In den vergangenen drei Jahren der Coronapandemie konnten nur vereinzelte Chorproben und keinerlei Auftritte stattfinden. Da auch die Mitgliederzahl in dieser Zeit zurückgegangen ist, sah der Vorstand trotz der langen, über 150-jährigen erfolgreichen Chorarbeit keine Möglichkeit, diese Tradition der anspruchsvollen Chormusik unter der Leitung von Michael Rinscheid weiterzuführen und ein Fortbestehen des Vereins sicherzustellen.
Der Singkreis Wehbach stand immer für qualitativ hochwertige Chormusik und besondere Konzertauftritte, welche den Verein überregional bekannt machten. Man erinnert sich gerne an festliche Auftritte mit bekannten Gästen wie dem Tölzer Knabenchor, den Mainzer Dombläsern und vielen mehr. Der Singkreis, mit seinen ambitionierten Sängerinnen und Sängern, kann auf viele Erfolge zurückblicken, man denkt hier etwa an zahlreiche großartige Wettbewerbserfolge, an Konzerte im heimischen Raum – und weit darüber hinaus – und unvergessliche Konzertreisen, ob Rom, USA, Sankt Petersburg, Israel, Prag oder Wien.
Denkwürdige Versammlung
Da die fehlenden Einnahmen aus Konzerten und Auftritten es nicht mehr möglich machen, Proben und Auftritte auf gewohntem Niveau fortzuführen, sprach der langjährige Vorsitzende Franz Spork in der Jahresversammlung im März auch von einer denkwürdigen Versammlung. Der Verein zählt im Jahr der Auflösung 42 fördernde Mitglieder und 36 Aktive. Der Vorstand informierte über die Lage, und im Juni wurde dann auf einer außerordentlichen Versammlung die Auflösung beschlossen.
Der Singkreis Wehbach, 1985 aus dem Männergesangverein Wehbach hervorgegangen, war ein Aushängeschild der Region. Gerade in der Weihnachtszeit erfreute er das Publikum mit großartigen Auftritten und – wie oben schon erwähnt – hochklassigen Gästen. Die festlichen Konzerte gehörten zum festen Bestandteil im Kalender vieler Musikliebhaber der Region.
„Für uns Sängerinnen und Sänger war rund um Weihnachten eine intensive Zeit“, sagt Simone Kohlhas aus Gebhardshain, die Pressewartin des Vereins. Mit viel Fleiß und Motivation habe der Chor sich auf das traditionelle Weihnachtskonzert vorbereitet. „Das fehlt schon irgendwie“, sagt die 59-Jährige, die seit über 20 Jahren im Chor aktiv war. Vor dem Konzert herrschte eine gewisse Anspannung und mit dem Auftritt dann die Gewissheit: „Jetzt ist Weihnachten da.“ Ein Einschnitt im Leben des Vereins war der Tod seines langjährigen Vorsitzenden und Präsidenten, Hans Urrigshardt, von dem der Chor 2016 Abschied nehmen musste. Er hatte in besonderer Weise die Aktivitäten des Vereins unterstützt und gefördert.
70 Aktive in den besten Zeiten
„Uns wurde die finanzielle Grundlage entzogen, Kontakte und Sponsoring brachen weg“, erläutert Simone Kohlhas. In seinen besten Zeiten zählte der Singkreis 70 Aktive, jetzt waren es nur noch knapp 40. Zu wenig, um anspruchsvolle Literatur einzustudieren und das hohe Niveau zu halten, sagt die Pressewartin. Zumal Nachwuchs, gerade auch bei den Männerstimmen, rar gesät ist. „Viele möchten sich nicht mehr langfristig an einen Verein binden“, spricht die Gebhardshainerin ein Problem an.
Der Abwärtstrend sei nach Überzeugung des Vorstandes nicht mehr zu stoppen gewesen. Die Pandemie habe den Prozess in den vergangenen drei Jahren lediglich beschleunigt. „Wir hatten keine Einnahmen und mussten komplett von der Reserve leben“, berichtet Simone Kohlhas. Qualität hat ihren Preis. „Wir wollten auf unserem Niveau weiter singen. Gute Chormusik zu machen, hat den Chor geprägt. Ein Auftritt musste Niveau haben, das hat uns motiviert“, betont sie. Anspruchsvoller Chorgesang bedeute Arbeit – „Das hat Spaß gemacht“, sagt die Sängerin aus eigener Erfahrung. Sie hätten immer ohne Noten gesungen – „Darauf hat unser Dirigent Wert gelegt.“
Seit 1984 leitete Michael Rinscheid den Singkreis Wehbach. Mit ihm konnte der Chor seinen Leistungsstand so verbessern, dass der Singkreis in den darauffolgenden Jahren die bedeutendsten deutschen Laienchorwettbewerbe erfolgreich bestreiten konnte.
In den 1980er-Jahren fand der Leistungsstand des Chores auch international Anerkennung. So erhielt der Singkreis zwei Einladungen zu Konzertreisen, unter anderem nach Wien. Die erste Überseereise führte den Singkreis 1987 zu einer großen Konzerttour in den Nordosten der USA. Diese Reise mit Konzerten unter anderem im Weißen Haus, der Kathedrale und der Deutschen Botschaft in Washington nahm einen sehr erfolgreichen Verlauf. Längst waren nicht mehr nur Wehbacher Mitglieder des Singkreises, sondern zahlreiche Sängerinnen und Sänger aus den umliegenden Orten und Regionen kamen hinzu.
Große Konzertreisen
In den 1990er-Jahren folgten weitere große Konzertreisen sowie die Reise nach Spanien zum internationalen Chorfestival „Europa, deine Lieder“ in Barcelona. Außerdem erhielt der Chor als einziger deutscher Chor 1993 eine Einladung zum Kammerchorfestival St. Petersburg.
In den Folgejahren reiste der Chor mehrfach nach Rom und hatte die Ehre, in Anwesenheit von Papst Johannes Paul II zu singen. Außerdem war es ihm als erstem deutschen Chor vergönnt, ein Privatkonzert in der Sixtinischen Kapelle zu geben. Einen weiteren Höhepunkt in der Vereinsgeschichte erlebte der Chor im Sommer 2000 mit einer Konzertreise, die ins Heilige Land und nach Jordanien führte. Außerdem brachte der Singkreis das große Chorwerk „Lauda Sion Salvatorem“ von Prof. K.-J. Müller in der St. Ignatiuskirche in Betzdorf zur Uraufführung.
Was im Jahr der Auflösung und im Ausblick auf das neue Jahr bleibt, sind Erinnerungen, auch an eine schöne Gemeinschaft. Das sagt auch Pressewartin Simone Kohlhas: „Wir wollen uns nicht ganz aus den Augen verlieren.“