Der Wunsch, sich selbst verteidigen zu können, hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen – spätestens seit den Übergriffen an Silester 2015/16 in Köln. Das merkt auch David Hahmann, Leiter von Combat Place, wie er auf Nachfrage unserer Zeitung erläutert. In seinem Studio bietet er Thaiboxen, Ringen, Krav Maga oder auch MMA an – alles Sportarten der Kampfkunst. Nicht nur Männer nehmen das Angebot an. Auch Frauen wie Jana oder Kinder gehen in seinem Studio ein und aus. „20 Prozent der Erwachsenen kommen aufgrund von Erlebnissen hierher“, sagt Hahmann und fügt hinzu, dass andere Teilnehmer die Kurse im Hinblick auf Vorsorge und Spaß an der Kampfkunst belegen.
Neben den Leuten, die Vorsorge leisten, gibt es aber auch jene, die sich mit dem Thema Selbstverteidigung rein gar nicht beschäftigen, so Hahmann. „Die meisten Menschen denken ja: ,Mir passiert so etwas nicht.' Das ist oft bei Dingen, die unangenehm sind.“ Der 23-Jährige und die beiden anderen zertifizierten Trainer des Studios geben Tipps, falls es dann doch mal zu einer bedrohlichen Situation kommt. Dabei nehmen sie sich viel Zeit, um mit den Teilnehmern zu sprechen, sagt Hahmann und erklärt: „Selbstverteidigung fängt im Kopf an. Bei uns geht es nicht nur darum: Der Trainer macht's vor, die anderen machen's nach.“ So sei es zum Beispiel wichtig, gerade den Frauen neben Techniken auch psychologische Verhaltensweisen mit auf den Weg zu geben. In den Anti-Rape-Kursen (Kurse gegen Vergewaltigung) lernen die Frauen aber auch, dass sie auf ihre Umgebung achten und nicht einfach mitten durch eine Menschenmenge gehen sollten, wenn es nicht gerade sein muss. Teil dieser Kurse ist es zudem, dass gefahrvolle Situationen nachgestellt werden und die Teilnehmer lernen, sich mit alltäglichen Gegenständen wie einer Tasche, einem Aschenbecher oder Schirm zu verteidigen.
Auch Westwood Kampfsport in Hamm bietet Kurse zur Selbstverteidigung an. Inhaber Salomon Brenke fällt auf, dass viele Eltern ihre Kinder auch wegen Mobbing zu ihm schicken. „Manchmal geht es darum, dass das Kind anders ist als die anderen, dicker, dünner, schüchterner“, sagt der 57-Jährige, der von den Eltern oft erklärt bekommt, dass deren Kind in die Ecke gedrängt wird und Dinge aus den Händen genommen bekommt. Brenke zeigt den Kursteilnehmern dann erst einmal Hebel und Würfe, um sich aus einer solchen Situation zu befreien. Dass das Bedürfnis, sich selbst verteidigen zu können, schon bei den Kleinen anfängt, erklärt er sich damit, dass im Allgemeinen die Brutalität immer größer wird. Die Statistik der Polizeidirektion Neuwied zeigt, dass die Zahl der Rohheitsdelikte (unter anderem Straftaten wie Raub, Körperverletzung und Bedrohung) vergangenes Jahr bei 1231 Fällen im AK-Land lag. Im Jahr zuvor waren es 1359 Fälle.
Der Budo-Sport-Klub Herdorf bietet ebenfalls Selbstverteidigungskurse schon für die Jüngsten an. Vorsitzender Michael Stinner ist es wichtig, den Kindern Selbstbewusstsein zu vermitteln und sie starkzumachen. „Das heißt also nicht, dass sie andere Kinder verkloppen sollen. Wir ziehen ja keine Schläger groß“, gibt Stinner zu verstehen. Ein guter Kampfsportler würde ohnehin sein Können erst einmal für sich behalten.