Eigentümerin mit Waffe bedroht
Sechs Jahre Haft für Überfall auf Altenkirchener Salon
Als erwiesen sah es das Gericht, dass ein 26-Jähriger sowohl für den Überfall auf den Lottoladen in Altenkirchen verantwortlich ist, als auch auf einen Friseursalon. Für diese Tat wurde dem Mann am Donnerstag vor dem Koblenzer Landgericht ein weiterer prozess gemacht. Er bekam für beide Taten eine Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren und 6 Monaten.
Sonja Roos

642 Euro erbeutete ein bewaffneter und maskierter Täter am 12. Oktober 2023 bei einem Überfall auf einen Friseursalon in Altenkirchen. 

Aktualisiert am 07. März 2025 15:55 Uhr

Zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten wegen räuberischer Erpressung wurde am Donnerstag ein 26-Jähriger aus der VG Altenkirchen-Flammersfeld vor dem Koblenzer Landgericht verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen, dass der Mann, der bereits wegen des Überfalls auf den Lottoladen in der Altenkirchener Bahnhofstraße verurteilt wurde (wir berichteten), auch einen Friseursalon in der Altenkirchener Innenstadt überfallen hat.

Der Mann wurde am 16. Oktober 2023, unmittelbar nach dem Überfall auf den Lotto- und Tabakladen in der Altenkirchener Bahnhofstraße, verhaftet und kam in Untersuchungshaft. Zunächst saß er in der JVA Koblenz, mittlerweile verbüßt er wegen dieser Tat eine Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 9 Monaten in der JVA Dietz.

Angeklagter will keine Angaben zur Tat machen

Zum jetzigen Prozessauftakt wollte der Mann zur Tat selbst zunächst keine Angaben machen, nur zu seiner Person. Der gelernte Maler kommt aus einem glücklichen Elternhaus, wie er beschreibt. Der Vater Polizist, die Mutter Sekretärin, liebevolle Großeltern, eine ältere Schwester. Warum er genau auf die schiefe Bahn gerät, kann der Angeklagte selbst nicht sagen, jedoch beginnt er - auch durch die Ausbildung, wie er meint - früh mit dem Konsum von Alkohol. Es sei dann immer mehr geworden, bis er zum Schluss täglich größere Mengen konsumiert habe. Doch der Alkoholrausch allein sei ihm irgendwann nicht mehr genug gewesen, weshalb er zunächst auf Cannabis zurückgriff und dann auch härtere Dinge einnahm wie Kokain, Amphetamine und Benzodiazepine. Vor allem Letztere habe er genommen, wenn er morgens sehr verkatert gewesen sei.

Obwohl er stets gearbeitet habe, hätte die Sucht sein Leben bestimmt, was sich zumindest auch aus dem Vorstrafenregister herauslesen lässt: So ist er seit 2015 mehrfach vorbestraft wegen Trunkenheit am Steuer, hat auch den Führerschein schon dreimal abgeben müssen. Auch zum Zeitpunkt des Überfalls auf den Lottoladen stand er unter Bewährung wegen Diebstahls und Trunkenheit am Steuer. Mehrere Versuche, die Sucht in den Griff zu bekommen, seien gescheitert. Jetzt, in Haft, komme er aber langsam wieder klar. Er mache Sport, arbeite wieder als Maler und wolle nun auch gerne eine Therapie machen - etwas, zu dem er beim Prozess im vergangenen April noch nicht bereit schien.

Zeugin erzählt vom Vorfall im Friseursalon

Nach der Einlassung zu seinen persönlichen Verhältnissen wurden die Zeugen gehört. So nahm als Erstes die 40-jährige Besitzerin des Friseursalons Platz auf dem Zeugenstuhl. Sie berichtet von dem 12. Oktober 2023, an dem ein mit Sturmhaube, Basecap und Kapuze bekleideter Mann gegen 15.15 Uhr ihren Laden betreten habe. Sie sei mit einer Praktikantin im hinteren Bereich gewesen, um die Praktikumsmappe zu besprechen. Der Mann habe einen Moment vorne im Laden gewartet. Dass er etwas vor dem Mund getragen habe, habe sie zunächst nicht beunruhigt. „Nach Corona war man das ja gewöhnt, dass die Leute Masken trugen.“ Als sie nach vorne zu dem vermeintlichen Kunden ging, hätte dieser nur ein Wort gesagt: „Kasse.“

Er sei sehr ruhig gewesen, nicht hektisch oder fahrig. Auch sein Gang sei ohne Auffälligkeiten gewesen. Er habe dann eine Waffe gezogen, durchgeladen, auf sie gerichtet und mit dem Kopf zur Kasse gedeutet. Natürlich händigte die Frau dem Täter das Geld aus. 642 Euro erbeutete er an diesem Tag. Sie habe noch gefragt, ob er etwas habe, wo sie das Geld reinstecken solle, doch er habe nur die Hand aufgehalten. Die Scheine steckte er dann in seine Jackentasche und wandte sich zum Gehen. An der Tür habe er sich noch einmal umgedreht und gesagt: „Gib mir zehn Minuten.“ Die gewährte sie ihm selbstredend nicht, sondern rief umgehend die Polizei.

Keine Kameraüberwachung hat den Überfall festgehalten

Sie habe sich noch eine ganze Zeit nach dem Überfall unwohl gefühlt, sagt die 40-Jährige. Auch habe sie eine Klingel am Laden angebracht, damit sie sehen könne, wer hereingelassen werden will. Ihre Ängste habe sie im Gespräch mit Freunden und Familie aufgearbeitet. Ihre Version der Ereignisse wird auch von weiteren Zeugen, nämlich der Praktikantin, einer Kundin und einer weiteren Mitarbeiterin bestätigt. Gehört werden zudem noch Beamte der Kripo Betzdorf, der PI Altenkirchen sowie des Kriminaldauerdienstes aus Koblenz, die vor Ort nach dem Überfall ermittelten. Da es - anders als beim Überfall auf das Lottogeschäft - hier aber keine Kameraüberwachung gab und die Zeugen den Mann nur anhand seiner „auffälligen, stahlblauen Augen“ identifizierten, konnte die Tat dem Angeklagten nicht eindeutig zugeordnet werden, weshalb diese in einem abgetrennten Verfahren verhandelt wurde.

Zehn Zeugenaussagen später und nach eingehender Präsentation sowohl der Handyauswertung des Angeklagten sowie der nach der zweiten Tat sichergestellten Beweisstücke aus dessen Wohnung, wollte dieser nun auch endlich zur Tat Angaben machen: „Es ist eindeutig, dass ich die Tat vollbracht habe. Ich bin geständig. Es tut mir leid, ich hoffe, dass Sie mir bei dem Urteil eine Therapie gewähren“, richtete er das Wort an den Vorsitzenden Richter Rudolf Lenders und fügte noch unter Tränen an: „Meine Schwester ist auch Friseurin, ich hab danach in meiner Wohnung gestanden und gedacht, ’Ist schon scheiße, was du gemacht hast’.“

Arzneistoff im Blut des Täters hätte Erstanwender bewusstlos gemacht

Nun geständig, gab er auch an, von dem erbeuteten Geld Tabletten für seine Sucht gekauft zu haben. Die geladenen Gutachter, die auch schon beim ersten Prozess anwesend waren, konnten im Anschluss nicht mehr viel beitragen zu neuen Erkenntnissen, auch weil es nach dem Überfall auf den Friseur, anders als drei Tage später beim Überfall auf den Lottoladen, keine Blutproben gab. Jörg Röhrich, Toxikologe an der Uniklinik in Mainz, konnte dem Angeklagten lediglich bescheinigen, dass er aufgrund der vorliegenden Blutprobe vermutlich viel und regelmäßig konsumiert habe. Die Konzentration von Alprazolam im Blut sei so hoch gewesen, dass ein Erstanwender vermutlich bewusstlos davon geworden wäre. Und Psychiater Gerhard Buchholz bescheinigte dem Mann zwar ein Abhängigkeitssyndrom von Alkohol und Psychopharmaka, aber wollte allenfalls eine geminderte Steuerungsfähigkeit als strafmildern anerkennen, da der Angeklagte sein Leben trotz Sucht ansonsten sehr gut im Griff gehabt habe.

Tat hat bis heute Auswirkungen auf die unfreiwillig beteiligten Frauen

Die Anklagevertreterin wertete zwar das Geständnis positiv, dieses habe aber nicht zu einem verkürzten Verfahren beigetragen. Auch hätte die Tat bis heute Auswirkungen auf die unfreiwillig beteiligten Frauen. Sie forderte darum 7 Jahre Gesamtstrafe. Verteidiger Johann Böcking bat in seinem Plädoyer lediglich darum, dass man seinem Mandanten die Therapie gewähre. Das Gericht fasste am Ende die beiden Strafen zu besagter Gesamtstrafe von 6 Jahren und 6 Monaten zusammen. Zudem muss der Angeklagte das erbeutete Geld zurückzahlen und die Kosten des Verfahrens tragen.

Ob der Mann auch noch wegen der beiden Überfälle im September 2023 auf ein weiteres Lottogeschäft am Marktplatz in Altenkirchen verantwortlich sein könnte, dazu wollte sich im Anschluss keiner der Prozessbeteiligten äußern.

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