Meinung
Seit Corona leiden Freundschaften – muss das so sein?
Daniel-David Pirker
Jens Weber. MRV

Spätestens seit der Pandemie geht es in Diskussionen oft aggressiver zu. Eine weitere Folge: Nicht selten verkümmern Freundschaften. Redakteur Daniel-D. Pirker hat aus persönlichen Erfahrungen seine Lehren gezogen.

Vor einem Jahr war Corona aus den meisten Gedanken bereits verblasst. Auch aus meinen, nicht zuletzt, weil mich eine Infektion bis heute verschont hat. Doch an diesem trüben Märzmorgen holen mich die Nachwirkungen der Pandemie im kargen Winterwald des Dreiländerecks mit voller Wucht ein. Eine Freundin, die viel zu früh verstarb, wird begraben.

Die beißende Kälte bei dieser Waldbestattung nehme ich kaum wahr. Ähnlich geht es den anderen Trauergästen. Ob ich der einzige bin, der erst nach ihrem Tod von ihrer unheilbaren Krankheit erfuhr?

Unser letztes Treffen im März 2021 mündete in eine heftige Debatte über Ausgangsbeschränkungen und Impfungen. Hätte man uns danach befragt – wir hätten nie eingestanden, dass genau dies einer der Gründe war, weshalb wir uns verloren. Eine Lüge, denn bereits beim Abschied spürte ich die unausgesprochene Barriere zwischen uns.

„Zu Corona gesellten sich längst der Ukraine-Krieg, vermeintliche Einschränkungen der Redefreiheit oder die Irrwege der deutschen Energiewende.“
Redakteur Daniel-D. Pirker über die veränderte Diskussionskultur

Dieses Schicksal teile ich mit unzähligen Menschen. Diskussionen schaukeln sich rascher auf ein Aggressivitätslevel, das das meines Beispiels weit übersteigt. Zu Corona gesellten sich längst der Ukraine-Krieg, vermeintliche Einschränkungen der Redefreiheit oder die Irrwege der deutschen Energiewende. Und manchmal geht es einfach nur darum, ob das nun so seine Richtigkeit hat mit diesen nervigen neuen Plastikverschlüssen an Flaschen.

Hinzu kommt eine gewisse soziale Trägheit. Die meisten Freundeskreise erreichten nach der Pandemie nie mehr ihre frühere Dynamik. Vielleicht ist Ihnen das vertraut. Viele Freundschaften sind still eingeschlafen – ohne jeden Streit. Selbst jene Verbindungen, die man für unzerstörbar hielt, trotz großer Entfernungen, Familiengründungen, Scheidungen, Karrieresprünge oder familiärer Pflegeverpflichtungen.

Eben rief mich ein solcher Freund an. Auch ihn hat eine Krankheit ereilt, mit der man in der Lebensmitte nicht rechnet. Ausgang offen. Wir telefonieren eine Stunde miteinander. Wir wissen: Bei diesem Gespräch wird es nicht bleiben.

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