Eigentlich soll der Konrad-Adenauer-Platz in Altenkirchen ein Begegnungsort sein, an dem man sich gerne aufhält. Der Platz liegt zwischen Bahnhof, Parkplatz und Einkaufsmöglichkeiten (Rewe Petz, Takko, Deichmann, Tedi) günstig in der Kreisstadt. Auch genügend Spielgeräte für Kinder sind auf dem Platz vorhanden. Dennoch wird der Konrad-Adenauer-Platz von vielen Bürgern eher gemieden - auch tagsüber. In sozialen Netzwerken ist sogar von einem „Angstraum“ die Rede. Stadtbürgermeister Ralf Lindenpütz bezeichnet den Konrad-Adenauer-Platz im Gespräch mit unserer Zeitung sogar als einen „gefährlichen Ort.“ Diesen Begriff macht er aufgrund des Austauschs mit der Polizei Altenkirchen fest, aufgrund der Anzahl und Schwere der Vorfälle vor Ort.
So teilt Frank Boden, Dienststellenleiter der Polizeiinspektion Altenkirchen auf Nachfrage unserer Zeitung mit: „Im Rahmen der Auswertung der Einsatz- und Kriminalitätslage im Zuständigkeitsbereich der Polizeiinspektion Altenkirchen konnte bereits 2022 festgestellt werden, dass es eine auffällige Häufung von polizeilichen Einsätzen im erweiterten Bereich des Bahnhofs in Altenkirchen gibt.“ Laut Polizei umfasst dieser Bereich die gesamte Bahnhofstraße, den Konrad-Adenauer-Platz sowie die als Zugangsstraße dienende Friedrich-Emmerich-Straße. „Dies nahmen wir zum Anlass, eine Einsatzkonzeption zu entwickeln, die diesem Umstand entgegenwirkt. Die Einsatzkonzeption sieht unter anderem vermehrte Kontrollen, mit Unterstützung der Bereitschaftspolizei sowie des Ordnungsamtes vor. Dies wurde äußerst positiv von der Bevölkerung wahrgenommen“, so Boden.

Die Bezeichnung „gefährlicher Ort“ fußt laut Boden auf dem Polizei- und Ordnungsbehördengesetz des Landes Rheinland-Pfalz (POG), welches im Paragrafen 10 (Identitätsfeststellung und Prüfung von Berechtigungen) einen Ort als solchen deklariert, „an dem aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte erfahrungsgemäß anzunehmen ist, dass dort Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben“ (Auszug aus Paragraf 10 POG). An diesen Orten kann die Polizei unter anderem von jeder Person, die sich dort aufhält, die Identität feststellen. „In der Bewertung kamen wir zu dem Ergebnis, dass der besagte Bereich in Altenkirchen ein solcher Platz ist, somit ein gefährlicher Ort im Sinne des POG darstellt“, führt Boden auf Nachfrage aus.
Es gab schon diverse Vorfälle vor Ort, jüngster Vorfall ist eine Körperverletzung, bei dem einem 75-Jährigen eine unbekannte Flüssigkeit ins Gesicht gespritzt wurde. Es kam auch schon zu gefährlichen Körperverletzungen und Randale sowie Lärmbelästigungen. Lindenpütz führt aus, dass die Stadt mit der Polizei in regelmäßigen Gesprächen zur Situation sei. „Die Einsatzkonzeption wird jährlich der Entwicklung vor Ort angepasst. Auch in diesem Jahr werden wir vermehrt Kontrollen durchführen. Feststellungen, die in die Zuständigkeit der Kriminalpolizei fallen (unter anderem Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz), werden entsprechend weitergeleitet und besprochen“, führt Boden aus.

Als unsere Zeitung sich beim Vor-Ort-Termin mit Stadtbürgermeister Ralf Lindenpütz ein Bild von der Lage macht, kommt eine Bürgerin dazu. Auch sie berichtet, dass sich ihre Mutter nicht mal mehr tagsüber zum Einkaufen in die Nähe des Platzes wagt. „Meine Kinder würde ich hier auch nicht spielen lassen“, fügt sie hinzu. Und das ist scheinbar ein gängiges Ansichtsbild – denn statt vom ruhebedürftigen Altenkirchenern und spielenden Kindern wird der Konrad-Adenauer-Platz von einer bestimmten Klientel genutzt. Nicht nur, um Alkohol zu konsumieren, sondern auch um Drogen zu verticken. Hinzu komme, dass auch Jugendliche den Platz vor allem in den Sommermonaten zum „Vorglühen“ nutzen. Hierbei versucht Dominic Pritz von der mobilen aufsuchenden Jugendarbeit des Kompa (Maja) eine Anlaufstelle zu bieten (siehe Zusatzartikel).
„Im beschriebenen Bereich findet sich im Frühjahr bis Herbst vermehrt die Trinkerszene ein. Die Kontrolltätigkeiten der vergangen beiden Jahre hatten einen temporären Verdrängungseffekt zur Folge, konnten jedoch zu keiner signifikanten Fallreduzierung beitragen. Die Zahlen blieben auf einem in etwa gleichbleibenden Niveau. Dies hat unter anderem damit zu tun, dass sich zahlreiche Geschäfte im Umfeld des Bahnhofs befinden, die immer wieder als Anlaufstelle für die beschriebene Szene dienen (Kauf von Alkoholika usw.)“, sagt Dienststellenleiter Frank Boden zur Situation.
„Wir haben die Problematik schon seit der Neugestaltung des Platzes, also seit 2019, im Blick.“
Stadtbürgermeister Ralf Lindenpütz
Die Problematik vor Ort ist auch Stadtbürgermeister Ralf Lindenpütz schon lange bekannt und nun seit dem Umzug des Stadtbüros in die Bahnhofstraße im Jahr 2024 auch ständig vor Augen. „Wir haben die Problematik schon seit der Neugestaltung des Platzes, also seit 2019, im Blick“, sagt Lindenpütz im Gespräch mit unserer Zeitung. Schon damals habe ein Runder Tisch stattgefunden, der sich mit der Problematik der Alkoholkonsumenten vor Ort beschäftigt habe.

Dominic Pritz hat ein offenes Ohr im „Maja-Mobil“
Seit Oktober 2024 ist Sozialpädagoge Dominic Pritz regelmäßig in der Kreisstadt Altenkirchen mit dem „Maja-Mobil“ unterwegs, um Kindern und Jugendlichen in problembelasteten Lebenswelten zuzuhören. Das Angebot gibt es bereits seit 2019.
Laut Tobias Fried vom Ordnungsamt Altenkirchen sei im Jahr 2019 die erste Gefahrenabwehrverordnung erlassen. „Diese hatte zunächst nur im Gebiet der Kreisstadt Altenkirchen Gültigkeit. Nach Fusion wurde die Gefahrenabwehrverordnung im Jahr 2021 auf das gesamte Verbandsgemeindegebiet ausgedehnt.“ Diese umfasst unter anderem auch, dass das öffentliche Trinken von Alkohol im Stadtgebiet untersagt ist. „Die Gefahrenabwehrverordnung ist eine gute Ergänzung zu den bestehenden Regelungslagen. Entsprechende Verstöße werden der Verfolgungsbörde weitergeleitet“, berichtet Polizei-Dienststellenleiter Frank Boden mit Blick auf die Gefahrenabwehrverordnung.
„Nach unserer Einschätzung übersteigt die Anzahl von Straftaten die Anzahl von Verstößen gegen die Gefahrenabwehrverordnung.“
Tobias Fries vom Ordnungsamt der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld
Die Problematiken im Bereich des Konrad-Adenauer-Platzes in Altenkirchen sind auch dem Ordnungsamt der VG bekannt. Tobias Fries betont, dass diesbezüglich seit Jahren eine sehr enge Zusammenarbeit mit der Polizei Altenkirchen stattfinden. „Werden im Rahmen polizeilicher Maßnahmen Verstöße gegen die Gefahrenabwehrverordnung festgestellt, erhalten wir im Nachgang die entsprechenden Einsatzberichte und leiten dann Ordnungswidrigkeitenverfahren ein. Klassische Verstöße sind hierbei Ruhestörungen, Pöbeleien oder Vermüllungen, deren Ursache im Konsum von Alkohol oder anderer Substanzen liegt. Gleichzeitig erfolgt eine Hinzuziehung der Polizei bei entsprechenden Feststellungen durch unseren Außendienst“, so Fries.
„Nach unserer Einschätzung übersteigt die Anzahl von Straftaten die Anzahl von Verstößen gegen die Gefahrenabwehrverordnung. Nichtsdestotrotz hat die Polizei durch die Gefahrenabwehrverordnung der Verbandsgemeinde auch unterhalb der Schwelle Straftat einen verbesserten Zugriff auf das dort teilweise anzutreffende Klientel“, berichtet Fries weiter.
Runder Tisch mit verschiedenen Akteuren geplant
Lindenpütz betont, dass die Möglichkeiten zum Eingreifen seitens der Stadt begrenzt sind. Zum einen habe man aber schon versucht, den Begegnungsort transparenter zu gestalten und weniger Rückzugsmöglichkeiten zu bieten – so wurden Büsche bewusst zurückgeschnitten.
Eine Überlegung könnte auch sein, dass die Videoüberwachung vor Ort ausgebaut werde. Nach Ostern wolle man sich mit verschiedenen Akteuren und der Politik bei einem weiteren Runden Tisch zusammensetzen, um über Lösungen zu beraten. „Ich hoffe, dass wir dann im Sommer 2025 erste Ergebnisse umsetzen können“, so Lindenpütz.
Straftaten am Konrad-Adenauer-Platz
Laut Zahlen der Polizei Altenkirchen wurde folgende Straftaten am Konrad-Adenauer-Platz statistisch erhoben: Vom 1. März 2022 bis 1. März 2023 kam es zu 112 Straftaten. Im Zeitraum 2. März 2023 bis 1. März 2024 wurden 136 Straftaten vermerkt. Im verkürzten Bewertungszeitraum (bislang vorliegende Zahlen) vom 2. März 2024 bis 31. Dezember 2024 ereigneten sich 58 Straftaten. „ Das Spektrum der Straftaten erstreckt sich überwiegend auf Sachbeschädigungen, Körperverletzungen, Bedrohungen und Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz“, teilt Dienststellenleiter Frank Boden auf Nachfrage unserer Zeitung mit. Ordnungswidrigkeiten, also zum Beispiel Verstöße gegen die Gefahrenabwehrverordnung, werden durch die Ordnungsbehörde bearbeitet, wie Tobias Fries ausführt. (ann)