Die Pläne für ein großes Nahwärmenetz in Wissen werden ad acta gelegt. Vor allem wirtschaftliche Gründe sprechen gegen eine Verwirklichung des Energieverbundes, der sowohl das Siegtalbad als auch die Stadionhalle, Kita Lummerland sowie Schulen und Wohnhäuser am Alserberg hätte umfassen sollen.
Diesem Ergebnis einer Machbarkeitsstudie schlossen sich in einer gemeinsamen Sitzung der Haupt- und Finanzausschuss der Verbandsgemeinde Wissen und der Aufsichtsrat der Stadtwerke Wissen an. Ausgiebig hatte zuvor Michael Münch von der Transferstelle Bingen, die mit dem Nahwärme-Konzept beauftragt worden war, die notwendigen Zahlen und Fakten präsentiert.
Abwärme aus dem Siegsammler?
Demnach kommen statt des kalten Nahwärmenetzes eher dezentrale Lösungen infrage – mal mit Erdbohrungen (Sole/Wasser-Wärmepumpen), mal ohne (Luft/Wasser-Wärmepumpen). Seit rund einem Monat läuft zudem eine zusätzliche Messreihe der Stadtwerke Wissen, die zeigen soll, ob sich das Abwasser im Siegsammler zur Energiegewinnung eignet und eventuell als ergänzende Alternative zur Verfügung stünde. Durch dieses 70 Zentimeter dicke Rohr fließt fast das gesamte Abwasser aus der Verbandsgemeinde Wissen (außer Katzwinkel) zur Kläranlage bei Au/Sieg. Vorwiegend geht es hier um Temperatur und Durchflussmenge.
Einleuchtende Erklärungen für die Abkehr von der großen Quartier-Wärmenetzlösung, so war der Präsentation des Experten zu entnehmen, bestehen in der notwendigen Leitungslänge und in der Topografie, denn es müsste erhebliche Pumpleistung aufgewendet werden, um den Wärmeträger zu den höher gelegenen Gebäuden zu transportieren. Zudem, so gibt Stadtwerke-Geschäftsführer Dirk Baier zu bedenken, sei nicht sicher, wie viele Hausbesitzer im Wohngebiet Altbel sich an der zentralen Lösung beteiligen würden. Hier, ebenso wie für die Wohnhäuser in der Stadionstraße, empfiehlt die Machbarkeitsstudie Luft/Wasser-Wärmepumpen als wirtschaftlich sinnvollste Lösung. Gleiches gilt für die Förderschule am Alserberg.

An anderer Stelle, etwa bei der Stadionhalle, stimmen die Voraussetzungen nicht: Dort müssen zunächst die Gebäudehülle und die Technik saniert werden. Für das Kopernikus-Gymnasium und die Marion-Dönhoff-Realschule plus ist laut Studie eine dezentrale Sole/Wasser-Wärmepumpe erste Wahl. So lange an der Realschule noch Sanierungsarbeiten laufen, soll dort vorübergehend ein gasbetriebener Spitzenlastkessel aushelfen. Die Kita Lummerland ist zurzeit außen vor, da sie sich energetisch schon auf einem guten Stand befindet.
Bleibt als mit Abstand größter Wärmeverbraucher das Siegtalbad (1,47 Millionen kWh pro Jahr). Auf vier Säulen soll die künftige Wärmeversorgung gestellt werden: Erstens mit einer Kombination von Wärmepumpen – für die Sole/Wasser-Variante bieten sich Erdbohrungen auf dem benachbarten Fußball-Hartplatz an, der als Teil der Zentralen Sportanlage mittelfristig ohnehin modernisiert werden und nach Möglichkeit einen Kunstrasen erhalten soll. „Bis zu 80 Erdsonden wären dort möglich“, erklärt Baier, „tatsächlich beschränken wir uns für das Siegtalbad auf 35.“ Diese Säule ist hauptsächlich für den Wärmebedarf in den Wintermonaten gedacht.
Mehrere Energiequellen
Die zweite Säule bildet das Blockheizkraftwerk (BHKW). Das bestehende BHKW, welches zurzeit noch für den steuerlichen Querverbund notwendig ist (200.000 Euro Steuerverrechnung pro Jahr), soll durch ein kleineres mit geringerer Leistung ersetzt werden. Sobald dessen Abschreibungszeit von 10 bis 15 Jahren erreicht ist, kommt der Austausch gegen Wärmepumpen infrage. Baier ist optimistisch, dass die derzeit laufende politische Diskussion, ob ein steuerlicher Querverbund auch mit Wärmepumpen möglich ist, zu einem praktikablen Ergebnis führen wird.
Als dritte Säule sind bereits Angebote für eine Erweiterung der Photovoltaikanlage auf dem Dach des Schwimmbades angefordert (voraussichtlich zusätzliche 64 kWpeak). Wenn die statische Prüfung grünes Licht ergebe, so Baier, dann könne der Auftrag vermutlich schon in der nächsten Aufsichtsratssitzung vergeben werden.
Für den Restbedarf, sprich die Abdeckung von Spitzenlasten, soll als vierte Säule ein Erdgaskessel eingebaut werden.
„Wir versprechen uns erhebliche Energieeinsparungen, wenn Heiz- und Schwimmbadtechnik auf dem neuesten Stand sind.“
Manuel Kaiser von den Stadtwerken rechnet mit Einsparungen von 50.000 bis 60.000 Euro jährlich.
Hintergrund des Ganzen ist der Wille des Bundesgesetzgebers, dass Gebietskörperschaften wie Wissen bis Mitte 2028 ihre jeweilige kommunale Wärmeplanung abgeschlossen haben müssen. „Wir stehen der Sache offen gegenüber, aber es muss sich auch wirtschaftlich rechnen“, sagt Stadtwerke-Geschäftsführer Baier.
Doch parallel stehen für das Siegtalbad noch andere Aufgaben an. Wie Manuel Kaiser, technischer Leiter bei den Wissener Stadtwerke, erklärt, muss sowohl die Heiz- als auch die Schwimmbadtechnik (zum Beispiel Chlorfilter) erneuert werden. Letztere stammt aus den 1990er-Jahren, während die Heizanlage sogar noch ein Jahrzehnt älter ist. Ungefähr im Herbst rechne er mit ersten Ergebnissen einer Untersuchung, die zwecks Kostenermittlung in Auftrag gegeben wurde. Eine grobe Vorab-Schätzung liegt bei einem Eigenanteil von rund 1,15 Millionen Euro, nach Abzug der neunprozentigen Förderung (für Schwimmbäder ist es eher nachteilig, dass die Fördersumme nach der Kubikmeterzahl des umbauten Raums berechnet wird).