Wahlkreis Neuwied
So wollen die Bundestagskandidaten Unternehmen helfen
Immer mehr Unternehmen sind von Insolvenzen betroffen - auch in den Landkreisen Neuwied und Altenkirchen. Wir fragten die Direktkandidaten im Wahlkreis Neuwied, wie die deutsche Politik gegensteuern kann.
Oliver Berg. picture alliance/dpa

Was muss die Politik unternehmen, damit die heimische Wirtschaft nicht noch tiefer in die Abwärtsspirale rutscht? Das fragten wir die Direktkandidaten für die Bundestagswahl Wahlkreis Neuwied-Altenkirchen. 

Die anhaltende Wirtschaftskrise bereitet Bürgern und Unternehmen große Sorgen. Nach Migration ist es bei Umfragen das politische Top-Thema bei den Wählern. Besonders kleine und mittelständische Firmen prägen die Region. Was muss die Politik unternehmen, damit die heimische Wirtschaft nicht noch tiefer in die Abwärtsspirale rutscht? Das fragten wir die Bundestagskandidaten für den Wahlkreis Neuwied.

In den Antworten wird deutlich: Oft sind sich die Bewerber in der Problemanalyse einig, doch die Lösungswege unterscheiden sich. Das Wort „überbordende Bürokratie“ fällt gleich mehrmals in den Antworten. Mit Ausnahme der Linken-Kandidaten führen alle Befragten ein zu viel an Regulierungen als Bremse für die heimische Wirtschaft an.

Abbau von Bürokratie wichtig für viele Kandidaten

Ellen Demuth (CDU) will den Verwaltungsaufwand durch „Entrümpelungsgesetze und Bürokratie-Checks“ reduzieren sowie „Doppelstrukturen und Statistikpflichten“ abbauen. „Doppelstrukturen bauen wir ab. Zudem schaffen wir das nationale Lieferkettengesetz ab und beenden die deutsche Übererfüllung europäischen Rechts“, so die langjährige Landtagsabgeordnete. Jan Hellinghausen (SPD) stellt den „Made-in-Germany“-Investitionsbonus heraus, den seine Partei im Wahlkampf fordert. Besonders kleine und mittelständische Unternehmen profitierten - „ganz ohne komplizierte Förderrichtlinien“.

Grünen-Bundestagsbewerber Thorben Thieme verweist auf die sogenannten „Praxis-Checks“, die unter der Ampel-Regierung eingeführt worden sind. Damit sei der Ausbau der erneuerbaren Energien bereits erheblich vereinfacht worden. Das Instrument soll als „Vorbild für weiteren Bürokratieabbau“ dienen. Und mit der Fortschreibung der „WIN-Initiative“ und „One-Stop-Shops“ würden Unternehmensgründungen einfacher. „So unterstützen wir unsere heimischen Betriebe gezielt und nachhaltig.“

FDP-Kandidatin fordert effiziente und digitale Finanzverwaltung

Carsten Zeuch (Freie Wähler) betont, dass sich Unternehmen auf ihre Kerngeschäfte konzentrieren können müssten und nicht durch „unsinnige Dokumentationspflichten“ belastet werden dürften. Seiner Meinung nach schafft dies mehr Handlungsspielraum und Flexibilität und sichert die Zukunftsplanung der Firmen. „Es ist ein großer Fehler, wenn die Unternehmen nicht mehr langfristig planen können“, so Zeuch. Des Weiteren spielen aus seiner Sicht beschleunigte Genehmigungsverfahren eine große Rolle. Gleich ein sofortiges dreijähriges Moratorium für Bürokratie fordert die FDP, wie Sandra Weeser herausstellt. Sie nennt daneben eine effiziente und digitale Finanzverwaltung.

Nalan Özcan (BSW) wirft den etablierten Parteien (SPD, CDU, Grüne und insbesondere der FDP) vor, dass ihre Politik vor allem große, international agierende Unternehmen fördere und kleine und mittlere Unternehmen, Handwerker und Selbstständige vernachlässige, die nicht ins Ausland abwandern können. „Sie leiden unter überbordender Bürokratie, hohen Hürden bei der Kreditaufnahme und einem verheerend schlechten Bildungssystem“, so Özan. Deshalb fordert sie mit Blick auf Konzerne, die legale und illegale Steuerschlupflöcher nutzten, Anpassungen, „damit wir das so notwendige Geld einnehmen, um schnelles Internet, gute Verkehrsanbindungen, Bildung, Unternehmensgründungen und Investitionen in das Betriebsvermögen zu fördern.“ Förderlotsen sollen sich dann darum kümmern, dass „gute Ideen und bewährte Konzepte nicht im Förderdschungel versanden“.

Mehrheit der Kandidaten für Steuererleichterungen

Vier der sechs Kandidaten treten auch für steuerliche Erleichterungen für die Unternehmen ein. Ellen Demuth (CDU) will konkret eine Senkung der Unternehmenssteuer auf 25 Prozent, die Abschaffung des Rest-Soli und die Verbesserung von Abschreibungen sowie der Verlustrechnung. Sandra Weeser setzt den Schwerpunkt auf die Entlastung von kleinen und mittleren Familienunternehmen.

Die Liberale möchte international wettbewerbsfähige Unternehmenssteuern und Energiepreise sowie eine effiziente und digitale Finanzverwaltung. Zudem sollen Erbschafts- und Schenkungssteuern die Existenz von Unternehmen nicht gefährden. Carsten Zeuch von den Freien Wählern nennt konkret zeitlich begrenzte Steuererleichterungen für Neugründungen oder die Übernahme von Familienbetrieben. In dem Zusammenhang bringt er auch Mikrokredite ins Spiel.

Sozialdemokrat und Linke setzen auf nachfrageorientierte Politik

Eine Entlastung bei Steuern und den Energiepreisen sieht auch Julia Eudenbach (Die Linke) als notwendig an. „Letztendlich funktioniert die Wirtschaft aber auch nur gut, wenn die dementsprechende Infrastruktur gegeben ist und genügend Personal vorhanden ist“, so Eudenbach. Auch für Jan Hellinghausen (SPD) gehört bezahlbare Energie neben weniger Bürokratie, gezielten Investitionen in Digitalisierung und klimafreundliche Produktion zu den stabilen Rahmenbedingungen, die die heimische Wirtschaft brauche. Dazu zähle aber auch eine stabile Nachfrage. Höhere Löhne, stabile Renten und soziale Absicherung erhöhten die Kaufkraft der Arbeitnehmer, was letztlich lokale Unternehmen stärke.

„Eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro und mehr Tarifbindung sorgt für faire Einkommen und eine starke Binnenkonjunktur. Dies verhindert eine Abwärtsspirale und sichert trotz globaler Krisen langfristig Arbeitsplätze und Wohlstand“, begründet der Sozialdemokrat diesen nachfrageorientierten Ansatz. Einen solchen verfolgt etwa auch der Grüne Thorben Thieme mit seiner Forderung einer Investitionsprämie von 10 Prozent. Damit und mit „unserem Deutschlandfonds schaffen wir wichtige Wachstumsanreize“.

Personalmangel als zentrales Problem erkannt

In den Antworten kommt auch zum Vorschein, dass eine Mehrzahl der Kandidaten in Gesprächen mit Bürgern und Wirtschaftsvertretern mit dem Problem des (Fachkräfte-)Personalmangels konfrontiert werden. Sandra Weeser stellt hier zum Beispiel heraus, dass die FDP mehr junge Menschen für die berufliche Bildung gewinnen und die Einwanderung von qualifizierten Fachkräften erleichtern will. Thorben Thieme setzt Hoffnungen in eine zentrale Einwanderungsagentur. Sie würde die Fachkräftegewinnung deutlich erleichtern.

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