Erich Kästner ist schuld an den Mahnwachen in Betzdorf gegen rechte Gesinnung. Initiatorin Margit Diehl zeigt beim Gespräch auf ihrem Smartphone ein Foto mit einem Zitat des berühmten Schriftstellers. Es lautet in verkürzter Form: „Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. (...) Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist.“.
Margit Diehl wartet nicht mehr. Jeden Dienstag und Freitag steht die 52-Jährige mit drei weiteren Frauen auf dem Betzdorfer Wochenmarkt. Mit Plakaten und Schildern in den Händen protestieren die Betzdorferin und ihre Mitstreiterinnen gegen rechtes Gedankengut und namentlich gegen die Alternative für Deutschland (AfD).

Denn für die engagierten Frauen ist die AfD keine Alternative, sondern eine Gefahr für die Demokratie im Land. „Ich finde es schlimm und ich habe Angst“, sagt Margit Diehl, „man kann sich nicht sicher sein, dass sich Geschichte nicht wiederholt.“ Es sei an der Zeit, gegen rechte Parolen und konkret gegen die AfD auf die Straße zu gehen, und zwar regelmäßig – „und nicht vier Wochen, bevor Wahlen stattfinden. Das muss in den Köpfen bleiben“, davon ist Margit Diehl überzeugt.
Aus diesem Grunde stehen die Frauen dienstags und freitags auf dem Markt vor dem Betzdorfer Rathaus. Margit Diehl hat sich ganz bewusst den Markt ausgesucht, denn dann ist die Fußgängerzone in der Innenstadt belebt und die Frauen und ihr Protest werden wahrgenommen. Passanten bleiben stehen – „manche lächeln oder nicken einfach nur mit dem Kopf oder es kommt ein Zeichen: Daumen hoch“, erzählt die Initiatorin. Manch einer spricht die Frauen auch an – „auf zehn positive Reaktionen kommt eine negative“, berichtet die 52-Jährige.
„Ich finde es gut, was sie machen“, sagt auch an diesem Vormittag eine Frau im Vorbeigehen. Sie würde sich wünschen, dass miteinander geredet werde. Doch mit der AfD oder ihren Wählern – „das ist schwierig“, meint Margit Diehl., „mit denen kann man nicht reden.“ Sie ist skeptisch: „Ich glaube nicht, dass man die AfD noch inhaltlich bekämpfen kann.“ Hilfreich wäre sicher eine Politik „nahe an den Bürgern“. Die Betzdorferin nennt Themen wie Bildung, Rente, Gesundheit, bezahlbaren Wohnraum, Energiepreise, Klima – „da muss was kommen.“

Für Leute, die die AfD aus Protest wählen würden, fehlt ihr jedes Verständnis. „Das ist doch menschenverachtend, was diese Partei treibt“, sagt sie und verweist auf Kommentare in den sozialen Medien zu Konzentrationslagern, wie „Neue Fernwärme“ oder „Start in die Grillsaison“, die mit Blauen Herzen geliked würden. Dahinter, so Margit Diehl, verbergen sich AfD-Wähler. „Das ist gruselig“, ist die 52-Jährige angewidert.
Dabei wolle sie Wählern der Partei zunächst einmal nichts unterstellen. „Ich sage immer, ihr seid keine Nazis, aber ihr wählt Nazis.“ Ein Verbotsverfahren würden die Frauen begrüßen – doch sie warten nicht darauf. „Wir müssen sichtbar sein und bleiben“, lautet ihre Devise. „Wer die AfD wählt, wählt gegen die Würde des Menschen“ ist auf ihren Schildern zu lesen und: „Keine AfD – Nie wieder ist jetzt“. Es findet sich auch ein Zitat der kürzlich verstorbenen Margot Friedländer: „Erinnern alleine reicht nicht.“
„Wenn ich Veränderungen will, muss ich dafür eintreten.“
Margit Diehl
Margit Diehl ist geschichtlich und politisch interessiert, aber nicht parteipolitisch engagiert. „Ich bin nicht links und nicht grün, ich stehe für Menschenwürde und Menschenrechte“, betont sie. Bei einem von den Pfadfindern organisierten Lichterspaziergang in Betzdorf sei sie auf die Bewegung „Omas gegen Rechts“ aufmerksam geworden, erzählt die 52-Jährige. Seitdem ist sie Mitglied in der Regionalgruppe Kreis Altenkirchen der „Omas gegen Rechts“.
Die Betzdorferin würde auch, wenn sie eingeladen würde, mit ihren Anliegen in Schulen gehen – „das wäre ein wichtiges Thema in Schulen, da kann man was erreichen.“ Um etwas zu erreichen, müsse man klein anfangen: „Wenn ich Veränderungen will, muss ich dafür eintreten“, ist Margit Diehl überzeugt, dass die Mahnwachen auf dem Markt einen Sinn haben.
Hat sie keine Angst vor Einschüchterungsversuchen? „Nein, noch habe ich keine Angst. Ich will unser Land der AfD nicht schweigend überlassen“, sagt sie. Den Protest der Frauen versteht sie als Mahnung und Warnung zugleich. Aus einem Schneeball dürfe keine Lawine werden, denn die lasse sich nicht mehr aufhalten, habe Erich Kästner in seinem Zitat abschließend gesagt. Margit Diehl weist noch einmal auf das Foto: „Daran glaube ich und daran halte ich mich und wenn ich bis zum Sankt Nimmerleinstag hier stehe.“
Wer sich informieren oder auch engagieren möchte, die Regionalgruppe Altenkirchen „Omas gegen Rechts“ ist per Mail erreichbar unter ogr.altenkirchen@gmail.com