Flammersfeld
Teil 8: Die Flammersfelder essen Brut mit Bodder

Helga Strunk (89), die Mutter der Ortsbürgermeisterin von Flammersfeld, spricht für die RZ eine Hörprobe in der Mundart ihres Dorfes.

Sabrina Rödder

Flammersfeld. Wer isst morgens nicht gerne Omschnitt? Oder abends? Oder zwischendurch? Mit Butter bestrichen und Käse belegt? Auch Brut oder Stöck könnte man dazu sagen. Natürlich gibt es auch Leute, die lieber ein Schössjen essen - ebenso mit Käse oder Wurst belegt.

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Von unserer Reporterin Sabrina Rödder

Helga Strunk (89), die Mutter der Ortsbürgermeisterin von Flammersfeld, spricht für die RZ eine Hörprobe in der Mundart ihres Dorfes.

Sabrina Rödder

Die Flammersfelder wissen sofort, worum es sich bei einem (oder einer?) Omschnitt handelt: um eine Scheibe Brot. Und bei dem Schössjen um ein Brötchen. Neben diesen Kuriositäten verbirgt der Flammersfelder Dialekt noch weitere – mehr dazu im achten Teil unserer Mundartserie.

Bekommt zum Beispiel ein Flammersfelder Besuch von seinem Elkenrother Bekannten, dann ist dieser bestimmt schnell bet, also abgekämpft. Viel zu genau muss er hinhören, um die Mundart zu verstehen, und muss Wörter oder sogar ganze Sätze ins Hochdeutsche übersetzen. Dabei ist der Dialektsprecher wahrscheinlich gar kein Dreivedels-Hären. Vielmehr hat er die Mundart von Geburt an im Blut und ist daher alles andere als ein Angeber. Womöglich ist es so, dass er seinen Dialekt gar nicht ohne Weiteres ablegen kann. Und auch seine Familie und seine Nachbarn sprechen alles andere als Hochdeutsch – dabei stößt man auch in Flammersfeld immer wieder auf kölsche Einflüsse. Die Dorfbewohner sagen sicher zu sich selbst: Mer sen ins draan jewennd. Gewöhnt daran sind sie bestimmt – zumindest anders als der Besuch aus Elkenroth.

Aber wieso überhaupt „sen“ uns dran gewöhnt? In der Zeitform Perfekt heißt es doch „haben“ uns dran gewöhnt. Mit dem Hilfsverb „sind“ werden in der Regel nur die Verben der Bewegung gebildet – zum Beispiel gehen und fahren – also: Ich bin gegangen, du bist gefahren. Die Verben essen, schlafen oder auch gewöhnen werden hingegen mit dem Hilfsverb „haben“ gebildet: Ich habe gegessen, du hast geschlafen, er hat sich gewöhnt.

Der Linguist Gerhard Augst stellt im Dialektwörterbuch der Verbandsgemeinde Flammersfeld verschiedene Landkarten zusammen, auf denen die Verbreitung von Lauten zu sehen ist. Darauf wird deutlich, dass die Verbandsgemeinde bei der Aussprache von verschiedenen Wörtern durch eine von Westen nach Osten verlaufende Linie geteilt ist. Die Grenze liegt zwischen Rott und Oberlahr – wobei die Ortsgemeinde Flammersfeld auf die Seite von Rott gehört. Hier sagen die Mundartsprecher zum Beispiel Brorer statt Bruder und Lerer statt Leder. Bei den Substantiven wird also der Konsonant d durch den Konsonanten r ersetzt. Augsts Sprachgrenze gilt auch für Pronomen, die mit dem Konsonanten w beginnen.

Im nördlichen Teil, also auch in Flammersfeld, heißt es wer, wie, wo. Im südlichen hingegen ber, bie, bo. Die Substantive Apfel und Butter, aber auch die Verben schalten und schenken erfahren eine Erweichung ihrer Konsonanten: Die Leute nördlich der Linie sagen am Frühstückstisch nicht Butter, sondern Bodder, beißen nicht genüsslich in einen Apfel, sondern in einen Abbel. Außerdem stolbern und schenggen sie statt zu stolpern und schenken – wie es die Menschen südlich der Linie tun. Bei so vielen Verschiebungen und Änderungen muss der Elkenrother bestimmt döggeser, also öfter, nachfragen, was ihm sein Bekannter aus Flammersfeld sagen will.

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