir selbst die Früchte davon ernten wollen – und zwar auf direktem, unabhängigem und kostengünstigem Weg. Bei der Gelegenheit: Es wäre bestimmt auch kein schlechtes Zeichen, wenn mehr, sprich viele Genossenschaftsmitglieder zur nächsten Generalversammlung kommen und damit auch den großen Einsatz des Vorstandes würdigen würden.

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