Es ist Freitagabend, kurz vor 19 Uhr. Auf dem Platz vor dem Apollo-Theater herrscht heftiges Gedränge, und immer mehr Besucher strömen ins festlich beleuchtete Foyer.
Hier liegt schon Premierenstimmung pur in der Luft, und damit auch ganz deutlich wird, worum es sich heute handelt, werden die Gäste bereits nach wenigen Schritten von zwei jungen, hübschen und gut gelaunten „Ordensschwestern“ in schwarz-weißen Habits empfangen. „Herzlich Willkommen in unserer Gemeinde“, grüßen die Schönheiten augenzwinkernd und bieten beflissen Programmhefte an.
Musical-Fassung war wie gemacht für das erfahrene Ensemble
Noch klingen die Sektgläser, noch wird geplaudert, gelacht und fotografiert, noch teilen „Fans and Friends“ des Vereins „Musical!Kultur Daaden“, stolze Familien der Mitwirkenden und Musicalliebhaber aus der ganzen Region ihre Vorfreude. Dann öffnen sich endlich die Türen zum Saal und damit zum Musical „Sister Act“. Als einige gewichtige Glockenschläge durchs Halbdunkel hallen, tauchen die Zuschauer endgültig ein die stille, klösterliche Welt, in der es schon sehr bald mit der Ruhe vorbei sein wird ...
Und das war auch sehr gut so, denn die inzwischen nicht minder gefeierte, mitreißende Musical-Fassung der Filmlegende „Sister Act“ war einfach wie gemacht für das langjährig erfahrene Ensemble von „Musical!Kultur Daaden“. Um es gleich vorweg zu nehmen: Die brillant vorbereitete 45-köpfige Crew sang, tanzte und spielte sich in dieser musikalisch extrem anspruchsvollen und für alle Beteiligten mehr als herausfordernden Inszenierung nicht nur ein weiteres Mal in die Herzen der Zuschauer, sondern auch rasant in Richtung Profiliga.
Bühnenfassung folgt durchaus der Handlung des Films
Was Quereinsteiger möglicherweise nicht wissen: Die Story rund um den kleinen Orden in Philadelphia, der von der begabten, aber mäßig erfolgreichen Club-Sängerin Deloris Van Cartier aufgemischt, letztlich aber auch vor dem finanziellen Ruin gerettet wird, folgt in der Bühnenfassung durchaus der Handlung des Films.
Die berühmten Songs (darunter „I Will Follow Him“ und „Hail Holy Queen“) werden jedoch gänzlich ersetzt. Deshalb war die Aufführung sozusagen ein Wiedersehen mit „alten Bekannten“ im neuen musikalischen Gewand. Zur Freude des Publikums blieben die Hauptrollen ihren berühmten Vorbildern treu. Die Darsteller performten großartig – allen voran die rotzig-freche, aber dennoch liebenswerte Deloris Van Cartier, die strenge Mutter Oberin, die schüchterne Novizin Mary Robert, die quirlige Mary Patrick, die schroffe Chorleiterin Mary Lazarus und „Klaviernonne“ Mary Nirwana.
Unverzichtbare Figuren dürften nicht fehlen
Doch es gab noch weitere unverzichtbare Figuren, denn neben dem sakralen Ambiente des Klosters durfte der Switch ins Rotlichtmilieu als zweitem Handlungsort nicht fehlen. Da gab es den Fiesling Curtis Jackson, den Deloris beim Morden beobachtet hatte und der ihr nun nach dem Leben trachtete. Da gab es Curtis Helfer TJ, Pablo, Ernie und Joey (nicht die hellsten Kerzen auf der Torte, aber dennoch nicht zu unterschätzen). Da gab es den scheuen, heimlich in Deloris verliebten Officer Eddie Fritzinger („Schwitze-Fritze“), der seine Angebetete kurzerhand im besagten Kloster unterbrachte, als es für sie eng wurde.
Hinter einer wirklich herausragenden „Hauptrolle“ aber steckte direkt ein ganzes Bündel junger Multitalente, und das war der Chor der Nonnen unter ihrer neuen Leiterin Deloris, Pardon, „Schwester Mary Clarence“. Die leichtfüßig wirkende Melange aus facettenreichen Choreografien und mehrstimmigen, blitzsauber intonierten Songs erhielt nicht nur einmal stürmischen Szenenapplaus. Apropos Intonation: Bei all dem wundervollen Budenzauber auf der Bühne darf das Orchester auf keinen Fall vergessen werden: Die Musiker lieferten unter dem Dirigat von Ingo Hunz rund zweieinhalb Stunden lang einen gut ausgesteuerten, hochwertigen Sound ab. Die Technikabteilung rückte hingegen jede Szene aufs Neue ins rechte Licht und sorgte für spektakuläre „Knalleffekte“.
Am Ende siegen Loyalität, Freundschaft und Liebe
Und die Essenz dieser turbulenten Überschneidung zwischen frommem Himmelsblick und zwielichtiger Unterwelt? Nun, am Ende siegten Loyalität, Freundschaft, Liebe und der Wille, den eigenen Weg ohne Angst vor den Konsequenzen zu gehen. Das zeigte nicht nur der zu Tränen rührende Befreiungssong der tapferen Mary Robert, sondern auch die Geschlossenheit der Nonnen, die nach der finalen Hetzjagd durchs Kloster bereit gewesen wären, ihr eigenes Leben zu geben, um „ihre“ Deloris vor den Häschern zu retten.
Das Ensemble von „Musical!Kultur Daaden“ lieferte mit dieser Premiere eine absolute Spitzenleistung ab. Und wer sich jetzt ein Ticket für eine der nächsten Aufführungen sichert, der unterstützt nicht nur diese hochengagierten Hoffnungsträger, sondern auch den Fortbestand unserer gesamten ländlichen Kunst- und Kulturszene.
Da die Hauptrollen höchste Anforderungen an die Akteure stellen, wurden sie mehrfach besetzt. In der Premiere sangen Julia Goßmann, Laura Lange, Rosa Maria Pfeifer, Carolin Krebs, Sophie Becher, Jennifer Hartmann, Jana Becher, Sophia Kohlhas, Loreen Röhle, Anja Stephan, Tanja Becher, Jörg Brück, Gideon Sahm, Hellmuth Schachner, Daniel Fernandez, Lukas Nies, Steffen Litzinger und Simon Scheckel. Außerdem wurde die Aufführung von einem rund 20-köpfigen Tanz- und Schauspiel-Ensemble sowie Tanzsolistin Nele Lucretia Dreisbach umrahmt. Die Regie führte Matthias Marschang-Neuroth. Alle Infos zu weiteren Aufführungen gibt es auf www.musicalkultur.de. (hilg)