Der Himmel ist klar, das Grün der anliegenden Aue, über der jeden Morgen die Sonne aufgeht, saftig. Die braunen Kühe im Gehege gegenüber kauen stoisch das Gras. Zig Kinder im Kita-Alter tollen und basteln um und in den beiden blauen und schieferroten Holzhütten. Zusammen mit den Erzieherinnen wird heute Papier aus Wiesenblumen gepresst, aus dem später Weihnachtskarten entstehen. Die Sonne presst ihre letzten sommerlichen Strahlen an diesem Mittag im frühen Oktober aus, aber frisch ist es trotzdem hier mitten im Daadener Wald, unweit des Wanderparkplatzes Hüllbuche. Willkommen bei der ersten Waldkita-Gruppe im Kreis Altenkirchen!
Während der Pandemie folgte Wissen mit einer Außenstelle im Katzwinkeler Ortsteil Elkhausen. Und Niederfischbach tendiert nun ebenfalls zur Einrichtung einer solchen Gruppe im Wald. „Hier oben friert man nur einmal,“ sagt die Leiterin der kommunalen Kita „Alte Bahnhofsschule“, an die die Außenstelle im Wald angedockt ist. Dieses Beispiel von Brita Comisel untermauert auch eine der pädagogischen Grundausrichtungen des Waldkitakonzepts, das in Dänemark geboren wurde und in Rheinland-Pfalz das erste Mal vor fast 30 Jahren verwirklicht worden ist. Die Kinder lernen von und mit der Natur.
Regen, Sonne, Wind? Egal!
Die meiste Zeit verbringen sie draußen. Egal, ob es regnet, der winterliche Wind pfeift oder sommerliche Schwüle drückt. Und wenn ein Kind mal den Sprung in eine Pfütze wagt, wird es sich das beim nächsten Mal genau überlegen. An einem der modernen Multifunktionsöfen in den rund 40 Quadratmetern großen Holzhütten muss es dann warten, bis seine Kleidung getrocknet ist – und lernt daraus.
Erst im Mai 2022 wurde die erste – die blaue – Waldhütte eröffnet. Doch das Konzept Waldkita war da längst zwei Jahre lang wenige Meter vom späteren Standort entfernt erprobt worden. Die benachbarte Wilhelm-Fischbach-Hütte bot hierzu ideale Bedingungen für diese Übergangszeit. Und auch, wenn man geneigt ist, die Pandemie zu verdrängen, die in diese Phase fiel – an der frischen Luft ließ sich der Kita-Alltag einfacher an die Hygienebestimmungen anpassen. Zudem befindet sich die Wilhelm-Fischbach-Hütte genauso wie ein Großteil der Grundstücke, auf dem der heutige Standort ist, im Besitz der Stadt. Mächtig stolz sei er, dass die erste Waldkita im Kreis Altenkirchen so gut funktioniere, betont Stadtbürgermeister Walter Strunk beim Vor-Ort-Besuch. Im Oktober ging erst die zweite Hütte an den Start, sie wird am 1. Dezember eingeweiht.
Förster schlug heutigen Standort vor
Die Idee für den heutigen Standort hatte der damalige Daadener Förster Rainer Gerhardus. Bis zur finalen Genehmigung war es kein einfacher Weg aus Verwaltungssicht, doch immerhin: Bei der zweiten Hütte ging es bedeutend schneller und einfacher. Insgesamt 20 Kinder werden pro Häuschen betreut. Der größte Teil ist vom Hauptstandort gewechselt, berichtet Kita-Leiterin Brita Comisel.
Nach zwei Jahren des Ausharrens verlässt die Waldgruppe der Kita „Alte Bahnhofsschule“ ihre „Notunterkunft“ in der Wilhelmfischbachhütte und verbringt ihren Kita-Alltag fortan in der neuen „Waldhütte“ unweit des Wanderparkplatzes im Daadener Wald.Nach zwei Jahren Wartezeit: Waldkita in Daaden ist eröffnet
Denn ein direkter Einstieg ist aufgrund des Konzepts nicht möglich. Fließendes Wasser gibt es nämlich genauso wenig wie ein Heizungssystem. Die Kinder müssen also mindestens drei Jahre alt sein und trocken. Der Andrang ist nach den Worten des Stadtbürgermeisters groß, viele Anfragen erreichten die Verwaltung auch von außerhalb der Stadtgrenzen.
Doch nur Daadener Kinder haben eine Chance. Denn die kommunalen Kitas der Stadt sind an ihre räumlichen Grenzen angelangt. Neben dem künftigen Neubau in Biersdorf bringen die Waldkita- gruppen Entlastung, sagt Strunk – und weist gleichzeitig darauf hin, dass das pädagogische Konzept am Ende ausschlaggebend gewesen sei für die Entscheidung. Dank des Hauptangebots in der alten Bahnhofsschule könne die Kommune den Eltern nun zwei erzieherische Ausrichtungen zur Wahl anbieten. Klar ist dann auch, wie Brita Comisel betont: „Wenn man sich entscheidet, muss das Kind bleiben.“ Eltern verpflichten sich, dass ihr Kind mindestens ein Jahr die Waldgruppe besucht. Diese Planungssicherheit sei nötig, um das Angebot effektiv aufrechtzuerhalten.
Logistik für Eltern herausfordernder
Daneben müssen sich die Eltern auf Einschränkungen einstellen, die es so im Haupthaus nicht gibt. So sind die Öffnungszeiten (7.30 bis 14.30 Uhr) nicht ganz so ausgeweitet wie in der alten Bahnhofsschule. Und statt eines warmen Mittagessens wird den Eltern empfohlen, ihre Töchtern und Söhnen morgens zusätzliche Verpflegung mitzugeben. Freitags wird immer gemeinsam gekocht.
Während des Besuchs unserer Zeitung laufen die Vorbereitungen für die Zubereitung von Laugenstangen bereits auf Hochtouren. Sie landen später in einem der Holzöfen. „Wie damals bei Oma in der Küche“, sagt Stadtbürgermeister Strunk. Und wie es viele noch von früher kennen, sind auch die Waldkita-Kinder in die Arbeiten involviert. Und das gilt grundsätzlich. So werden auch die benachbarten Kühe zum Beispiel teils mit versorgt von den Kleinen. Die Idee dahinter beschreibt die für die Waldkita zuständige stellvertretende Kita-Leiterin, Tina Sturm, so: „Die Kinder merken, sie werden gebraucht. Das macht sie stolz.“
Die Erzieherinnen arbeiten auf Augenhöhe mit den Kleinen. Das bedeutet den Verzicht auf Zäune und insgesamt viel Freiraum, schließt aber die konsequente Beachtung von Regeln mit ein. Klettern auf nassem Holz oder das Anfassen von Pilzen? Sind tabu. „Die Kinder lernen, mit Gefahr umzugehen“, so Tina Sturm. Und vor Risiken kann man sich am besten in der Gruppe schützen. Deshalb achten die Erzieherinnen auch besonders darauf, dass sich etwa bei Ausflügen mit dem Bollerwagen kein Kind von den anderen absondert.
Nach einer Eingewöhnungszeit hätten die Eltern überraschende Veränderungen bei ihren Kindern festgestellt, so Sturm. Sie seien mutiger, ausgeglichener, kommunikativer und zeigten mehr Eigeninitiative. Und ein anderer Nebeneffekt stelle sich ein: Fast alle Eltern hätten ihrem Nachwuchs für die Waldkita größere Brotdosen gekauft. „Die Kinder haben einen viel größeren Appetit.“
Katzwinkel-Elkhausen. Seit fast einem Dreivierteljahr gibt es die Waldgruppe der Katzwinkeler Kita Löwenzahn. Kürzlich ging ein großer Wunsch der Kinder und Erzieherinnen in Erfüllung: ein regen- und windsicherer Unterstand.Schmucken Unterstand übergeben: Regenschauer schrecken Wald-Kita in Elkhausen nicht mehr