Insolvenz DRK-Kliniken
Versicherungsschreiben sorgt für Unruhe
Nach dem Schreiben der RZVK ist die Unsicherheit unter den Beschäftigten der Krankenhäuser Kirchen, Altenkirchen und Neuwied gewachsen.
Daniel-D. Pirker

Ausgerechnet kurz vor Weihnachten wurden die Mitarbeiter der DRK-Krankenhäuser Kirchen, Altenkirchen und Neuwied darüber informiert, dass ihre Mitgliedschaft bei der Zusatzversorgungskasse endet. Was bedeutet das für die Beschäftigten?

Auch das noch: Müssen die Mitarbeiter der DRK-Krankenhäuser in Kirchen, Altenkirchen und Neuwied nicht nur die Folgen von inzwischen zwei Insolvenzverfahren ausbaden, sondern verlieren sie auch noch Teile ihrer tariflich vereinbarten Zusatzversorgung? Genau das droht ihnen, wie aus einem Schreiben der Rheinischen Zusatzversorgungskasse (RZVK) hervorgeht. Dieser Brief, der unserer Zeitung vorliegt, flatterte den Beschäftigten an den drei Standorten kurz vor Weihnachten in die Briefkästen.

„Wir teilen Ihnen mit, dass Ihre Pflichtversicherung bei der Rheinischen Zusatzversorgungskasse aufgrund der Beendigung der Mitgliedschaft Ihres Arbeitgebers, der DRK gemeinnützige Krankenhausgesellschaft mbH Rheinland-Pfalz, in der RZVK mit Ablauf des 31. Oktober 2023 geendet hat“, ist dort zu lesen. Und weiter: „Über die Höhe Ihrer persönlichen Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung bei der RZVK unter Berücksichtigung der Beendigung zum 31. Oktober 2023 werden wir Sie in Kürze durch eine Anwartschaftsmitteilung informieren. Sollten Sie nach dem 31. Oktober 2023 bereits eine oder mehrere Anwartschaftsmitteilungen erhalten haben, bitten wie Sie, diese als gegenstandslos zu betrachten.“

So weit das Schreiben. Aber was bedeutet das nun für die Mitarbeiter in diesen Häusern? Darüber haben wir mit dem Altenkirchener Juristen Ralf Käppele gesprochen, der den Betriebsrat der Einrichtung in der Kreisstadt mit seinem fachlichen Rat unterstützt. Zunächst einmal weist er auf den historischen Zuschnitt der Rheinprovinz hin, der bis heute zur Folge hat, dass die Beschäftigten an den Standorten Hachenburg (zählt zum Gebiet der Zusatzversorgungskasse für die Gemeinden und Gemeindeverbände in Wiesbaden) und Alzey (zählt zum Gebiet der Versorgungskasse Darmstadt) in diesem Punkt außen vor sind.

Das „Problem“ mit der RZVK sieht Käppele in einer zwischenzeitlichen Satzungsänderung der Kasse. Diese besagt, dass Neumitglieder privatrechtlich organisierter Arbeitgeber, und dazu zählt das DRK als Krankenhausträger, eine Sicherungsleistung erbringen müssen, um damit ein Insolvenzrisiko abzusichern. Neumitglied deshalb, weil die DRK-Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz mit der Eröffnung des ersten Insolvenzverfahrens am 1. November 2023 ihre Mitgliedschaft laut RZVK-Satzung beenden musste.

„Auch eine andere Gesellschaft als Krankenhausbetreiber stünde vor diesem Problem.“
Laut dem Altenkirchener Juristen Ralf Käppele müsste auch ein neuer Krankenhausbetreiber für die von der RZVK geforderte Sicherheitsleistung über 220 Millionen Euro aufkommen.

Das stellt auch der von der RZVK beauftragte Rechtsanwalt Frank Wilke auf Anfrage unserer Zeitung heraus. Der Jurist betont mit Verweis auf die Satzung der Versorgungskasse auch: Die Mitgliedschaft sei nicht rückwirkend beendet worden. Eine Fortführung der Mitgliedschaft nach überstandener Insolvenz wäre so einfach also nicht möglich, die Sicherheitsleistung wäre in jedem Fall fällig. Laut Käppele, der auch Kreistagsmitglied ist, steht ein Betrag von 220 Millionen Euro im Raum – Geld, das dem Träger fehlt und das letztlich dann auch zu der zweiten Insolvenz geführt hat. „Auch eine andere Gesellschaft als Krankenhausbetreiber stünde vor diesem Problem“, so der Altenkirchener Jurist.

Doch die Angelegenheit ist noch verzwackter. Mit der vorläufigen Insolvenzeröffnung im August 2023 hat die Bundesagentur für Arbeit für drei Monate die Lohnzahlungen an die Beschäftigten übernommen, nicht aber die Beiträge für die Versorgungskasse. Mit Start des offiziellen Verfahrens in Eigenverantwortung am 1. November 2023 hat der Träger dann wieder Beiträge an die RZVK abgeführt, ohne faktisch Mitglied zu sein. Versorgungspunkte wurden den Beschäftigten ab diesem Zeitpunkt nicht gutgeschrieben, wie der von der RZVK beauftragte Anwalt Wilke bestätigt.

„Wer in ein Insolvenzverfahren geht, muss wissen, welche Probleme auf ihn zukommen.“
Ralf Käppele wirft dem DRK Blauäugigkeit vor.

Wieso aber führte der Krankenhausträger trotzdem weiterhin Beiträge ab? „Wahrscheinlich hatte man die Hoffnung, mit der RZVK eine Einigung zu erzielen, was wohl mit den beiden anderen Versorgungskassen in Wiesbaden und Darmstadt einfacher möglich war“, kommentiert Ralf Käppele das Vorgehen. Der Jurist kann dabei nicht nachvollziehen, dass der Träger sich aktuell über die Entwicklung überrascht zeigt. „Wer in ein Insolvenzverfahren geht, muss wissen, welche Probleme auf ihn zukommen“, spricht er von einer gewissen Blauäugigkeit. „Man hätte nur vorher die Satzung lesen müssen“, führt er fort.

Hat die DRK-Krankenhausgesellschaft nach dem 31. Oktober 2023 also wirkungslose Zahlungen an die RZVK veranlasst, wie das Schreiben der Kasse an die Beschäftigten nahelegt? Wem stehen die Gelder jetzt zu? Ralf Käppele zitiert hier europäische und deutsche Rechtsprechung, wonach Gelder, die noch in der insolventen Firma sind, in die Insolvenzmasse fließen. „Hier liegt der Fall aber anders“, betont er. „Wenn die RZVK das Geld, wie zu erwarten, zurückzahlt – verschwindet es dann auch in der Insolvenzmasse oder können die Mitarbeiter eine Aussonderung verlangen?“, fragt der Fachmann.

Antworten auf Fragekatalog stehen noch aus

Wenig Optimismus macht dem Betriebsrat in Altenkirchen hier die Antwort des vorläufigen Insolvenzverwalters Rainer Eckert auf eine Anfrage. Er wolle das Geld, das die RZVK nicht annehme, zur Insolvenzmasse ziehen, zitiert Käppele die Reaktion. Ausführliche Antworten Eckerts auf einen ganzen Fragenkatalog des Betriebsrats stehen demnach noch aus. Für Käppele wäre es allerdings die sauberste Lösung, das zurückfließende Geld auf einem eigens dafür eingerichteten Konto zu belassen, bis eine endgültige (notfalls juristische) Klärung herbeigeführt sei.

Doch über wie viel Geld reden wir? Die Rechnung, die Ralf Käppele aufmacht, kann nach eigenen Angaben nur eine „grobe Schätzung“ sein. „Wenn ein Mitarbeiter im Durchschnitt 50 Euro im Monat von seinem Bruttogehalt über den Arbeitgeber an die RZVK abführt, so macht das bei 1500 Beschäftigten an den Standorten Kirchen, Altenkirchen und Neuwied zwischen dem 1. November 2023 und der zweiten Insolvenz rund 1 Million Euro aus“, rechnet er vor. Was das später für die Betriebsrente des Einzelnen bedeutet, lässt sich für den Juristen von außen nur schwer ermitteln. Als Mitarbeiter selbst die Beiträge aus der eigenen Tasche an die RZVK abzuführen, um bei der Anwartschaft nichts einzubüßen, ist laut Käppele nicht möglich. Mitglied bei der RZVK könnten nur Kommunen oder privatrechtlich organisierte Arbeitgeber sein.

Ungeklärt ist demnach auch noch die Frage, wie es um die Zusatzversorgung derer bestellt ist, die mittlerweile nach Hachenburg gewechselt sind und damit tariflich einer anderen Versorgungskasse angehören. „Hat es hier Überleitungen von Geldern in Richtung Wiesbaden gegeben? Wäre das nicht eine Ungleichbehandlung von Beschäftigten?“, so Käppele abschließend.

Das Schreiben der RZVK hat die Unsicherheit bei den Beschäftigten also nicht nur vergrößert, auch viele Fragen sind noch offen. Auch der Gesamtbetriebsrat könne die rechtliche Situation und die Folgen für die bei der Versorgungskasse versicherten Mitarbeiter nicht abschätzen. Die stellvertretende Gesamtbetriebsratsvorsitzende Bianca Ginsberg erklärt unserer Zeitung, dass es über Weihnachten und Neujahr keine Sitzungen gegeben habe. Klar ist aus Sicht des Gesamtbetriebsrats: Die Verunsicherung sei groß unter den Mitarbeitern. Doch weiterhin gingen sie ihren Pflichten nach und versorgten die Patienten zuverlässig. „Sie machen ihren Job“, so Ginsberg.

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