Schädliches Mineral in Lüftungsanlage - Arbeitskreis soll über Neubau beraten
Schädliches Mineral in Lüftungsanlage: Asbestproblem dürfte das Ende der Stadthalle Altenkirchen sein
Aufgrund eines Asbestproblems scheinen die Tage der Altenkirchener Stadthalle gezählt zu sein.
Heinz-Günter Augst

„Alekärch schepp-schepp“, hallte es am 4. März 1984 durch die Stadthalle, als der Multifunktionsbau mit einer Sitzung der Karnevalsgesellschaft Altenkirchen Premiere feierte – und 36 Jahre später, am 17. Februar 2020, dürfte die „Närrische Stadthalle“ auch die letzte Großveranstaltung in der „Guten Stube“ der Kreisstadt gewesen sein. Denn in der Lüftungsanlage der Stadthalle, die wegen der Corona-Pandemie derzeit nur für kleinere Zusammenkünfte genutzt werden kann, befindet sich gesundheitsgefährdendes Asbest.

Aufgrund eines Asbestproblems scheinen die Tage der Altenkirchener Stadthalle gezählt zu sein.
Heinz-Günter Augst

Bei einer Prüfung am 27. Januar habe ein TÜV-Sachverständiger festgestellt, dass in den Brandschutzklappen asbesthaltige Dichtungen verbaut sind, berichtete Stadtbürgermeister Matthias Gibhardt den Mitgliedern des Stadtrats in dessen Sitzung am Donnerstag – in ebenjener Stadthalle.

Ein Mangel, über den der TÜV das Kreisbauamt informieren werde, wenn er nicht bis zur gesetzten Frist am 30. April behoben ist. Die wahrscheinliche Folge: Der Kreis untersagt einen weiteren Betrieb der Stadthalle. Umgehen könnte man das laut Informationsvorlage durch einen Austausch der Brandschutzklappen für schätzungsweise 90.000 Euro, was aber aus Sicht von Gibhardt – und erkennbar auch der Mehrheit des Stadtrats – keine ernsthafte Option ist.

Denn es bestehen weitere Mängel an der – bislang mängelfrei abgenommenen – Lüftungsanlage. Unter anderem ist ihr Inneres mit Mineralwolle ausgelegt, die ebenfalls als gesundheitlich bedenklich gilt. Auf circa 332.000 Euro würden sich die Kosten für eine Sanierung summieren – und auch das wäre nicht das Ende der Fahnenstange.

Der weitere Sanierungsbedarf in dem Komplex mit Restaurant, Kinosälen und Kegelbahnen beläuft sich laut Berechnung der VG-Verwaltung auf 338.000 Euro, womit saftige 670.000 Euro aufzubringen wären – ohne dass an eine ebenfalls anhängige energetische Sanierung überhaupt gedacht wurde.

Dass eine solche Sanierung unwirtschaftlich wäre, ist ein naheliegender Schluss, zu dem auch die Voruntersuchung des VG-Bauamts kommt. Der Umwelt- und Bauausschuss hat sich am 3. März in nicht öffentlicher Sitzung bereits für die Bildung einer Arbeitsgruppe ausgesprochen, die sich mit einem möglichen Neubau beschäftigen sowie dafür ein Abrissszenario in der Voruntersuchung zur Städtebauförderung berücksichtigen soll. Über eine Lösung müsse intensiv diskutiert werden, so Gibhardt, dem es wichtig war, nicht die Augen vor dem „Elefant im Raum“ zu verschließen: „Es ist keine weitere Nutzung möglich.“

Dieser Kausalkette wollte Ralf Lindenpütz (CDU) allerdings nicht folgen: „Der Prüfbericht des TÜV sagt nicht aus, das wir die Stadthalle nicht weiter betreiben dürfen“, stellte er fest. Festgestellt werde das Fehlen von Betriebserlaubnis und Gefährdungsbeurteilung. Zudem würden sogar Schulen trotz Asbestproblemen weiterhin betrieben. Weiter verwies der CDU-Fraktionschef auf Förderprogramme des Landes zur Gebäudesanierung und stellte fest, dass die Stadthalle noch einen Buchwert von 800.000 Euro besitze und durch einen Abriss circa 1,2 Millionen Euro „in den Sand gesetzt“ würden.

Als „Streit um des Kaisers Bart“ bezeichnete Bauamtsleiter Burkhard Heibel, von Gibhardt um eine Stellungnahme gebeten, die Spitzfindigkeit in Sachen Prüfbericht. Eine Verlängerung der Betriebserlaubnis sei nicht zu erhalten, ohne dass die Brandschutzklappen ausgelöst werden, was aber eine Freisetzung der Asbestfasern zur Folge hätte. Daher sei ohne eine Behebung der Mängel ein Betrieb unter Sicherstellung des Brandschutzes über den 30. April hinaus nicht möglich.

Der Stadtchef selbst hielt Lindenpütz ein Gutachten von 2012 entgegen, in dem bereits klar empfohlen wurde, die Stadthalle abzuschließen, wenn sich kein Gesamtpächter finde. Diesem Rat sei man nicht gefolgt und gleiche seitdem ein jährliches Defizit von 150.000 Euro aus. Dieses Geld sei „jetzt schon verbrannt“.

„Wollen wir in dieser Tour weitermachen?“, fragte Gibhardt rhetorisch und wies auf das strukturelle Problem hin, dass die Hälfte des Komplexes inzwischen ungenutzt sei und es keine Perspektive dafür gebe. Als mahnendes Beispiel nannte er die Stadthalle Betzdorf, wo sich eine angedachte Teilsanierung zu einer Generalsanierung mit Kosten von 3 Millionen Euro gesteigert hat.

Daniela Hillmer-Spahr (SPD) wünschte sich eine sachliche Debatte über das Gebäude. „Von der Emotion ,Wir müssen als Kreisstadt eine Stadthalle haben' sollten wir uns lösen“, forderte sie. Und mit Blick aufs Asbestproblem stellte sie fest: „Wir haben eine Verantwortung gegenüber den Menschen, die sich in der Stadthalle aufhalten.“

Das sah auch auch Peter Müller (Grüne) so, der sich „erschüttert“ über die Äußerungen des CDU-Fraktionschefs zeigte, – woraufhin Lindenpütz bestritt, seine Feststellungen zum Asbestthema seien verharmlosend gemeint gewesen. „Die Gefahr ist riesig“, stellte Müller dagegen klar. Ihm sei auch kein Fall in der VG bekannt, in dem eine Schule trotz Asbestproblems weiter betrieben wurde. Über eine Nachfolgelösung wünscht er sich eine offene Diskussion: „Welche Art von Gebäude braucht Altenkirchen?“

Auch für Thomas Roos (FDP) lag die gesundheitliche Problematik klar auf der Hand. Sie biete nun die „Chance, neu zu denken“. Die Stadthalle sei nicht zukunftsfähig. Weiteres Geld in die Stadthalle zu investieren, komme für seine Fraktion nicht infrage.

Gesundheitliche und wirtschaftliche gehen auch für Jürgen Kugelmeier (FWG) Hand in Hand in der Unterstützung des Plans, die Nutzung der Stadthalle zu beenden. „Es ist keine gute Stube mehr. Die Zeit ist vorbei“, betonte er. Kurzfristige Alternativen stünden außerdem zur Verfügung mit der Tennishalle auf der Glockenspitze oder der umgebauten Christuskirche.

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