. „Zukunftsprojekt“, „Filetstück im Innenstadtgebiet“, „Aorta Betzdorfs“, „Werkstadt“ – das rund 50.000 Quadratmeter große Areal auf dem ehemaligen Eisenbahnausbesserungswerk und seine Wiederbelebung haben in den vergangen 20 Jahren verschiedene Namen erhalten. Sie alle bringen die Chancen und Hoffnungen für die Region auf den Punkt, die mit der Umwandlung des Geländes neben dem Bahnhof verbunden sind. Ein wichtiger Meilenstein konnte nun mit dem Richtfest des neuen Gesundheitszentrums genommen werden. Schon im Oktober soll das Gebäude fertiggestellt sein.
Innerhalb eines Jahres wurde der sechsstöckige Rohbau mit einer Fläche über 9200 Quadratmeter hochgezogen. 132 Apartments, größtenteils je 32 Quadratmeter groß, sollen für ältere Menschen darin entstehen. Sie werden sich mit den Pflegeangeboten in den vier Obergeschossen verteilen. Im Erdgeschoss wird ein Dialysezentrum entstehen. Auch durch die angedockte Intensivpflege werden so kurze Wege bei der Versorgung der Bewohner ermöglicht.

Im Erdgeschoss entsteht außerdem ein Café, das für externe Gäste offen sein wird. Auch durch diesen Ansatz versprechen sich die Investoren, Schwellen für Besucher abzubauen und einen Werbeeffekt für die Einrichtung zu erzielen. So sprach der Geschäftsführer der Unternehmensgruppe Pflegebutler, Alexander Aufenacker, in seiner Rede dann auch von „einem Ort des Zusammenkommens“. Wenn man ihn das erste Mal betrete, „werden sie glauben, sie sind in einem Hotel“. Pflegebutler wird mit seinen Mitarbeitern den Pflegebetrieb leisten.
Mit der Unternehmensgruppe haben die Investoren einen erfahrenen Dienstleister in diesem Bereich gewinnen können, mit dem sie bereits bei anderen Projekten zusammenarbeitet. Mit dem Betzdorfer Gesundheitszentrum entsteht die 30. Einrichtung dieser Art, in der Pflegebutler tätig sein wird. Die Investoren rechnen mit etwa 100 Mitarbeitern auf 60 bis 70 Vollzeitstellen, die im Pflegebereich tätig sein werden.

Doch wie sollen so viele Kräfte in Zeiten des Fachkräftemangels in diesem Bereich gewonnen werden? Eine große Rolle spiele hier die Attraktivität des Arbeitsplatzes, ist sich Stephan Höttgeres im Gespräch mit der Presse am Rande des Richtfests sicher. Er ist Architekt und Geschäftsführer der Abid-Firmengruppe, die das Großprojekt als Investor überhaupt ermöglicht. Zu dem Bauherren-Trio gehören auch Marcel Kremer und Peter Merz. Das Gebäude sei unter anderem so ausgelegt, dass es Pflegenden die Arbeit erleichtere. Mitarbeiter würden auch dadurch gewonnen, dass ihnen ein attraktiver Arbeitsplatz geboten werde, so Höttgeres. Insgesamt gehe es bei dem Projekt darum, Schwellen abzubauen für mögliche Besucher. „Deswegen wollen wir mit unseren Einrichtungen auch so zentral sein“, stellt er heraus.
Stadtbürgermeister Johannes Behner (CDU) zeichnete vor diesem Hintergrund das Bild einer Aorta der Innenstadt. „Das in der gesamten Region einzigartige Projekt ist für uns eine einmalige Chance für eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung“, so das Stadtoberhaupt in seiner Rede. Doch damit dieses Potenzial auch ausgeschöpft wird, das schwang ebenfalls in seinen Worten mit, müsse die Werkstadt Betzdorf, so der offizielle Titel der Revitalisierung des Areals., mit der gesamten Innenstadt verbunden werden. „Die Schaffung einer Bahnunterführung ist dafür ein unabdingbarer Schritt“, so Behner. Anfang 2023 hatte Volker Bredler, verantwortlich für die Projektsteuerung, bei dem Thema der Presse gegenüber noch von einem „dicken Brett“ gesprochen, das es zu bohren gelte. Und Abid-Geschäftsführer Höttgeres erklärte, dass der eigentliche Bau der Erweiterung der bestehenden Bahnhofsunterführung – es geht um sieben bis acht Meter – schnell umgesetzt sein könnte. Doch bis es so weit ist, warten rechtliche Hürden und die Abstimmung mit der Deutschen Bahn.

Gerade diese Unterführungsverlängerung würde die Voraussetzung schaffen für die fußläufige Verbindung zum Bahnhof. Mittlerweile gibt es dort täglich rund 3000 Fahrgäste, so Wirtschaftsförderer Michael Becher mit Verweis auf die Chancen, die hierdurch für die Werkstadt Betzdorf entstehen könnten.
Das Gesundheitszentrum ist hier nur ein Puzzleteil. Geplant sind auch ein Ärztehaus mit Mikroapartments sowie ein städtisches Quartier mit 120 Wohnungen, Büros und Dienstleistungen. Auch in der verbliebenen Halle 10 – die anderen wurden abgerissen – wird Leben einkehren. Fest steht etwa, dass Rewe Mockenhaupt auf 2500 Quadratmetern einen Markt eröffnen wird. Und 130 Parkplätze finden ebenso in der Halle Platz wie etwa Fachgeschäfte, die in Boxen untergebracht sein werden. Der rustikale Charme der historischen Halle soll dabei erhalten bleiben. Doch zuerst steht die Sanierung von 10.000 Quadratmetern Wellendachfläche an. In der Halle hat sich über die Jahrzehnte einiges an Feuchtigkeit angesammelt, was umfangreichere Trocknungsverfahren nötig macht.

Neueröffnung auf EAW, „nahkauf“ in Scheuerfeld: Wieso für Rewe Mockenhaupt kein Weg an Betzdorf vorbeiführt
Auf dem ehemaligen Eisenbahnausbesserungswerk (EAW) in Betzdorf soll ein neuer Rewe-Markt der Familie Mockenhaupt eröffnet werden. In Scheuerfeld wird der bestehende dafür in einen "nahkauf" umgewandelt.
Es werden in den nächsten Jahren also noch einige Richtfeste gefeiert werden auf dem ehemaligen Eisenbahnausbesserungsgelände. Drei Gebäude sollen etwa Betreutes Wohnen in 80 Apartments zwischen 50 und 100 Quadratmetern bieten. Die Hoffnung von Stephan Höttgeres: dass die Planungen so weit voranschreiten, dass im nächsten Jahr mit dem Bau begonnen werden kann.
Auf die Investoren wartet also weiterhin viel Arbeit. Die Schnelligkeit, mit der das Projekt bislang vorangekommen ist, macht Hoffnung. So zeigten sich die Investoren am Rande des Richtfests hochzufrieden mit dem bisherigen Verlauf. Stadtbürgermeister Behner erinnerte in seiner Rede etwa daran, dass erst im Februar vor einem Jahr mit dem Bau des Gesundheitszentrums begonnen wurde. Und innerhalb einer Rekordzeit von nur knapp 13 Monaten seien alle rechtlichen Rahmenbedingungen für die Umsetzung geschaffen worden.
Wie die Bahnbrachen aus dem Dornröschenschlaf geweckt wurden
Die Initialzündung für die Wiederbelebung der Bahnbrachen fand im September 2020 statt, als Betzdorf das rund 50.000 Quadratmeter große Areal vom Bundeseisenbahnvermögen für einen symbolischen Euro übernahm. Ein entscheidender Moment folgte im August 2021, als nach einer europaweiten Ausschreibung die Feuer-Werk Immobilien GmbH aus Limburg als Investor ausgewählt wurde. Im Mai 2022 wurden schließlich konkrete Pläne präsentiert. Im Januar 2023 begannen schließlich die sichtbaren Veränderungen auf dem Gelände mit den Abrissarbeiten. Eine Besonderheit dabei war, dass Halle 10 erhalten bleiben soll. Darin soll unter anderem ein Rewe-Markt entstehen. Eine spätere Verbindung soll den Zugang zur Moltkestraße ermöglichen. Ein wichtiger Meilenstein wurde im Februar 2024 erreicht, als der Spatenstich für das 30-Millionen-Euro-Projekt des Pflege- und Gesundheitszentrums erfolgte.