Der an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg tätige, zuvor bereits am Wolfson College in Oxford und der University of Liverpool sowie weiteren Unis lehrende Historiker referierte eindrucksvoll und immer wieder informative sowie interessante Spannungsbögen aufbauend, aber auch humorvolle Passagen äußernd, über „Volkstribun – Die Verführung der Massen und der Untergang der Römischen Republik“, angelehnt an sein gleichnamiges Buch.
In seinem Willkommensgruß stellte Ekkehard Schneider, Leiter des Marienthalers Forums, fest, dass militärische Konflikte und gesellschaftliche Umbrüche die heutigen täglichen Nachrichten beherrschten. Nach dem Zweiten Weltkrieg seien aus einem Fortschritts-Optimismus, so müsse man fast sagen, Depressionen geworden. „Die Menschen sind verunsichert, Zukunftsängste sind da, und die Wahlergebnisse vom vergangenen Sonntag sprechen für sich. Damit haben heute Demagogen und Populisten einen immensen Zulauf. Sie geben Versprechungen, so ist mein Eindruck, und nutzen die Unsicherheiten der Menschen aus und agieren damit.“ Es stelle sich die Frage, ob man das, was heute sei, mit Beispielen aus der Vergangenheit, so auch mit dem Römischen Reich, vergleichen könne.
„Der heutige Abend wird kein langweiliger Unterricht.“
Dieses Versprechen gab Michael Sommer zu Beginn seines Vortrages in Hamm.
Die Antike sei ein Hebelpunkt, neuere Epochen verstehen zu können, bekundete Michael Sommer eingangs seines plastischen, eindrucksvollen, fesselnden und spannenden Vortrages, der insbesondere das Römische Reich in Zeiten von Publius Clodius Pulcher (93 vor Christus bis 52 vor Christus) beleuchtete. Dieser war ein zu den Popularen zählender Politiker, entstammte einem alten Patriziergeschlecht, wechselte später zum Stand der Plebejer, um sich dann zum Volkstribun wählen zu lassen. Dabei war Marcus Tullius Cicero sein Hauptgegner, der später ein Jahr im Exil ausharrte.
Historiker erweckte eines der turbulentesten Kapitel
Der Historiker erweckte eines der turbulentesten Kapitel der römischen Geschichte mit skrupellosen und korrupten Politikern, Kriegen und Tabubrüchen zum Leben. Für zahlreiche Epochen in der Geschichte wurde beispielhaft aufgezeigt, wie Populismus, falsche, dem Volk suggerierte Darstellungen sowie Versprechungen und Gewalt eine bestehende Ordnung stürzen können.
Der aus einer vornehmen Familie stammende Clodius (er konnte in der Ahnenreihe auf elf Generationen im Amt eines Konsuls zurückblicken) arbeitete sich politisch Stufe um Stufe nach oben und setzte sich für die unteren Schichten der Bevölkerung ein, zumindest gab er dies vor. Um an die Macht zu kommen, war ihm alles recht. Er agierte rücksichtslos und aggressiv, löste eine Orgie der Gewalt los. Er verfolgte dabei die Maxime, nur an sich und seinen Erfolg zu denken. Später endete dann alles mit einem Chaos.
Genaue Skizzierung des Systems
Sommer verstand es hervorragend, die damalige Zeit anregend in verschiedenen Segmenten darzustellen. Er skizzierte genauestens das System und die Hierarchien der römischen Republik, berichtete über Clodius Karriere, die Kunst der Illoyalität, warum der spätere Volkstribun gegen seinen Verwandten Lucullus meuterte, sich in Frauenkleidung zu einer Frauenveranstaltung in Caesars Haus schlich, dort aber entdeckt wurde, und die Gewalt auf der Straße inszenierte. Der Vortrag des Historikers verdeutlichte, dass Ereignisse und damit verbundene Folgen von früher und in Epochen danach auch mit der heutigen Zeit verglichen werden können.
Verinnerlicht man die Ausführungen des Referenten und lässt diese auf sich wirken, wird schnell deutlich, dass es keine beispielhafte Wiedergabe eines geschichtlichen Vorgangs war. Es war eine klare und eindeutige Wiedergabe einer politischen Situation, die es in früherer Zeit gab und heute noch gibt. Menschen bedienten und bedienen sich einer Ideologie, denken dabei nur an sich, stufen das Volk als dumm ein und versuchen dies zu spalten. Clodius erließ vier Gesetze, zwei gegen seinen Intimfeind Cicero und zwei weitere zugunsten des Volkes, um dieses zu beruhigen, denn, wenn dieses zufrieden ist, lässt es sich besser und leichter regieren.
Gesprächsrunde mit dem Referenten
Genauso angeregt und spannend wie der Vortrag zeigte sich auch die anschließende Gesprächsrunde mit dem Referenten. Ein Teilnehmer stellte fest, dass heutzutage der westlichen Welt eine Vision fehlt und man sich zu sehr in der Vergangenheit aufhält, anstatt in die Zukunft zu sehen.
Ferner wurde angebracht, dass sich die Demokratie weltweit auf dem absteigenden Ast befindet und die Autokraten immer mehr zunehmen. Diesbezüglich seien alle aufgefordert, ein Gegengewicht zu setzen.
Es war ein kurzweiliger Abend mit zahlreichen Aussagen zum Nachdenken sowie einem anerkennenden und verdienten Applaus für den Gastredner. Die Frage, ob die Ereignisse von damals in der römischen Republik auch heute eintreten können, wurde nicht abschließend einwandfrei beantwortet. Aufgrund seiner Ausführungen gab der Professor, wenn auch nicht offiziell ausgesprochen, den Anwesenden sicherlich die „Hausaufgabe“ mit auf den Weg, den Abend nochmals Revue passieren zu lassen und das eine oder andere nochmals zu hinterfragen und zu beleuchten.