Kreisverwaltung sucht zwei Wochen nach Lösung - Schlüssel zu barrierefreiem Weg in Turnhalle Gebhardshain zunächst keine Möglichkeit
Trotz barrierefreiem Zugang in Gebhardshain: Rollifahrer soll über Schotter zum Tanzkurs
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Anne Krawinkel (links) und Achim Reifenrath (2. von links) tanzen gemeinsam bei der SG Westerwald in Gebhardshain. Den Kurs leiten das Trainerpaar Claudia und Holger Wäschenbach (rechts). Fotos: Maja Wagener
Alica Kaiser

Anne Krahwinkel und Achim Reifenrath, der im Rollstuhl sitzt, möchten an einem Sonntags-Tanzkurs in Gebhardshain teilnehmen. Die Trainerin sagt zu, die Schulturnhalle ist barrierefrei zugänglich, alles scheint einfach. Doch nein: Der Schlüssel könne nicht herausgegeben werden, sagt die Kreisverwaltung Altenkirchen zunächst und schlägt dem Rollifahrer zum Teil gefährliche Wegalternativen vor.

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Als sie von dem Tanzkurs in Gebhardshain gelesen habe, habe sie sich gefreut, erzählt Anne Krahwinkel. Sie und ihr Partner Achim Reifenrath, der seit einem Sportunfall mit dem Rad vor acht Jahren im Rollstuhl sitzt, hätten nach einem Sport gesucht, den sie zusammen betreiben können. Das ist hier möglich: Die Westerwaldschule und auch die Turnhallen in Gebhardshain sind barrierefrei zugänglich.

Die Sporthalle, in der die Sportgemeinschaft Westerwald (SGW) mit Tanztrainerin Claudia Wäschenbach Kurse anbietet, liegt im ersten Stock. Von außen ist sie nur fußläufig über zum Teil hohe Treppen zu erreichen, doch es gibt einen Aufzug in der Schule. Der fährt auf das passende Stockwerk im Schulgebäude; ein überdachter Gang im Freien führt dann auf selber Ebene zur Turnhalle.

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Diesen schmalen, steilen Weg sei von der Behörde unter anderem als Zugang zur Turnhalle vorgeschlagen worden – anstelle des barrierefreien Wegs über den Aufzug in der nebenan gelegenen Westerwaldschule.
Maja Wagener

All das wusste die Ergotherapeutin aus Wissen. „Weil der erste Gedanke immer ist: Kommen wir da rein?“, sagt sie. Nachdem sie mit Claudia Wäschenbach gesprochen habe, die sich freute, ein Paar mit Rollstuhl aufnehmen zu können, habe sie den ehemaligen Hausmeister der Westerwaldschule in Gebhardshain angerufen, den sie kenne, berichtet Anne Krahwinkel weiter. Der habe gesagt, das sei kein Problem, erinnert sich die 45-Jährige. Doch dann sei es schwierig geworden.

Bei einem Antrag am 25. März sei es darum gegangen, ob es eine grundsätzliche Möglichkeit für einen Rollstuhlfahrer gebe, barrierefrei in die Sporthalle zu gelangen, um dort ab dem 7. April an einem Tanzkurs teilnehmen zu können, schildert Andreas Schultheis, Pressesprecher der Kreisverwaltung Altenkirchen, den Sachverhalt. „Von einem Schlüssel war zu diesem Zeitpunkt nicht die Rede“, benennt Schultheis den späteren Zankapfel.

Bereits am Folgetag sei ein Ortstermin erfolgt, um Lösungsmöglichkeiten auszuloten. „Dabei wurde zunächst die Variante besprochen, einen Schlüssel auszugeben, so dass man durch das Schulgebäude zur Halle gelangen könnte“, berichtet der Pressesprecher und weiter: „Allerdings ging man zu diesem Zeitpunkt nach Rücksprache mit dem Hausmeister davon aus, dass es nur Generalschlüssel für die gesamte Anlage gibt, mit der das komplette Schulgebäude zugänglich ist.“ Solche Schlüssel extern zu vergeben, sei grundsätzlich nicht üblich. „Daher wurde eine solche Lösung nicht weiter verfolgt“, so Schultheis.

Kreisverwaltung schlug steilen Schotterweg als Alternativzugang vor

Gemeinsam mit der Schule sei dann überlegt worden, ob die Zufahrt von außen über den Weg geeignet sei, um ohne Umwege direkt an die Turnhalle heranzufahren. Den nutzten auch Straßenmeisterei und Feuerwehr, so der Sprecher. Dass es sich dabei zum Teil um einen unbefestigten, steilen Schotterweg handelt, schien keinen der Ortsbeteiligten zu stören. „Das erschien zum damaligen Zeitpunkt die einfachste Lösung“, erklärt die Kreisverwaltung dazu.

Den Weg durchs oberhalb gelegene Stadion, mit dem Auto über den Sportplatz und durch die Sprunggrube, und dann einen schmalen Weg hinab zum Übergang zur Turnhalle, hatte der Geschäftsführer der SGW, Markus Solbach, bereits von vorneherein ausgeschlossen. Auch den neuen Vorschlag der Verwaltung lehnte er als nicht praktikabel ab. „Wir haben dann intern noch einmal Kontakt mit dem Hausmeister und dessen Vorgänger gehabt, um Alternativen zu überlegen, wobei sich herausstellte, dass es doch eine Lösung mit eigenem Schlüssel geben kann“, berichtet der Pressesprecher des Kreises weiter. Allerdings seien alle Beteiligten bis dahin davon ausgegangen, dass es keine separaten Aufzugschlüssel gebe.

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Dieser unbefestigte Schotterweg war die eine weitere Variante. Er führt auf die Empore zur Turnhalle und sollte mit dem Auto zurückgelegt werden, erklärten die Beteiligten.
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„Tatsächlich gibt es diese eben doch, so dass die Kollegen direkt am 5. April ein Schlüsselübergabeprotokoll geschrieben und an die SG Westerwald, Herrn Solbach, sowie an die Tanztrainerin geschickt haben, um noch kurz vor dem Wochenende, nämlich konkret am gleichen Tag, dem 5. April, die Schlüsselübergabe durchzuführen und sicherzustellen, dass die betroffene Familie ohne große Umstände an dem am 7. April beginnenden Tanzkurs teilnehmen konnte“, zeigt Schultheis das Engagement der Behörde auf.

„Ich habe zwei Wochen von Hinz nach Kunz telefoniert“, erinnert sich Anne Krahwinkel an die 14 Tage. Mit der Kreisverwaltung, mit dem Bauhof, mit dem Geschäftsführer der SGW, zählt die Wissenerin auf – und schließlich mit dem Schulleiter. „Problemlöser war Ralph Meutsch“, sagt SGW-Geschäftsführer Markus Solbach. Er habe unterstützt, dass der Herr an den Tanzkurs teilnehmen könne, bestätigt der Rektor der Westerwaldschule: „Mein Part war, dass ich das befürworte und dass das möglich gemacht wird.“ Die Sache habe eine gute Auflösung gefunden. Tatsächlich hat Claudia Wäschenbach die Schlüssel erhalten, mit der strengen Auflage, sie keinesfalls weiterzugeben.

Das ist bei vielen Dingen so, dass es erst einmal nicht geht und dann geht es doch.

Anne Krahwinkel und Achim Reifenrath

Doch Anne Krahwinkel und Achim Reifenrath erleben so etwas nicht zum ersten Mal. „Egal, wo man hinsieht, es ist schwierig“, erzählen die beiden und die Ergotherapeutin führt weiter aus: „Das ist bei vielen Dingen so, dass es erst einmal nicht geht und dann geht es doch.“ Sie sehe das jeden Tag; Menschen mit Behinderung zögen sich daraufhin zurück und seien nicht mehr sichtbar. Denn viele hätten nicht die Energie, immerzu zu kämpfen. „Wir sind da so ein bisschen der spitze Stein im Schuh“, sagt sie.

Dabei ist das Recht auf Teilhabe für Menschen mit Behinderung im Grundgesetz festgeschrieben. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden, heißt es dort. „Warum muss sich ein Rollifahrer zum Bittsteller machen?“, ärgert sich auch Tanztrainerin Claudia Wäschenbach. „Die Problematik hätte wesentlich schneller gelöst werden können“, bringt es Markus Solbach von der SGW auf den Punkt.

In dem Verein fühlen sich die Wissenerin und der Naurother gut aufgehoben. Claudia Wäschenbach hatte sich mit dem Deutschen Rollstuhl-Sportverband in Verbindung gesetzt und sich auf Tanzen mit Rolli vorbereitet. Nun bewegen sich Anne Krahwinkel und Achim Reifenrath in Gebhardshain gemeinsam im Takt der Musik und sind dabei ein Paar unter vielen.

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