Mit der Anbringung der Infotafeln durch den städtischen Bauhof unter Federführung seines Leiters Georg Happ wurde der Startschuss gesetzt für die Realisierung des historischen Spazierwegs in Kirchen. Der Heimatverein bietet schon längst entsprechende Führungen an, doch mithilfe der Schilder könne man sich die Geschichte der Stadt auch selbst erschließen, erklären Vereinsvorsitzender, Hubertus Hensel, und der Tourismusbeauftragte, Sven Wolff, bei einem Vor-Ort-Besuch. Insgesamt sind laut den beiden bereits 26 Infoschilder produziert und warten darauf, an den historisch prägnanten Stellen in der Stadt angebracht zu werden.
Wieso man sich als Erstes für die beiden Villen Otto Stein (Hauptstraße 21) und Justus Kraemer (Hauptstraße 25) entschieden hat? „Es sind die schönsten Häuser in Kirchen“, so die Erklärung von Johannes Pfeifer, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Heimatvereins. Und tatsächlich: Die 1881 beziehungsweise 1816 erbauten Gebäude, die sich mittlerweile im Besitz von Siegfried Ermert befinden, atmen nicht nur Lokalgeschichte, sondern stellen auch Blickfänge dar. Die kurzen Erklärtexte geben dem interessierten Betrachter einen kurzen historischen Überblick, aber dabei haben es die Verantwortlichen vom Heimatverein und der Verwaltung nicht gelassen. Mittels QR-Code kann man sich auf dem Smartphone zu weiterführenden Infos auf der Plattform QR-Kultur leiten lassen. Laut Wolff sei hier besonders herauszustellen, dass man stets zu den richtigen Seiten weitergeleitet werde, unabhängig davon, ob deren Inhalt angepasst worden ist.
Infotafel machen Aufbrauchzeiten greifbar
Im Fall der Villa Otto Stein machen die Infotafel und der weiterführende Text im Internet wirtschaftliche Aufbruchzeiten für den Betrachter greifbar. Erbaut wurde das Gebäude von Theodor Stein, dem Besitzer der Grube Bindweide in Steinebach, für seinen Sohn Karl Otto Stein, der den Ottoturm in Herkersdorf finanziert hat. Der war wiederum mit Anna Dorothea Jung verheiratet, einer Tochter aus der Kirchener Unternehmer-Familie Jung. Nach dem Krieg wurde das Gebäude bis 1948 von den Franzosen genutzt. Bis 1984 wohnte eine der Töchter Otto Steins in der Villa: Helene Margarethe, die mit dem Pfarrer Eduard Schumacher, verheiratet war.
Der Name Jung spielt auch eine Rolle in der Geschichte des anderen nun mit einer Info-Tafel bestückten Gebäudes, wenige Meter Siegtal-aufwärts: der Villa Justus Kraemer. An deren Stelle befand sich in früheren Zeiten der Gerichtsplatz Kirchens. Am 11. März 1785 wurde hier das letzte hochnotpeinliche Halsgericht vollzogen, also Folter als legales Mittel zur Geständnisgewinnung eingesetzt.
Tausende Teilnehmer versammeln sich
Anlässlich des Ereignisses sollen 6000 Teilnehmer auf der oberhalb des Ortes gelegenen Anhöhe der „Pracht“, dem Galgenberg, zusammengekommen sein. Nach jahrelangen Streitereien wurde Lorenz Jung, ein Sohn des Johann Christian Jung, Besitzer des Gerichtsplatzes und erbaute dort ein Wohnhaus. Kreisgerichtsrat Karl Franz Heinrich Sames baute schließlich die Villa, die in das Eigentum von Justus Kraemer übergehen sollte, der mit Emma Jung verheiratet war, einer Schwester von Arnold Jung, des Gründers der Kirchener Lokomotiv-Fabrik, dessen bis heute genutztes Firmengebäude in Kirchen für den Wandel der regionalen Wirtschaft steht.