Zwischen Artenschutz und Jagd
Uneinigkeit über mögliche Wolfsabschüsse im Westerwald
Solche Plakattafeln sieht die Naturschutzinitiative als Beitrag zur aktuellen Diskussion.
Markus Kratzer

Wie soll in relativ dicht besiedelten Regionen mit dem Wolf umgegangen werden? Die wachsende Population der Tiere zieht zunehmende Diskussionen nach sich.

Seit Monaten sorgt die Rückkehr des Wolfes auch im Westerwald für Diskussionen. Vor allem die Tatsache, dass einzelne Tiere Herdenschutzzäune überwinden und Schafe, Ziegen und andere Nutztiere reißen, mobilisiert die Gegnerschaft. Jetzt hat die Landespolitik ein Einlenken signalisiert und will den bislang streng geschützten Wolf ins Jagdrecht aufnehmen. Die Reaktionen fallen erwartungsgemäß uneins aus.

„Zunächst einmal ist es wichtig, dass die Politik wach geworden ist und einen ersten Schritt in die richtige Richtung gemacht hat“, kommentiert Klaus Koch, Leiter des Hegerings Hachenburg, den Vorstoß von Ministerin Katrin Eder. Dennoch bleiben für den Pächter des Jagdreviers der Ortsgemeinde Wied Fragen. „Wieso zweifelt die Politik an der Kompetenz der Jägerschaft? Sie sorgt doch letztlich für einen ökologischen Ausgleich in Wald und Feld“, betont er auf Anfrage unserer Zeitung. Kritik übt er auch an der Naturschutzinitiative (NI) und ihrem Vorsitzenden. „Wieso können diese Harry Neumanns und selbst ernannten Naturschützer dieser Welt immer wieder gegen Entscheidungen der Struktur- und Genehmigungsdirektion und deren Oberer Jagdbehörde Einspruch einbringen beziehungsweise Klage einreichen? Anschließend lassen sie sich dann für ihre gerichtlichen Erfolge feiern, ohne wohl zu wissen, welche negativen Auswirkungen das für die heimischen Nutztierhalter und die Jagd hat“, wird Koch deutlich. Konkret nennt er in diesem Zusammenhang die Rücknahme eines bereits genehmigten Wolfsabschusses, die Auseinandersetzung um Wolfshinweisschilder im Wald von Wied und das Verhindern von wichtigen Struktur- und Bauprojekten.

„Die Akzeptanz für den Wolf lässt sich nur durch eine Begrenzung der Anzahl sichern.“
Altenkirchens Landrat Peter Enders

Positiv reagiert der Altenkirchener Landrat Peter Enders auf das Signal aus Mainz: „Ich begrüße diesen Schritt ausdrücklich, daraus habe ich nie einen Hehl gemacht.“ Und fügt hinzu: „Angesichts der wachsenden Zahl an Rissen und berechtigten Sorgen der Menschen ist es Zeit, hier zu handeln.“ Es bedeute ja nicht, dass jeder Wolf abgeschossen werden dürfe. „Die Akzeptanz für den Wolf lässt sich nur durch eine Begrenzung der Anzahl sichern“, ist Enders überzeugt.

Zustimmung kommt auch vom Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau (BWV) sowie der Interessengemeinschaft der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer (IGJG). „Der Wolf scheint die Scheu vor dem Menschen verloren zu haben, da er auch in Ställe eindringt“, erklärt BWV-Präsident Marco Weber. Die neue Bundesregierung müsse dafür sorgen, dass auch der Schutzstatus des Wolfs durch die Europäische Union abgesenkt werde. Bund und Länder müssten dann praktikable Vorgaben für ein wirkungsvolles Bestandsmanagement und zur Entnahme auffälliger Wölfe erarbeiten.

Reaktion aus der Landwirtschaft

Josef Schwan, Vorsitzender des Bauernverbandes im Kreis Altenkirchen und zugleich IGJG-Vorsitzender sagt: „Für die in vielerlei Hinsicht wichtige und wertvolle Weide- und Nutztierhaltung ist die Aufnahme des Wolfs in das Jagdrecht ein richtiger erster Schritt. Dass in dieser Frage mit der steigenden Zahl an Wölfen im Land ein Umdenken im Umweltministerium Platz gegriffen hat, ist vielen Akteuren im ländlichen Raum zu verdanken, die sich mit guten Gründen dafür stark gemacht haben.“

Für die Kriterien zur Regulierung von Wölfen werde es in Zukunft wichtig sein, so Schwan, dass regionale Gegebenheiten in der Beurteilung mit großem Gewicht berücksichtigt werden. „Damit meine ich zum Beispiel Art und Umfang der Weidetierhaltung in einer Region, Landnutzung, Geländeformation und Siedlungsstruktur und -dichte. Nur so kann gewährleistet werden, dass den berechtigten Ansprüchen der Weidetierhaltung, der betroffenen Ortsgemeinden sowie des Naturschutzes jeweils angemessen Rechnung getragen wird.“

Was sagt die Bürgerinitiative?

Bianca Belleflamme von der Bürgerinitiative Wolfsprävention Westerwald schreibt: „Mit der Aufnahme des Wolfs in das Jagdrecht sendet Umweltministerin Eder ein wichtiges Signal an die ländliche Bevölkerung sowie Haus- und Weidetierhalter. Zwar ändert sich dadurch vorerst nichts an der kritischen Situation, doch Rheinland-Pfalz ist vorbereitet, sobald die FFH-Richtlinie auf EU-Ebene angepasst und das Bundesnaturschutzgesetz entsprechend geändert wird. Fazit: Rheinland-Pfalz zeigt sich bereit, seine Hausaufgaben zu machen.“

Gegen die Bejagung des Wolfes

Ganz anderer Meinung ist die Naturschutzinitiative (NI) mit Sitz in Vielbach im Westerwaldkreis, die die Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht ablehnt. „Wenn Ministerin Eder mit dem neuen Jagdgesetz die Wälder schützen möchte, ist gerade der Wolf ein wichtiger Verbündeter“, heißt es in einer Pressemitteilung. Der Wolf als geschützte Art befinde sich nach wie vor in einem schlechten Erhaltungszustand, und die Aufnahme in das Jagdrecht sei ein völlig falsches Signal. Dies führe nicht automatisch zu einer höheren Akzeptanz bei Tierhaltern und Jägern, so Gabriele Neumann, NI-Projektleiterin Großkarnivoren.

Nach NI-Ansicht gefährden Wölfe nicht die Weidetierhaltung. „Spannungen sind möglich, aber Herdenschutz, den wir für zentral halten, vermindert Risiken“, heißt es. Gabriele Neumann verweist auf eine Klage von mehr als 70 europäischen Naturschutzverbänden, die diese vor Kurzem beim Europäischen Gerichtshof (EUGH) eingereicht haben – mit dem Ziel, die Herabstufung des Wolfes in der Berner Konvention von „streng geschützt“ auf „geschützt“ für rechtswidrig zu erklären. Diese Klage wird auch von der NI unterstützt. Generell gibt sich der Verein entschlossen: „Wir werden daher, sollte der Wolf in das Jagdrecht aufgenommen werden, alle möglichen rechtlichen Schritte dagegen in die Wege leiten.“

Auch der Naturschutzbund Nabu lehnt die Aufnahme des Wolfes in das Jagdrecht ab. Harry Sigg, einer der drei Vorsitzenden der Nabu-Kreisgruppe Altenkirchen, spricht von „Aktionismus“ und betont, es werde damit weder den Weidetierhaltern wirtschaftlich geholfen noch trage dies den strengen rechtlichen Schutzvorgaben für den Wolf in der Europäischen Union und in Deutschland Rechnung. Sigg: „Erwartet wird wohl eine leichtere Einbindung der Jägerschaft in das Wolfs-Management. Allerdings nehme ich persönlich an, dass nur wenige Jäger bereit sind, Wölfe zu bejagen. Ich bezweifle auch, dass eine gesetzeskonforme Bejagung durch Hobby-Jäger möglich ist.“

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