Wow! Die unerwarteten Überraschungen sind bekanntlich oft die schönsten. Im Rahmen der Werktage zum 25-jährigen Bestehen der Wissener Eigenart vermittelte die vierköpfige Band Voyager IV einen Eindruck davon, was es bedeuten kann, wenn moderne Rockmusik jenseits des gängigen Schubladendenkens Spaß macht und die Menschen berührt.
Die deutsch-niederländische Formation Voyager IV bringt eine Mischung aus Klassik, Jazzrock und Singer-Songwriter-Elementen auf die Bühne. Der Name ist tatsächlich an die gleichnamige Raumsonde angelehnt, die auf ihrem Weg durchs Weltall Musik an Bord hat. Die Lust am Experimentieren und der Drang zur Vorwärtsentwicklung sind jederzeit spürbar, weshalb Voyager IV nicht zu Unrecht als ein neuer Vertreter des Progressive Rock gilt.
Mischung passt
In Wissen spielte die 2017 gegründete Formation eine Mischung aus ihrem viel beachteten Album „Pictures at an Exhibition“ und dem noch unveröffentlichten, in England aufgenommenen Tonträger „Rheingold“. Während im ersten Fall der klassische Klavierzyklus des russischen Komponisten Modest Mussorgski als Inspirationsquelle diente (ähnlich wie für viele andere Versionen von Maurice Ravel, 1922, bis Emerson, Lake and Palmer,1971), gibt Richard Wagners opulentes Werk um den „Ring des Nibelungen“ seinerseits Orientierungshilfe, genauer gesagt sind es die Sagen und Mythen rund um Vater Rhein, inklusive Loreleylied und Rheinromantik.
Das kreative Quartett ist aus fantastischen Einzelkönnern zusammengesetzt. Viel mehr als in anderen Bands tritt beispielsweise der Bassist in Erscheinung, denn mit seinem sechssaitigen Bass liefert Fritz Roppel unüberhörbare Argumente dafür, dass eine gute Rockband nicht unbedingt einen Leadgitarristen braucht. Zusätzlich zu den vier mittleren Basssaiten turnen seine Finger spielerisch über eine tiefe und eine hohe Saite, gleichwohl bleibt der Absolvent und einstige Lehrer der Musikhochschule Köln bescheiden: „Man muss nur ein bisschen mehr greifen können.“
Seltenheit auf der Livebühne
Erst recht im verhexten Song „Baba Yaga“ gibt es keine Gitarren-Lücke, denn Keyboarder Marcus Schinkel beherrscht mit seiner Keytar grandios die gleich Tonspur. Darüber hinaus verblüfft Schinkel, Jahrgang 1968, das Wissener Publikum mit einer weiteren Seltenheit auf heutigen Livebühnen: die vor rund 50 Jahren von Jean-Michel Jarre entwickelte Laserharfe – eindrucksvoll mitzuerleben im Song „Daedalus Calling“, angelehnt an Mussorgskis Orchestersatz „The Great Gate of Kiev“.
Auch Sänger und Songwriter Johannes Kuchta, im Hauptberuf Neurochirurg, erweist sich als Multiinstrumentalist. Neben seiner großartigen Stimme reicht das Spektrum von der Trommel und anderen Rhythmusgeräten bis zur Wasserharfe. Sphärische Klänge begleiten die Lieder ebenso wie überraschende Tempi- und Motivwechsel, inklusive eines Anflugs leichter Latin-Rhythmen oder Anklängen an die frühe Genesis-Phase. Noch eine Perle: Wim de Vries’ fast siebenminütiger Alleingang am Schlagzeug.
„Leute, geht auch in kleine Konzerte.“
Appell von Bandleader Marcus Schinkel
Da Kuchta und Schinkel beide in Bonn leben und quasi nur durch den Rhein getrennt sind, lag es für beide nahe, sich den großen Fluss als Inspirationsquelle auszusuchen. Herausgekommen ist das in Bath in Südengland, in Peter Gabriels Realworld-Studio, aufgenommene neue Album. Beide sind aber bei Weitem nicht nur auf die eigene Musik fokussiert und deshalb richtete Marcus Schinkel einen Appell an alle Musikfreunde: „Leute, geht auch in kleine Konzerte“, lobte er zum Beispiel die kleine, aber feine Konzertreihe „Jazz We Can“ in Bad Marienberg und erinnerte an das Voyager-Gastspiel vor knapp fünf Jahren im Stöffelpark in Enspel.
Nach dem sehr voluminösen Daedalus-Finale verabschiedete sich die Band mit einem ruhigen, sehr persönlichen Gute-Nacht-Lied vom Wissener Publikum: „You ’re not alone“ aus der Feder von Johannes Kuchta.
Fortgesetzt werden die Wissener Werktage am Donnerstag, 12. Juni, 19.30 Uhr, mit einem Konzert von „Lucy van Kuhl & die Es-Chord-Band“; das für Pfingstsamstag, 7. Juni, geplante Konzert von Albie Donnelly’s Supercharge fällt aus.