Im Beratungsbüro Familie & Beruf in Altenkirchen finden Frauen Unterstützung bei beruflicher Veränderung
Vom Denken ins Fühlen kommen: Verein unterstützt Frauen bei beruflicher Neuorientierung
Ein Block, ein Stift und ein nachdenklicher Blick aus dem Fenster: Im Beratungsprozess werden unter anderem auch Wünsche und Sehnsüchte formuliert. Foto: Anke Hollatz
Anke Hollatz

Altenkirchen. Ein neuer Lebensabschnitt steht an, Beruf und Freizeit wollen neu organisiert und vielleicht eine neue Berufung gefunden werden: Heidi Hahnemann aus Horhausen steht momentan genau vor solch großen Veränderungen. Da kam ihr eine Zeitungsanzeige vom Zentrum „Neue Kompetenz – Netzwerk Beruf“, das vom Verein Familie & Beruf in Altenkirchen getragen wird, genau recht. Sie richtete sich an Frauen, die Beratung suchen, um sich neu zu orientieren.

Heidi Hahnemann bewarb sich um einen Beratungsplatz, wurde angenommen und nach mittlerweile drei Gesprächen ist sie so begeistert von dem Programm, dass sie ihre guten Erfahrungen einfach teilen möchte, damit vielleicht auch weitere Frauen die Chance nutzen. Heidi Hahnemann möchte im kommenden Jahr in Rente gehen und eines steht für die Bildungsbeauftragte und Trauerbegleiterin jetzt schon fest: „Ich weiß schon lange, dass ich noch weiter Geld verdienen muss und dass ich auch noch etwas tun möchte.“

Viele Ideen schwirren der 64-Jährigen schon lange durch den Kopf. Die Angst, sich darin zu verzetteln, war unter anderem Antrieb, sich auf eine Beratung einzulassen. Und in dieser möchte sie Antworten auf Fragen, ob sie sich etwa selbstständig machen oder einen Minijob ausüben möchte, finden. Und eines ist ihr dabei ganz klar: „Ich möchte raus aus dem Terminkarussell.“ Und auf keinen Fall möchte sie Gefahr laufen, zu viele Aufgaben und Termine anzunehmen, weil sie als Rentnerin über einen größeren Zeitrahmen verfügt.

Die Beratung, die früher Wiedereinsteigerinnen vorbehalten war, steht nun allen Frauen, ganz gleich, ob sie mitten im Beruf stehen, einen Minijob ausüben oder in Teilzeit arbeiten, offen.

„Seit diesem Jahr ist die Zielgruppe erweitert worden. Genau dafür sind wir auch eingetreten. Nicht zuletzt hat auch Corona den Bedarf nach Unterstützung verstärkt“, weiß Anke Hollatz vom Beratungsbüro Familie & Beruf. Und so haben sich derzeit Frauen in einem Alter von 18 bis 64 für das Programm „Neue Chancen+“, angemeldet, um sich neu zu positionieren, Ziele für ihre berufliche Zukunft zu formulieren und umzusetzen. Und das geht auf ganz individuelle Weise. „Empowerment“, also Selbstbefähigung ist hier laut Anke Hollatz das Stichwort.

Die Sozialwissenschaftlerin und Moderatorin bietet mit ihrem Team in diesem Jahr bis zu 100 Frauen die Möglichkeit, ihre unterschiedlichsten Fragestellungen zu beleuchten. Ganz gleich, ob ein Wechsel des Arbeitsverhältnisses angestrebt wird, um besser Familie und Beruf unter einen Hut bringen zu können, mehr eigene Kompetenzen in Sachen Nachhaltigkeit zu verwirklichen oder einfach eine Erhöhung der Stundenzahl gewünscht wird, die Frauen, die das Beratungsbüro aufsuchen, kommen laut Anke Hollatz alle auf einen gemeinsamen Nenner: „Sie bringen Krisenerfahrung mit und möchten sich verändern.“

Ziel der Beratung, die vom EU-Sozialfonds und Frauenministerium gefördert wird und somit kostenlos für die Teilnehmerinnen ist, ist es, an die eigene Intuition zu kommen. „Die Frauen wissen unbewusst, wohin sie möchten. Unsere Aufgabe ist es, uns gemeinsam mit ihnen behutsam dahin vorzuarbeiten“, weiß Anke Hollatz. Und so fragt sie danach, wo die Energie, die Wünsche und die Sehnsüchte der Frauen stecken. Und nicht selten sei das für die Frauen schon spektakulär und verblüffend.

Auch Heidi Hahnemann war nach ihrem ersten Beratungsgespräch völlig euphorisch. Dass auch Wünsche, wie etwa auf einem Segelschiff von Portugal nach Holland zu reisen oder auf einer Alm zu arbeiten, dabei eine Rolle spielen würden, hatte die Horhausenerin nicht erwartet. Von der Euphorie stürzte Heidi Hahnemann dann ins Grübeln. Viele offene Fragen taten sich auf, und die Aufgabe „aus dem Denken ins Fühlen zu kommen“, machte ihr ganz schön zu schaffen. „Es wurde ein unglaublicher Prozess angestoßen“, sagt sie. Und etwas sei ihr dabei auch schon klar geworden: Ein fester 450-Euro-Job sollte es künftig sein. „Alles andere, was dazu kommt, sind Sahnehäubchen“, meint Hahnemann. Wie der Minijob aussehen und die Sahnehäubchen schmecken sollen, will sie in den nächsten Beratungsterminen herausfinden. Dazu gehört es auch, die eigenen Finanzen zu ordnen sich bewusst zu machen, was sie zum Leben braucht.

Laut der Erfahrung von Anke Hollatz dauert eine Beratung in der Regel bis zu einem halben Jahr, beratend unterstützt werden die Frauen bis in den Neueinstieg, um auch die Einarbeitungsphase gut zu gestalten. „Es ist wirklich spannend. Kein Fall gleicht dem anderen“, sagt Anke Hollatz.

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