Im Veranstaltungssaal der Brucher Unterkirche reihen sich an diesem Vormittag zahlreiche Stühle aneinander. Letztlich werden nur wenige besetzt sein. Was dem Wesen dieser besonderen Zusammenkunft jedoch keinen Abbruch tut. In Rom findet die Beisetzung von Papst Franziskus statt. Pastoralassistentin Elisabeth Berwanger hat eine gemeinschaftliche Übertragung des Live-Streams initiiert. „Wir möchten diesem Abschied in Gemeinschaft beiwohnen“, erläutert sie ihre Beweggründe.
Im Saal, wo ein Projektor die Zeremonie an die Wand wirft, herrscht – von Moderatorenkommentaren abgesehen – ehrfürchtige Stille. Jeder der etwa zwölf Gäste, die sich zum gemeinsamen Miterleben der Beisetzung versammelt haben, pflegt eine individuelle, tiefgreifende Beziehung zu Jorge Mario Bergoglio – wie das verstorbene Kirchenoberhaupt mit bürgerlichem Namen hieß.
„Ein unkomplizierter Mensch ohne Schnickschnack.“
Teilnehmerin Susanne Leber über Papst Franziskus
Welche Strahlkraft Franziskus entfaltete, kristallisiert sich in den Gesprächen mit den Anwesenden heraus. Darunter befinden sich nicht ausschließlich tief Gläubige wie Johannes Kipping, der eigens aus Herdorf an diesem Vormittag nach Bruche gepilgert ist. Susanne Leber gesteht unumwunden, dass sie nicht an Gott glaube. Der Institution Kirche gehört die Co-Sprecherin der Kreis-Grünen dennoch nach wie vor an, wie sie betont. Sie möchte die Institution trotz ihrer Schattenseiten stützen. Die persönliche Bedeutung des Papstes verdeutlicht sie im Vergleich mit dessen Vorgänger. Franziskus erschien ihr sympathischer, nahbarer und erdverbundener – „ein unkomplizierter Mensch ohne Schnickschnack“. Diese Authentizität habe sich auch auf seinem letzten Weg manifestiert. Besonders deutlich würde dies in der Trauerpredigt des italienischen Kardinals Giovanni Battista Re. Zu Lebzeiten habe sich dies Leber zufolge auch darin gezeigt, wie Franziskus das Credo „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ verkörperte. Auch deswegen habe sie als Mitglied der Grünen eine Verbindung zum Papst aufbauen können.
Für den 29-jährigen Johannes Kipping verkörpert die Zeremonie ein historisches Ereignis, „weil jemand gestorben ist, der weltweit die Menschen begeistern konnte.“ Franziskus habe sich durch seinen kritischen Blick auf unsoziale und umweltschädliche Entwicklungen der Wirtschaft ausgezeichnet. Er habe nicht nur Position bezogen, sondern auch Orientierung zu existenziellen Fragen geboten und sich dem Sinn des Lebens gewidmet. „Diese Themen bewegen auch unsere Generation.“ Wie auch die anderen Gesprächspartner unter den Besuchern der Unterkirche würdigt der Herdorfer das Engagement des Papstes für die Benachteiligten, die auf seinen Wunsch bei der Beisetzungsfeier zugegen waren. Susanne Lebers Ehemann Günther, ebenfalls unter den Live-Stream-Zuschauern, erkennt in dieser Haltung einen Kernaspekt gelebten Glaubens. Zudem betont er: „In dieser Welt, die uns gegenwärtig umgibt, hat er Hoffnung verbreitet.“
Gläubige hoffen auf Fortsetzung Franziskus-Kurses
Doch was – oder präziser: wer – wird folgen? Für Susanne Leber verkörpert ein Papst nach wie vor eine Autorität, deren Stimme weltweit Gehör findet – „zumindest theoretisch.“ Sie würdigt Franziskus’ Bestreben, die Kirche zu reformieren, wenngleich er dabei zum Scheitern verurteilt gewesen wäre. Auch die übrigen Teilnehmer der Veranstaltung erhoffen sich eine Fortsetzung des vom verstorbenen Papst eingeschlagenen Kurses. Johannes Kipping setzt darauf, „dass die Zeichen der Zeit erkannt werden und der Nachfolger ein Papst für alle wird“. Vielleicht ist diese Hoffnung nicht unbegründet, folgt man den Worten Georg Bätzings. Der aus Niederfischbach stammende Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz deutet es als Fingerzeig für die bevorstehende Papstwahl, dass Kardinal Re das teilweise unkonventionelle Wirken des Papstes zum Mittelpunkt seiner Predigt erhoben hat.